Название: War das schon alles?
Автор: Andrea Tuma
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Секс и семейная психология
isbn: 9783347072817
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Etappe 1 – Aufbruchstimmung
»Ich möchte niemand anderem einen
Weg vorzeichnen, denn ich weiß,
dass mir der Weg von einer Hand vorgeschrieben
wurde, die weit über mich hinausreicht.«
Carl Gustav Jung
Den eigenen Weg gehen, ja oder nein? Eine Frage, die sich eigentlich nicht stellt. Leben bedeutet vorwärtsgehen, Erfahrungen machen, sich entwickeln und wachsen. Unser Voranschreiten können wir nicht aufhalten. Wie bereitwillig wir uns aber auf das einlassen, was das Leben uns bringt, und ob wir den Mut haben, das, was in uns ist, zu leben, ist eine Frage, die wir uns sehr wohl stellen sollten. Innere Impulse und äußere Ereignisse werden immer wieder zu Richtungsänderungen im Leben auffordern. Wir können dagegen ankämpfen oder uns diesen Entwicklungen hingeben und bewusst unseren Beitrag dazu leisten. Kann ich entlang des eingeschlagenen Weges mein Potenzial entfalten? Machen mich die Ziele, die ich anstrebe und erreiche, glücklich? Finde ich Sinn in dem, was ich tue? Fühle ich mich erfüllt? Das sind Fragen, die wir uns stellen sollten. Sie alle lassen sich in einer einzigen Frage zusammenfassen: Gehe ich meinen Weg so, wie es mir voll und ganz entspricht?
Spätestens dann, wenn wir feststellen, dass die Freude an dem, was wir tun, verloren gegangen ist, wir immer öfter über das Warum und Wozu nachgrübeln und wir zunehmend unzufriedener werden, haben wir uns selbst gegenüber die Pflicht, unsere aktuelle Lebenssituation zu hinterfragen und die Richtung zu ändern. Möglicherweise haben wir schon eine sehr konkrete Idee davon, was passieren müsste, damit wir wieder glücklicher mit unserem Leben sind. Vielleicht tappen wir aber auch noch völlig im Dunkeln. So oder so lautet das Gebot der Stunde, nichts zu überstürzen und nicht Hals über Kopf alles zu riskieren, sich stattdessen Zeit zu nehmen, genauer hinzusehen und nachzuforschen, bevor tatsächlich ein erster Schritt unternommen wird.
Was bewegt zum Aufbruch?
Nicht selten wird die Notwendigkeit zu einer Kursänderung im Leben erst durch ein äußeres Ereignis bewusst. Äußere Umstände zwingen uns dazu: Konflikt, Krankheit, ein Unfall, das Scheitern im Beruf, das Ende einer Beziehung. Etwas passiert und fordert dazu auf, den bisherigen Lebensweg zu hinterfragen. Von einem Tag auf den anderen ist alles anders. Die Lebensumstände verändern sich so sehr, dass es unmöglich wird, weiterzumachen wie bisher.
Solch einem richtungsändernden Ereignis geht jedoch in vielen Fällen eine längere Phase des inneren Wandels voraus, der langsam und anfangs völlig unbemerkt stattfindet. Das Leben verläuft in gewohnten Bahnen, es gibt keinen Anlass, etwas infrage zu stellen. Nichts fordert zur Veränderung auf. Wäre da nicht dieses undefinierbare Gefühl, das uns schon über Tage, Wochen, manchmal Jahre begleitet, sich nicht aufdrängt, mal mehr, mal weniger gegenwärtig ist, und mit jedem Tag, der vergeht, schwerer verleugnet und ignoriert werden kann. Es beginnt unsere Lebensfreude zu dämpfen, raubt uns Energie und Kraft selbst für alltägliche Aufgaben. Wir beobachten, wie wir zunehmend unruhiger, gereizter oder resignierter werden.
Erste Anzeichen machen sich bemerkbar, dass etwas anders ist. Wir benötigen mehr Schlaf als früher, sind abends nicht mehr so lange aktiv, und es fällt uns morgens zunehmend schwerer, aus dem Bett zu kommen. Die Lust, etwas zu unternehmen, nimmt ab. Wir gehen weniger unter Leute, machen nicht mehr so oft Pläne für das Wochenende, weil wir nicht so genau wissen, ob wir, wenn es so weit ist, tatsächlich noch die Energie haben werden, aus dem Haus zu gehen. Der Wunsch nach Alleinsein, Ruhe und Rückzug wird stärker.
Oder das genaue Gegenteil ist der Fall. Wir haben Schwierigkeiten, Schlaf zu finden, liegen nächtelang wach, fühlen uns morgens wie gerädert und werden trotz körperlicher Erschöpfung immer unruhiger. Es drängt uns, unter Leute zu gehen. Jede Aktivität kommt uns gelegen, können wir doch ohnehin nicht ruhen. Der Wunsch nach Ruhe oder der Drang nach Abwechslung, anfangs wissen wir nicht, was hinter diesem Bedürfnis steht. Vielleicht identifizieren wir es noch nicht einmal als solches. Trotzdem spüren wir, dass etwas in uns aus dem Gleichgewicht geraten ist. Dieser eigenartige Zustand ist uns unangenehm. Wir tun alles, um ihn möglichst nicht wahrnehmen zu müssen.
Eine meiner Klientinnen wurde in dieser Phase sehr unternehmungslustig, ging abends immer öfter mit Freundinnen aus, flirtete mit fremden Männern und ließ sich auch auf einen Seitensprung ein. Eine andere begann ihre Wohnung komplett zu renovieren und umzubauen, sodass am Ende nichts mehr wie vorher war. Und wieder eine andere zog sich jedes Wochenende in eine einsame Hütte im Wald ohne Strom und fließend Wasser zurück. Verschiedene Strategien mit nur einem Ziel: Ablenkung. Alles ist recht, um die Aufmerksamkeit, zumindest vorübergehend, woandershin zu lenken. In der Hoffnung, dass diese Phase bald wieder vorübergeht, machen wir weiter wie gewohnt, stürzen uns noch mehr in die Arbeit, machen öfter Sport, belegen einen Abendkurs an der Volkshochschule, treffen Freunde und sind viel unterwegs, obwohl uns eigentlich nicht wirklich danach ist. Die Tage sind voll mit Terminen, für Momente der Ruhe und Stille bleibt keine Zeit. Denn kaum entspannen wir uns, spüren wir wieder dieses undefinierbare und irritierende Gefühl in uns.
Egal, wie hart wir an unserer beruflichen Karriere arbeiten, trotzdem wir gerade eine Familie gegründet oder ein Haus mit Garten gekauft haben, spüren wir tief im Innern, dass all das nicht genug ist. Etwas fehlt. Wir haben vielleicht schon versucht, etwas zu ändern, es aber nicht geschafft. Alte Sorgen, frühere Verletzungen oder tiefe Enttäuschungen wollen uns einfach nicht loslassen und halten uns da fest, wo wir gerade sind. Wagen wir dann endlich eine Veränderung, landen wir oftmals von Neuem in einer ähnlichen Situation wie zuvor. Die gleichen schmerzhaften Erfahrungen scheinen sich stets zu wiederholen. Die Probleme mit den Kollegen oder dem Chef sind im neuen Job wieder da. Die neue Partnerschaft endet letztlich damit, wieder verlassen zu werden. Eine neu begonnene Ausbildung wird schon nach kurzer Zeit abgebrochen, in der festen Überzeugung, es ohnehin nicht zu schaffen.
Die innere Unruhe treibt dazu an, etwas zu verändern. Und weil große Veränderungen so schwer fallen, wir anfangs vielleicht auch gar nicht wahrhaben wollen, dass diese notwendig sind, beginnen wir unser Leben so umzugestalten, dass unser Bedürfnis nach Routine, Sicherheit und Kontinuität möglichst nicht bedroht wird. Die Wohnung zu renovieren lenkt eine Weile ab, ein Fallschirmsprung macht unseren Alltag aufregend, eine Weiterbildung lässt unsere Karrierechancen steigen, mit der Jahreskarte im Fitnessstudio bringen wir wieder mehr Schwung in unser Leben. Mit einem erotischen Abenteuer ebenso. Rastlos suchen wir nach irgendetwas, das die innere Leere füllt und unsere Sehnsucht stillt, ohne zu wissen, wonach wir uns eigentlich sehnen. Bis wir eines Morgens aufwachen, uns im Spiegel betrachten und erkennen, dass der Weg ein anderer ist. Sein muss. In diesem Augenblick sehen wir hinter den vielen Schichten dessen, was wir als Ich wahrnehmen, unser wahres Selbst hervorschimmern. Dies ist der Moment, in dem wir uns das erste Mal fragen: War das schon alles?
Ein Erdbeben, dessen Auswirkungen wir vorerst nur in unserem Inneren spüren, erschüttert unser Leben, macht uns Angst, verunsichert und verwirrt. Noch hoffen wir, dass es sich um eine kurzfristige Unpässlichkeit handelt. Wir gehen weiter unseren gewohnten Weg, schlafwandeln durch den Alltag. Bis jetzt war doch alles in Ordnung. Bis jetzt hat unser Leben uns doch genügt. Wenn wir uns nur immer wieder die guten Seiten bewusst machen, dann werden die inneren Erschütterungen wieder vergehen. Einfach weitermachen und darauf vertrauen, dass der Alltag uns ablenken wird und wir auch diese Phase durchstehen werden.
An manchen Tagen funktioniert diese Strategie besser, an anderen weniger gut. Doch irgendwie schaffen wir es, uns von Tag zu Tag, Woche zu Woche, Jahr zu Jahr zu retten. Wir bekommen unkontrollierbare Heulkrämpfe oder Wutausbrüche, fallen grundlos in tiefe Traurigkeit und ziehen uns mit Zweckoptimismus wieder aus unserem Loch. Wir beginnen immer mehr, an uns selbst und unseren Entscheidungen СКАЧАТЬ