Wild. Ella Blix
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Название: Wild

Автор: Ella Blix

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Детские приключения

Серия:

isbn: 9783401808857

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СКАЧАТЬ auch ein Bild gesehen. Der war nicht nur Sozialarbeiter, sondern auch Zimmermann und betreute den »handwerklichen Teil« des Projekts. Er war ungefähr so alt wie sein Vater. Allerdings sah er im Gegensatz zu seinem Vater freundlich aus, mit vielen Falten und einem Lächeln, das echt wirkte. An eine Lara Uhlich konnte er sich nicht erinnern.

      Dafür an die vielen Fotos auf der »Historie«-Seite des Camps. Von früher, als es noch nicht diesen albernen Namen trug, sondern schlicht FDGB-Heim Sächsische Schweiz geheißen hatte. Sie stammten aus einer Zeit, lange bevor Flix geboren war, und endeten kurz nach der Wende, als das Heim dichtgemacht hatte.

      Es gab sicher zwanzig Schwarz-Weiß-Fotos von Bäumen und schroffen Felsen und auch von Bäumen, die aus diesen Felsen herauswuchsen. Genauso wie von Familien mit Kindern, die durch den Wald marschierten, Stockbrote über einem Lagerfeuer verkohlen ließen und in extrem uncoolen Badehosen von einem Steg in eine Art Waldsee sprangen.

      An dem Gewässer waren sie auf dem Weg hierher vorbeigekommen. Allerdings hatte es weniger verlockend ausgesehen als auf den Fotos, kein Badesee, eher eine Art Sumpfloch. Auf dem schlammbraunen Wasser hatte Laub geschwommen und es hatte bestialisch gestunken. Er hatte sein Shirt über die Nase gezogen, ohne Erfolg. Führte da ein Abflussrohr rein? Von dem kleinen Steg waren nur noch die Pfosten übrig. Frau Jorek musste seinen Ekel bemerkt haben, denn sie hatte gelächelt und gesagt: »Ich schwimm fast jeden Tag drin.« Mit Mühe hatte er sich ein Würgen verkniffen. »Ist ein Quelltümpel, daher auch der Geruch. Mineralien. Sehr gesund. Ist herrlich, wart mal ab!«

      Na danke.

      In der Fotostrecke »Wiederaufbau« gab es Bilder von ihr, wie sie mit Anzugträgern sprach, Papiere unterzeichnete und schließlich, sichtlich stolz und mit einer Schaufel in der Hand, vor dem Schild Feel Nature posierte.

      Sie schien also von Anfang an dabei gewesen zu sein, als das Land Sachsen vor zwei Jahren begonnen hatte, die Anlage zu restaurieren. Dann, im letzten Sommer, hatten die ersten »jugendlichen Straftäter« das Camp bezogen. Von denen gab es keine Fotos, Datenschutz, vermutete er, aber wie sich der Ort positiv veränderte, als sie hier zu schuften begonnen hatten, fiel ihm sofort auf. Die mussten extrem rangeklotzt haben in den paar Strafwochen.

      Er mochte vielleicht nicht besonders geschickt darin sein, sich von falschen Freunden fernzuhalten, aber zwischen den Zeilen lesen konnte er perfekt. Außerdem gaben sich die Betreiber nicht viel Mühe, ihre Intention (noch so ein Vater-Wort) zu verbergen: Als er auf der Website den Menüpunkt Ziel des Camps angeklickt hatte, war ihm schnell klar geworden, dass das ganze Gerede von »Resozialisierung« oder »Stärkung der sozialen Fähigkeiten« und von dem »Ort für Rückbesinnung und gruppendynamische Projektarbeit« nur eine Ausrede war. Was sie hier brauchten, waren billige Arbeitskräfte.

      Resozialisierung. Das Wort hatte die Richterin auch benutzt, mehrfach sogar, als sie ihm seine Strafe – den Platz im Camp – präsentiert hatte wie einen Hummer auf dem Silbertablett. Resozialisierung klang, als wäre er vollkommen asozial, aber es bestünde noch ein Hauch Hoffnung. Flix kannte nur einen in seiner Familie, der asozial war. Nur einen.

      Und was die Arbeitsstunden anging – verschleierte Sklavenarbeit war das! Man hatte dem Camp kurzerhand einen esoterischen englischen Namen gegeben und die Jugendlichen durften, statt im Strafvollzug zu sitzen, Blockhütten renovieren. Alles am Arsch der Welt, gleich an der Grenze zu Tschechien, wo es nichts gab als Bäume, Felsen und Gestrüpp.

      Dabei war er, wenn er seinem Vater glaubte, mit einer erstaunlich milden Strafe davongekommen. An dessen Einfluss hatte es nicht gelegen, der hatte sich geweigert, seine Kontakte für ihn spielen zu lassen. Warum er als Berliner Jugendlicher also ausgerechnet hier im sächsischen Wald gelandet war statt in Haft, war ihm ein Rätsel.

      »Wahrscheinlich ein Sozialexperiment«, hatte sein Vater gemutmaßt. »Sie stecken Delinquenten aus verschiedenen Stadtteilen und Milieus zusammen und schauen, was passiert. Gratuliere, mein Sohn.« In seiner Stimme nichts als Verachtung. Flix schauderte bei der Erinnerung daran.

      Auf dem Fensterbrett landete eine Amsel. Sie starrte zu ihm hinein, und als er sich bewegte, zischte sie davon.

      Berlin war knapp dreihundert Kilometer entfernt, aber gefühlsmäßig hätte Feel Nature auch auf einem anderen Kontinent liegen können. Weiter weg konnte man sich von der Großstadt nicht fühlen.

      »Muss ja«, hatte Diana, seine Stiefmutter, gesagt, »damit sie euch aus euren Strukturen lösen.«

      Seine äußere Struktur, das waren die Jungs in der Schule, seine innere war Juliane.

      Er hatte Diana von ihr erzählt, niemandem sonst. Am Anfang hatte er sie verachtet, dann bemitleidet. Erst nach seiner »Dummheit« (wie sein Vater es nannte), als er Hausarrest bekam und Diana zu seiner Überwachung abkommandiert wurde, begann er, sie zu mögen. Sie brachte ihn jeden Tag zur Schule und holte ihn wieder ab – nicht ohne sich tausendfach dafür zu entschuldigen. Was hätte sie sonst tun sollen? Seinem Vater, ihrem Mann, nicht zu gehorchen, war keine Option. Sie waren gefangen, beide, wenn auch auf verschiedene Arten.

      Eines Tages, als er besonders aufgewühlt aus der Schule kam, hatte er sich ihr anvertraut. Und sie schien es zu genießen, mit ihm gemeinsam ein Geheimnis vor seinem Vater zu haben: Juliane.

      X

      Endlich!

      Ich habe so lange warten müssen, so lange!

      Aber als sie aus dem Wald auf die Lichtung treten, weiß ich, dass sich das Warten gelohnt hat.

      2. KAPITEL

      In den Wäldern

      Ryan

      Eine halbe Stunde waren sie schon unterwegs. Er kam mit seinem Rucksack gut voran – im Gegensatz zu den beiden Mädchen. Es war ihm ein Rätsel, nach welchen Gesichtspunkten die ihre Sachen gepackt hatten. In seinem Rucksack steckte quasi alles, was vorzeigbar war. Auf den Rest, den er zu Hause zurückgelassen hatte, konnte er gut verzichten. Er rupfte im Vorbeigehen ein Blatt ab, zerrieb es zwischen den Fingern und roch – wildes, frisches Grün.

      Obwohl im Infobrief gestanden hatte, dass sie durch den Wald zum Camp laufen würden, hatte diese Olympe sich die riesigste ihrer Taschen ausgesucht. Das Teil war natürlich so schwer, dass sie es dauernd schimpfend von einer in die andere Hand wechselte. Das andere Mädchen – Noomi – wirkte entspannter, obwohl sie ihren Koffer ebenfalls tragen musste, denn zwischen all den Wurzeln und Tannenzapfen nützten die Rollen natürlich nichts. Sie summte die ganze Zeit vor sich hin, was ihm gefiel. Das Summen schien seine Schritte leichter zu machen, mehr Energie in seine Muskeln zu leiten; einen Moment lang fühlte er sich fast frei.

      Dann, plötzlich, erstarrte Olympe vor ihm. Sie ließ die Tasche fallen und kreischte, beides gleichzeitig, und war mit einem Sprung zwischen den Bäumen verschwunden. Nur ihr Arm blieb sichtbar, der ausgestreckte Zeigefinger auf den Weg gerichtet.

      »Bitte sagt, dass das nicht wahr ist«, rief sie aus der Deckung heraus. »Sagt, dass ich halluziniere. Solche Viecher gibt’s in fernen exotischen Ländern, aber doch nicht … hier!«

      Auch Frau Jorek und Noomi waren stehen geblieben und folgten Olympes Finger mit den Blicken.

      »Na, ihr habt vielleicht Glück!« Frau Jorek klang begeistert.

      Endlich СКАЧАТЬ