Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz
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СКАЧАТЬ vom Conte adoptiert.«

      »Signore Conte, Sie sind also ein Adoptivkind. Welchen Beruf übte Ihr, äh, leiblicher Vater aus?«, fragt Ambrosio, der sich bereits informiert hatte, den Gefangenen gnadenlos:

      »Metzger«, flüsterte der Conte erbleichend. Für einen Augenblick lang schien es so, als schluchzte er.

      »Und was geschah mit dem Laden, als Ihr Vater starb?«

      »Meine Mutter hat ihn verpachtet, bis heute. Sie lebt von der Miete und dem, was ich ihr zustecke. Sonst hat sie ja nichts als mich. Aber ihre Wohnung im Obergeschoss hat sie behalten. Es ist eine nett und gemütlich eingerichtete Behausung.«

      Er blickte liebevoll in irgendeine Ferne, als er dies sagte und lächelte versonnen. Uns blieb das nicht verborgen.

      »Gut«, sagte der Tenente zu dem Amtsdiener, der hinter ihm stand und auf Befehle wartete, »lass jetzt unsere Männer herein kommen, wie vereinbart.«

      Zehn seiner Untergebenen, diesmal in Zivil, ganz so, als wären sie zum Einkaufsbummel unterwegs, betraten den Raum und stellten sich in einer langen Reihe an der hinteren Wand auf. Zwei uniformierte Carabinieri bugsierten den Grafen zwischen den ersten und zweiten von links, und schon klopfte es an. Ambrosio rief sein obligatorisches »entrate – herein«.

      Ein Polizist betrat den Raum, gefolgt von einer jungen Frau. Er salutierte zackig vor dem Tenente und sagte:

      »Hier ist die gewünschte Zeugin. Ich habe sie abgeholt und her geleitet: Meine sehr verehrten Herren, hier ist die stadtbekannte Faustkämpferin und italienische Meisterin, die sich ‚la donnola‘ (das Wiesel) nennt.«

      »Salve, signorina donnola«, sagte der Tenente jovial, »bekanntlich hattest du letzte Nacht Gelegenheit, den Mörder aus der Nähe zu sehen, nicht wahr?«

      »Gewiss, Signore Tenente, aber das Licht war schlecht; die nächste Laterne zu weit entfernt.«

      »Gut, dann wollen wir hier ähnliche Verhältnisse herstellen. Signore Furio, löschen Sie bitte das Licht bis auf dieses kleine Wandlämpchen.«

      Der Angestellte tat, wie geheißen:

      »Ist es so recht?«

      »Ja, mein Tenente.«

      »Dann drehe dich jetzt um! An der Wand stehen elf Männer von ungefähr gleicher Größe. Welcher könnte der Täter sein?«

      Die Boxerin schritt die starr stehende Reihe zweimal ab, um dann zielstrebig vor dem zweiten Mann von links stehen zu bleiben. Sie betrachtete ihn eine Zeitlang, während wir alle den Atem anhielten. Dann sagte sie:

      »Nur mit diesem da hatte der Mörder eine gewisse Ähnlichkeit; alle anderen scheiden aus.«

      »Bist du dir da sicher?«

      »Nicht ganz. Ich möchte ihn auch im Profil sehen.«

      Die Wachmänner drehten den Grafen so, dass man ihn zuerst von rechts, dann von links betrachten konnte. Er ließ es sich gefallen, ohne eine Miene zu verziehen:

      »Ihr Götter«, stöhnte die Donnola, »er ist es! Es ist der gesuchte Mann. Jetzt bin ich mir meiner Sache sicher. Allerdings war er ganz anders gekleidet als jetzt. Er trug eine Kapuzenjacke.«

      »Danke, vielen herzlichen Dank, liebe Donnola, du hast uns sehr geholfen.«

      »Kann ich jetzt gehen?«

      »Gewiss doch, du Zuckerpuppe. Ich werde dich beim nächsten Kampf anfeuern; arrivederci, Kleines!«

      Die Boxerin lief vor Freude feuerrot an, verbeugte sich und verließ, von zwei Polizisten eskortiert, den Raum. Ambrosio sagte zu den anderen zehn Männern:

      »Vielen Dank, meine Kameraden! Auch ihr habt uns weiter geholfen. Auch ihr dürft jetzt gehen, Feierabend, und Sie, verehrter Conte, nehmen bitte wieder Platz.«

      Während der Graf sich, eisig drein blickend, auf den angebotenen Stuhl setzte, stürmte ein junger Polizist ins Vernehmungszimmer hinein. Er wedelte mit einem seltsamen Stück Textil und stieß unartikulierte Schreie aus. Als ihn Ambrosio streng anblickte, riss er sich zusammen und sagte:

      »Mein Tenente! Das schmutzige Ding da habe ich soeben an der Rialtobrücke einem Tippelbruder für fünf Euro abgekauft. Ich denke, es ist der gesuchte Poncho.«

      »Zu schön, um wahr zu sein«, rief Ambrosio, während Volpe mit einem Satz nach vorne federte, um das Kleidungsstück zu mustern. Es war aus rabenschwarzer Seide gefertigt, in welche ein grauer Faden eingewebt war, der es schillern ließ.

      »Das ist es, denke ich«, sagte Volpe und begann damit, den unteren Saum der Jacke abzutasten, bis er mit genießerischem Grunzen »heúreka!«(‚ich hab‘s gefunden‘) schrie. Und schon zauberte er einen Fetzen aus der Tasche hervor und hielt ihn an den ausgefransten Saum des Ponchos: Er passte genau hinein!

      »Das sollte für eine Anklage genügen«, sagte Ambrosio. Ich nickte. Volpe hielt sich vornehm zurück. Der Conte murmelte, es müsse sich um eine Verkettung ungünstiger Umstände handeln, denn er sei frei von jeder Schuld.

      Dann ließ ihn der Tenente in die Arrestzelle bringen. Das geschah, während der Capitano Marcello das Haus betrat, um sich den Verhafteten einmal gründlich anzusehen. Zwei Polizisten begleiteten ihn ins Gelass. Aber nach kurzer Zeit schon verließ er kopfschüttelnd die Zelle und sagte zu di Fusco:

      »Nun bin ich mir sicher, dass ich diesen Kerl schon einmal gesehen habe, aber ich weiß nicht mehr, wo.«

      »Er ist Sohn des verstorbenen Fleischermeisters Tiepolo aus der ‚Calle Larga‘; in Venedig aufgewachsen, wo er jeden Pflasterstein kennen sollte; Adoptivkind des verstorbenen Conte d‘ Inceto.«

      »Irgendwie und irgendwann bin ich mit ihm schon einmal aneinander geraten. Was war es nur?«

      »Ich kann dir da auch nicht weiterhelfen. Am besten, denke ich, wäre es, wir ließen uns zur Metzgerei bringen, um uns einerseits die Bude, andererseits die dort noch lebende Frau Mama zu Gemüte zu führen. Noch steht uns ein Wenig Tageslicht zur Verfügung. Machen wir uns auf den Weg!«

      »Einverstanden«, knurrte Marcello, »besser heute als morgen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, und ich schlage vor, Volpe und der Doktor kommen mit. Sie sind ja ohnehin in die Sache verwickelt und haben uns ein paar kleinere Tipps gegeben, die durchaus nützlich waren. Ich denke, sie haben einen gewissen Anspruch auf einen Teil der 20.000 Euro, die als Belohnung zur Ergreifung des Würgers von Venedig ausgesetzt sind.«

      Ich blickte Volpe an. Er grinste breit und nickte. Ich erklärte unsere Bereitschaft, die beiden zu begleiten.

      »Bevor wir los ziehen, muss ich noch die Leute von den Zeitungen informieren, damit wieder Ruhe unter das Volk kommen kann«, sagte Marcello.

      Gemeinsam traten wir also vor die Traube der Reporter, die uns erwartungsfroh entgegen sahen. Marcello nahm das Wort und sagte mit feierlichem Ernst:

      »Meine sehr verehrten Herren, ich kann euch eine Botschaft der Freude übermitteln: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben wir den Würger von Venedig verhaftet. Dieser Erfolg ist vor allem der Umsicht, Entschlossenheit und Energie meines СКАЧАТЬ