Название: Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis
Автор: Meinhard-Wilhelm Schulz
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745212631
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Ich dachte einen Moment lang nach. Dann rief ich, von einer plötzlichen Erleuchtung durchdrungen:
»Gut, ich spreche jetzt für den Mörder. Hört zu:
Niemand kennt mich. Keiner weiß, dass ich der Gesuchte bin. Den Kapuzenmantel habe ich diesmal zuhause gelassen und bin in der Bretterbude hinter der Bühne aufgekreuzt, in welcher jeder Zutritt hat, um mich dort als der leibhaftige Tod zu verkleiden und das Ende des Boxkampfes abzuwarten. Was ich dann getan habe, hat Ambrosio schon geschildert.
Als ich mich nach vollbrachter Tat des Talars und der Handschuhe entledigt hatte, schlenderte ich in aller Muße, das allgemeine Chaos ausnutzend, über die Bühne und dann in den Zuschauerraum, wo ich es mir gemütlich machte, um den Fortgang des von mir inszenierten Theaterstücks zu genießen.
Gewiss kamen jetzt die Carabinieri zuhauf herein geströmt; danach irgendein kopfschüttelnder Arzt, der für die gemeuchelte Afrikanerin naturgemäß nichts mehr tun konnte.
Schließlich endlich schleppte man, vor meinen Augen, die Ermordete auf einer Bahre in die Gewölbe des Reviers, um sie in den Kühlraum zu legen, und ich war bis zuletzt unter den Leuten, die neugierig diesem makabren Zug folgten und tat mich durch wüste Verwünschungen auf den Täter hervor.«
Selten habe ich Galba, diesen an sich tüchtigsten Mann unserer Carabinieri, so dumm aus der Wäsche gucken sehen. Rufus hingegen klatschte begeistert Beifall und rief:
»Großartig, lieber Sergiu, du hast dich wieder einmal selbst übertroffen und gezeigt, dass du das Zeug zu einem pfiffigen Mörder hast. Ferner hast du mich davon überzeugt, dass der Täter diese von dir geschilderte Kaltblütigkeit wirklich besitzt und seinen Triumph in vollen Zügen genoss. Aber genau mit Hilfe dieser seiner überbordenden Eitelkeit werden wir ihn demnächst zur Strecke bringen, das schwöre ich.
Und wenn ihr nichts dagegen habt, werde ich nun das ‚Teatro Malibran‘ aufsuchen, dessen Pforten gestern leider geschlossen waren. Jeder, der mich kennt, weiß, wie sehr ich die Theateraufführungen dort liebe.«
Was Freund Volpe dort plante, flüsterte er Ambrosio zu, der sich eilig aufmachte, um Giulio Marcello, seinen Vorgesetzten, in dieses Vorhaben einzuweihen. Gestern bereits hatte er seine Zustimmung erteilt. Mit einem Tag Verspätung sollte das Spielchen heute aufgeführt werden.
7. Teil: Neues auf dem Revier
Bevor ich zu dem übergehe, was sich gegen Mittag auf dem Revier, welches der Capitano Marcello kommandierte, ereignete, will ich Dir, lieber Leser (m/w/d), sein Reich beschreiben:
Denke Dir ein großes Gebäude im römischen Atriumstil. Vier Säulen stützen das Dach, das in der Mitte eine quadratische Lücke aufweist, damit durch die Verglasung Licht in den Innenhof fallen kann. Durch den Eingang vorn am Gehsteig und den dahinter liegenden Korridor waren die Besucher nur bis an eine Absperrung gelangt. Davor waren Sitzbänke aufgestellt worden, auf denen sie murrend Platz nahmen.
Gekommen waren Vertreter der Tageszeitungen, allen voran Alberto Scimmia vom Corriere della Sera. Jeder einzelne hatte sich seinen Kameramann mitgebracht, der in Windeseile alles, was er sah, im Kasten unterbrachte, um es später seiner Zeitung zur Verfügung zu stellen.
Erwartungsfrohe Ruhe herrschte, als Tenente di Fusco endlich beschloss, aus dem hinteren Eingang hervor zu treten, um die eigens dafür hierher zitierten Journalisten zu informieren. Mein Freund Volpe war, wenn ich das so sagen darf, Regisseur der Inszenierung. Er hatte die nun folgende Komödie vorbereitet und hielt sich jetzt verborgen. Alles verlief wie am Schnürchen:
Schleppenden Schrittes und eine mehr als besorgte Miene mimend, trat di Fusco vor die Zeitungsfritzen, und schon, so schien es, wollte er eine Ansprache halten, als zwei seiner Carabinieri polternd den Raum betraten. In ihrer Mitte führten sie einen Mann, der sich unter ihrem festen Griff wand und aufbäumte. Er trug einen langen Mantel und hatte sich die Kapuze über das Gesicht gezogen. Meister Scimmia vom Corriere sprang auf und rief voller Erregung:
»Signore Tenente, wer ist das?«
Welch überflüssige Frage! Wenn nämlich zwei von Ambrosios Carabinieri einen Mann aufs Revier schleppten, war die Botschaft doch wohl eindeutig.
»Ist er verhaftet? Hat er etwas mit den Morden zu tun? Wird er zu Marcello gebracht?«
Ambrosio antwortete nicht, ging zu Marcellos Türe und klopfte respektvoll an. Auf ein markantes »herein« verschwanden er, seine beiden Polizisten und der Vermummte im Arbeitszimmer des Polizeichefs. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
»Hast du ihn abgelichtet?«, fragten Signore Scimmia und seine Kollegen den jeweiligen Kameramann.
»Das schon«, antworteten sie unisono, »aber sein Gesicht war unter der Kapuze verborgen. Im Mantel steckend, sieht einer wie der andere aus. Wir hätten uns die Mühe sparen können.«
Und schon kam der Tenente wieder zum Vorschein.
»Wer war dieser Mann da eben?«, fragte Scimmia, »ein Verdächtiger? der Täter? Der Würger von Venedig.«
Ambrosio tat verlegen und schien sich zu winden.
»Darüber darf ich euch leider gar nichts sagen. Dienst ist Dienst. Fragt doch den Capitano!«
»Wenn es der gesuchte Mörder war, warum trug er die Hände nicht auf den Rücken gefesselt?«
»Auch darüber zu sprechen, bin ich nicht befugt.«
Ambrosio ging wieder zum Chef hinein. Die Zeitungsmänner murmelten während dessen ihre vagen Berichte ins Aufnahmegerät und schickten sie per Mail zur Redaktion. Dort würde man die Reportage reißerisch aufbereiten, um sie noch am Abend unter das Volk zu bringen, während die Männer der schreibenden Zunft geduldig der Dinge harrten, welche sich bei Marcello noch abspielen sollten. Darüber war einiges Wasser den Po hinunter geströmt und die Sonne weit nach Westen gewandert.
Immer häufiger sahen sie nun aufgeregte Carabinieri durch das Atrium hetzen, um bei Marcello vorzusprechen. Kurz darauf verließen sie wieder das Haus, ohne sich auch nur ein Wort entlocken zu lassen, während schon andere vorsprachen. Drinnen aber schien das Verhör des Festgenommenen weiter zu gehen. Laute Stimmen drangen durch das Holz der Tür, gelegentlich sogar wüstes Fluchen.
Inzwischen brachte ein Angestellter den schwitzenden Journalisten etwas zu Trinken, samt ein paar Häppchen. Eine glühende Hitze lag nämlich weiterhin über der Stadt und benahm den Bewohnern den Atem. Dankbar schlürften die Zeitungsleute das Getränk, um dann weiterhin Maulaffen feil zu halten.
Als die Sonne schließlich blutrot im grauen Dunst des Westens hing, weit weg über dem Festland, öffnete Ambrosio wieder die Tür. Einen Augenblick lang schien es so, als wollte er auf die Journalisten zugehen, doch dann besann er sich eines Anderen und machte wieder kehrt. Die Tür schloss sich wieder hinter ihm.
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