Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz
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СКАЧАТЬ wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte:

      »Man sollte derart rohen Sport untersagen. Das ist doch nichts für Frauen! Wir bewundern inzwischen ja sogar schon die Catcherinnen, wenn sie sich gegenseitig in die Pfanne hauen. Aber lasst mich alles der Reihe nach berichten!

      Meine Leute patrouillierten durch die Gassen der ominösen Gegend, mit dem Einbruch der Dämmerung beginnend, und nichts geschah, rein gar nichts. Die Zeit rann in unerträglich quälender Langeweile vorüber. Schon war Mitternacht gekommen, und schon war Mitternacht vorüber, als ich aufatmete, als ich tief durchatmete. Gewiss hatte der Verbrecher bemerkt, dass heute ungewöhnlich viele Männer unterwegs waren und seine Tat verschoben, um uns nicht in die Falle zu gehen.

      Ich kam schließlich an einem kleinen Behelfs-Theater vorüber, einer Bretterbude, die ein wandernder Trupp an der Rückseite der ‚Cá d‘ Oro‘ errichtet hatte. Müde hockte ich mich in die hinterste Reihe. Vor mir saß der Pöbel und genoss einen Boxkampf. Die Männer johlten, die Weiber kreischten.

      Zwei Frauen maßen ihre Kräfte, umeinander tänzelnd. Sie steckten im aus leinenen Dreieckchen bestehenden Höschen und einem festen Sport-BH, den Körper mit schimmerndem Öl eingerieben. Ihre Handschuhe waren inwendig mit jeder Menge Federn gepolstert, wie das beim Damenboxen so üblich ist, denn niemand will, dass sie sich die Gesichter verunstalten.

      Die eine war eine Schwarze, groß und weibisch gestaltet, mit überbordendem Gesäß, welches aufgrund seiner wogenden Masse aus dem Höslein heraus quoll. Sie trug einen leuchtend weißen Zweiteiler. Die andere war eine Weiße, ebenfalls mit üppiger Figur, wenn auch etwas schlanker. Sie hatte ein pechschwarzes Sportskostüm an. Beide waren vor Muskeln strotzend, und der Kampf, dem ich nun aus purer Langeweile folgte, wogte eine Zeitlang unentschieden hin und her.

      Doch mit der Zeit, vom Sprechchor der geilen Kerle und ihren rhythmischen Schreien »Afrika – Afrika« angefeuert, gewann die Schwarze allmählich die Oberhand und geriet auf die Siegerstraße, während die Gegenwehr der Weißen abebbte:

      Schließlich landete sie eine Serie von Treffern an Kinn und Brust der Gegnerin, welche daraufhin schwankte und wankte und dann rücklings zu Boden ging, mit dem Hinterkopf auf den Brettern aufschlug, alle Viere von sich streckte und breitbeinig liegen blieb, die Augen scheußlich verdreht.

      Enthusiastischer Beifall brandete auf. Die Siegerin tänzelte hin und her. Zwei Mitarbeiter des Unternehmens schlenderten herein und schütteten der Unterlegenen einen Eimer kalten Wassers ins Gesicht, aber sie wollte und wollte nicht mehr zu sich kommen. Da schleppten sie die Bewusstlose durch den linken Eingang hinaus.

      Sie ist übrigens, wie ich vorhin erfuhr, kurz nach dem grausigen Geschehen, das ich gleich schildern werde, ihren inneren Verletzungen erlegen. Es sei nur eine Nutte gewesen, sagte der Bretterbudenbesitzer, und nicht schade um sie. Ich bin da zwar anderer Meinung, aber …

      Ja, und die Siegerin, die fette Schwarze, ließ sich nun mit weit ausgebreiteten Armen feiern, doch da geschah es: Noch während die Leute ihr zujubelten, betrat ein hoch aufgeschossener Schauspieler die Bretter. Er war in einen bodenlangen pechschwarzen Talar gehüllt und verbarg den Kopf in einer rundum geschlossenen Kapuze. Gemessenen Schrittes nähert er sich der Jubelschreie ausstoßenden Frau, während derer sie die Fäuste triumphierend in Venedigs finsteren Himmel stieß.

      Die Zuschauer, darunter auch ich, hielten das für den Einfall der Regie und warteten gespannt, was nun kommen würde, während sich die große schwarze Gestalt hinterrücks der Boxerin näherte, ohne dass diese sich nach ihr umdrehte und aufhörte, weiter ins Publikum zu winken.

      Jetzt hatte der Vermummte sie erreicht und legte ihr sanft die linke Hand auf die bloße linke Schulter. Es war, wie es schien, eine Knochenhand. Erstaunt drehte die Schwarze den Kopf zur Seite, um zu sehen, wer da in ihrem Rücken stand. In diesem Augenblick ließ der Eindringling die zugeschnürte Kapuze fallen. Ein Aufkreischen schrillte durch das Dunkel der Zuschauerränge, auf das eine bedrückende Stille folgte.

      Auch die Afrikanerin stieß einen Schrei aus. Sie blickte nämlich in das bleiche Gesicht eines Totenschädels. Kraftlos und von unerhörtem Grauen geschüttelt fielen die Arme herunter, während ihr das Gespenst den linken Arm von hinten über die Brust legte und sie fest an sich presste. Aus dem Flatter-Ärmel ragte eine Knochenhand hervor.

      Mit der Rechten nahm der Unheimliche nun ein Messer hervor, ein Bowie Knife, und säbelte der wie gelähmt Dastehenden die Kehle durch. Sie hatte gerade noch genügend Zeit, ein Wenig zu röcheln, und schon vernahm ich das knirschende Geräusch, als er ihr die widerspenstischen Ringe der Gurgel durchtrennte.

      Nachdem der Mörder sie umgebracht hatte, wischte er die Klinge an ihrem Büstenhalter ab. Für einen kurzen Augenblick hielt er sie noch aufrecht im Arm. Alle konnten sehen, wie ihr das Blut im Bogen aus dem Spalt heraus zischte. Dann ließ er sie zu Boden sinken, wo sie, auf dem Rücken liegend, kurz darauf im Blute schwamm. Bevor der Schurke untertauchte, schob er ihr das Messer unter den BH und schnitt ihn mit einem Ruck entzwei, inzwischen so etwas wie sein Markenzeichen. Dann steckte er die Waffe weg. Schon war er durch die mittlere Tür der Bühne den Blicken der Zuschauer entschwunden.

      Ich riss die Pistole aus dem Halfter und rannte wie besessen den Mittelgang hinunter und dann über die Treppe zur Bühne hinauf, während im Theater wüstes Schreien und wildes Durcheinander los brachen. Nur wenige drängten sich zum Ausgang. Fast alle blieben da. Etliche stürmten sogar hinauf und starrten auf die Leiche. Die meisten blieben aber auf ihren Sitzen hocken, um den Ausgang des Dramas zu erleben, denn sie begriffen immer noch nicht, dass dies kein Theater mehr war.

      Oben angekommen, rannte ich durch die linke der drei Türen ins aus rohen Brettern gefügt Bühnengebäude hinein und hindurch zum Hintereingang. Dort fragte ich die sich faul herum lümmelnden Schauspieler, die auf ihren Einsatz warteten, ob sie etwas gesehen hätten, aber sie konnten mir nicht weiterhelfen. Getrieben von der Annahme, der Mörder müsse sich noch im Gebäude versteckt halten, durchsuchte ich die einzelnen Zimmer und machte im Umkleideraum eine grausige Entdeckung:

      An einem Haken hing der schwarze Talar des Mörders. Er war blutbesudelt. Auf den beiden Schemeln darunter lagen schwarze Handschuhe, auf die aus weißem Stoff so etwas wie die Knochen einer Hand aufgenäht war. Daneben fand ich eine Theatermaske, den bleichen Tod darstellend.

      Wie mir der Inhaber der Bude mitteilte, handelte es sich um Requisiten seines kleinen Unternehmens. Wer sie sich für diesen Auftritt angeeignet hatte, wusste er nicht zu sagen, denn seine Anlage sei für jedermann offen. Er beschäftige übrigens nur Laienschauspieler.

      Wiederum eilte ich zu den rauchenden Männern am Hintereingang. Aber sie waren viel zu betrunken, um Genaueres schildern zu können. Einer lallte, mehrere Personen hätten das Theater auf diesem Wege verlassen, vielleicht aber auch keiner.«

      Ambrosio schwieg nun und schüttelte sich vor verspätetem Grauen. Volpe rieb sich die Hände. Er kicherte verhalten. Dann murmelte er, die Fingerspitzen aufeinander legend:

      »Ein intelligentes Bürschlein, dieser Würger von Venedig! Er hat sich da ein tolles Plänchen einfallen lassen und vor der Nase des Tenente di Fusco einen netten kleinen Mord inszeniert, um ihm dann auch noch zu entwischen. Mein lieber Doktor, auf welche Art und Weise ist er wohl verduftet?«

      »Er ist durch das Hintertürchen gerannt, und als Ambrosio kam, war er schon weg. Er hatte genügend Vorsprung, um ihm zu entwischen und kennt bekanntlich alle Schliche und Gassen in dieser Region Venedigs bestens«, sagte ich.

      »Wie auch sonst soll’s gewesen sein?«, murmelte Ambrosio.

      »Oh, du mein Gott, welch ein Begriffsstutzigkeit! СКАЧАТЬ