Mörder kennen keine Grenzen. Horst Bosetzky
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Название: Mörder kennen keine Grenzen

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783745205954

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СКАЧАТЬ umsonst hier ...“

      Der Lärm lockte Opa Melzer herbei. Er war einundsiebzig, stets ungewaschen und leicht schwachsinnig und ganz versessen darauf, sich an Miezis kommerziellem Liebesleben zu erfreuen. Zu diesem Zweck hatte er sich sogar ein markstückgroßes Guckloch in die Tür gebohrt. Nur wenn kein Freier in Sicht war, wagte er sich aus seinem Verschlag heraus. Schließlich waren wir alle eine große Familie. Miezi verdiente das Geld und füllte unser trautes Heim mit lieben Gästen, Opa Melzer verrichtete die kleinen Hausarbeiten, die so anfallen, und reparierte unser Klo, wenn’s mal zusammenkrachte oder verstopft war mit Miezis berufsbedingten Abfällen, und ich übernahm alle kaufmännischen Aufgaben, verkehrte mit den Behörden und sorgte mit meiner Bildung für einen hohen kulturellen Standard unserer Lebensgemeinschaft.

      „Wat is ’n los?“, nuschelte Opa Melzer.

      „Kannst du mir ’en Fünfer borgen?“

      „Nee, ick bin pleite! Der Dumme nur sein Geld verscharrt, der Kluge kauft sich Engelhardt!“ Worauf er sich aufatmend von einem gewaltigen Magenwind befreite und flugs den Werbespruch variierte. „Wenn das Bier im Hintern knarrt, ist’s bestimmt von Engelhardt!“

      „Dann mach ’nen Abgang, los, los, avanti!“ Ich scheuchte Opa Melzer in sein Kabuff zurück und zog die Tür zu. Seine beiden Meerschweinchen sorgten stets für einen bestialischen Gestank.

      „He, Miezi, was ist denn nun?“ Ich spähte durch den Riss in der braunen Holztür. Sie lag nackt auf dem zerwühlten Bett und starrte gegen die Decke. Ein Körper, ein paar Schenkel, ich kann Ihnen sagen! Ich hämmerte gegen die Tür. Endlich erhob sie sich, ging zu ihrer Handtasche, wühlte darin herum und kam schließlich mit einem Fünf-Mark-Schein zur Tür.

      „Lass mich rein!“, bettelte ich.

      „Du hast wohl ’ne Macke! Ick arbeite doch nich im Akkord! Hier ...“ Sie schob mir den Schein durch den Spalt.

      „Danke, mein Engel!“

      „Schöner Engel ...“ Sie warf sich kichernd aufs Bett und zog sich die Decke über den Kopf.

      Mein Startkapital hatte ich also. Was würde ich daraus machen können, tausend Mark, zehntausend, hunderttausend ...?

      Es war halb neun, als ich auf die Straße hinaustrat. Die Sonne schien, der Tag war schön, offenbar billigten die himmlischen Instanzen mein Tun. Ich bog in die Adalbertstraße ein, bis zur Hochbahn waren es knapp zehn Minuten.

      Prinzenstraße, Hallesches Tor, Möckernbrücke und so weiter, nicht mal zwanzig Stationen bis zum Bahnhof Thielallee. Was wohl mein Opfer in diesen Minuten gerade trieb ...?

      3. Kapitel

      Tagebuchaufzeichnungen von Prof. Dr. Rüdiger Kolczyk.

      Anhand aufgefundener Fragmente vom Autor rekonstruiert.

      Es begann an einem Oktobertag, dessen stereotype Schönheit mich wie immer langweilte: fallende goldbraune Blätter, ein sanft-blauer Himmel, ziehende Wattewölkchen, der würzige Duft modernden Laubes. Seit Millionen Jahren hatte es die Natur nicht für nötig gehalten, ihr Programm zu ändern. Die Erinnerung an unzählige, höchst unnütze Schulaufsätze ließ meinen Unmut noch wachsen: Ist der Herbst die Jahreszeit des Vergehens? Meine Gedanken im herbstlichen Wald. Herbstgedichte, die mir etwas gegeben haben. Gegen meinen Willen fiel mir ein Gedicht von Else Lasker-Schüler ein, das ich irgendwann einmal in den Heften meiner Tochter gefunden hatte. Obwohl mein Gedächtnis für derartige Dinge zu wünschen übrig lässt, hatte ich mir drei, vier Zeilen eingeprägt. „Ich will dir viel viel Liebe sagen – wenn auch schon kühle Winde wehen, in Wirbeln sich um Bäume drehen, um Herzen, die in ihren Wiegen lagen.“

      Warum dieses Gedicht, warum diese Aufzeichnungen? Es kommt mir alles lächerlich vor, furchtbar lächerlich. Dieser verdammte Aktivismus! Wir tun nur etwas, wir arbeiten in Wahrheit nur so verbissen, um uns über die Sinnlosigkeit unseres Daseins hinwegzutäuschen, um den Gedanken zu verjagen, dass wir so bedeutungslos sind wie die winzigste Ameise, die wir gerade zertreten haben, dass wir zu sterben haben, ohne eine bleibende Spur zu hinterlassen.

      Doch Schreiben entlastet, und darum schreibe ich hier. Ich schreibe, also bin ich.

      Milde Resignation eines Arrivierten an einem Herbstmorgen ... Aber damit dürfte ad eins klar geworden sein, dass ich ein durch und durch widersprüchlicher Mensch mit einer beträchtlichen Distanz zu meiner eigenen sozialen Rolle bin und zum andern, dass ich an diesem besagten Oktobermorgen schlechte Laune hatte. Wenigstens auf dem Weg zur Universität. Die gute Reinhild, seit mehr als zwanzig Jahren meine Ehefrau, hatte auf dem Bücherbrett unserer Tochter einen Haufen Aufklärungsschriften gefunden (Die Liebesvereinigung in Wort und Bild, Ekstasen der Liebe, Triebe unter dunkler Haut) und den ganzen Sonntag über studiert. Nun, auch unter der Sahara soll es ja frisches Wasser geben. Kurzum, Reinhild hatte plötzlich ihre Das-haben-wir-endlich-hinter-uns-Philosophie vergessen und abends im Bett von mir Dinge verlangt, zu deren Ausführung mich ihre verblichenen Reize ansonsten höchstens einmal alle vierzehn Tage verleiten konnten. Aber mein Heisch war so schwach geblieben, wie ihres geworden war.

      Erst als ich meinen perlgrauen Mercedes 220 SE vor dem lang gestreckten Fakultätsgebäude geparkt hatte und die paar Stufen zu unserem Institut hinaufgestiegen war, fand ich zum inneren Frieden zurück. Fräulein Blau nämlich – unsere frisch aus dem Urlaub zurückgekehrte blonde Sekretärin – saß rauchend auf dem Schreibtisch, und das, was der Anblick ihrer kaum verhüllten Schenkel in mir – oder besser: an mir – auslöste, schwemmte alle geheimen Ängste fort.

      „Guten Morgen, mein schönes Kind“, sagte ich und küsste ihr in alter Ballhausmanier die Hand.

      „Einen wunderschönen guten Morgen“, erwiderte Beate Blau. Sie legte Wert auf einen neckisch-gebildeten Plauderton, schließlich hatte sie die mittlere Reife. Möglicherweise war sie Nymphomanin, jedenfalls verfügte sie über eine stattliche Schar potenter Freunde und bemühte sich tagtäglich, auch mich zum Mittel ihrer ureigensten Lustmaximierung zu machen, aber es war mir bisher immer gelungen, mich zu beherrschen. Irgendwann hatte man mir eingehämmert, dass man so etwas nicht tut, dass das einfach nicht geht. Ich, ein weltbekannter Wissenschaftler, überall wegen meines unbestechlichen, durchdringenden Verstandes gepriesen, ich fürchtete, im Falle eines Falles von einem Gott verdammt zu werden, an den ich offiziell gar nicht glaubte. Außerdem hatte ich Angst. Angst vor IHM, Angst vor ihr, dass ich ihren hohen Ansprüchen nicht genügen würde, Angst vor Reinhilds Tränen, Angst vor dem Spott meiner hellsichtigen Tochter, Angst vor dem Getuschel der Studenten und vor allem Angst davor, dass es zu einem Skandal kommen könnte, der meiner politischen Karriere zumindest nicht förderlich wäre. Meine Partei schätzte solche Sachen nicht.

      Mögen die folgenden Zeilen, und nicht nur sie, auch ein wenig unter meinem Niveau liegen, so muss ich die Szene mit Beate Blau dennoch wahrheitsgetreu wiedergeben, denn einmal bin ich als empirischer Soziologe dem sorgfältigen Festhalten aller handlungsrelevanten СКАЧАТЬ