Die esoterische Botschaft der Märchen. Manfred Ehmer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die esoterische Botschaft der Märchen - Manfred Ehmer страница 4

Название: Die esoterische Botschaft der Märchen

Автор: Manfred Ehmer

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Религия: прочее

Серия: Edition Theophanie

isbn: 9783748281856

isbn:

СКАЧАТЬ Ägyptenland Als unsrem lieben Sohne sei unser Gruß entsandt!

       Erwach aus deinem Schlafe und höre unser Wort:

       Gedenke deiner Herkunft, wirf alle Fesseln fort!

       Sieh, welchen Herrn du frohnest im Ägyptenland;

       Gedenke doch der Perle, der wir dich entsandt,

       Gedenke deines Mantels, der Weltenherrscherzier,

       Die du zurückgelassen in unserm Reiche hier,

       Dass du sie einst besitzest, kehrst du zu uns zurück,

       An deines Bruders Seite in ungetrübten Glück.

       So ward der Brief versiegelt von meines Vaters Hand,

       Von königlichen Zeichen beschützt an dich entsandt.

       Dem König aller Vögel, dem Adler gleich im Flug,

       Blieb er verschont von Babel, dem Bösen von Sarbug,

       Und ließ sich zu mir nieder und ward vor mir zum Wort. Von seinem Heimatrauschen schwang aller Schlummer fort. Ich nahm ihn auf und küsste sein Siegel tief bewegt;

       Denn was sie mir da schrieben, das war mir eingeprägt Seit je in meine Seele, da ich mich jetzt entsann,

       Dass ich, ein Königssprössling, ein großes Werk begann, Dass ich die Perle suchte, die ruht auf tiefstem Grund,

       Das hatt‘ ich ganz vergessen; jetzt war's mir wieder kund. Den Drachen, der als Hüter zischend den Born umschlang, Begann ich einzuwiegen, indem ich Lieder sang Und zauberstarke Namen, den trauten Vater rief,

       Die Mutter, meinen Bruder, bis dass der Drache schlief.

       Da raubte ich die Perle und floh das fremde Land.

       Auch ließ ich den Ägyptern das unreine Gewand.

       Der Heimat galt mein Pilgern, dem Licht des Aufgangs zu Nahm ich den Weg zum Vater. Geleiter warst mir du,

       Mein Brief, mein treuer Mahner, auf dessen Seidengrund In wohlbedachten Zügen die Heimatsbotschaft stund.

       Du warst mein lieber Leiter, du warst mein heller Stern,

       Du mahntest mich zur Eile nach meiner Heimat fern.

       So zog ich rasch des Weges, seitab vom Land Sarbug,

       Und auch vorbei an Babel trug mich der Reise Flug Nach Maishans Hafenplätzen, dem großen Handelsort.

       Da traf ich zwei Gesandte von meinen Eltern dort.

       Die brachten mir den Mantel der Königsherrlichkeit Den ich zurückgelassen, das lichte Sternenkleid.10

      Soweit das GNOSTISCHE PERLENLIED; es ist der Form nach ein Märchen, dem Inhalt nach reinste Gnosis. Der „Prinz“ ist die unsterbliche Geistseele des Menschen, das „Königreich des Vaters“ das Paradies in der geistigen Lichtwelt. Das Königsgewand, das er trug, soll den spirituellen Lichtkörper darstellen; diesen muss er einstweilen ablegen, wenn er nach „Ägypten“ – in die niedere, von den Archonten beherrschte Materiewelt – ausgesandt wird. Sein Auftrag: die Perle aus dem Brunnengrund zu heben, bedeutet: die verborgenen göttlichen Lichtfunken aus ihren materiellen Verschalungen zu befreien: der Mensch als Erlöser der Natur.

      Der Prinz hat die Kleider der Ägypter angelegt, also einen dichteren irdischen Leib angenommen. Sobald er aber von der Speise der Ägypter gegessen hatte, vergaß er seinen Auftrag. Der Erlöser bedarf nun selbst der Erlösung. Da kommt jedoch der Brief aus der geistigen Lichtwelt, der den Prinzen an seine wahre Urheimat und seinen Auftrag erinnert. Der Brief bedeutet die geistigen Lehren der Gnosis, das Urwissen der Esoterik. Er verhilft dem Prinzen zu echter Selbsterkenntnis und ermöglicht es ihm, seinen Auftrag auszuführen. Nun kehrt er in sein Königreich zurück und bekommt wieder sein „Sternenkleid“, seinen göttlichen Lichtleib.

      Einhörner, Drachen

      und Fabelwesen

       Das Einhorn

      Eines der populärsten Märchenwesen, das uns zugleich eine höhere Welt des Geistes erahnen lässt, ist jenes mythische Fabeltier, das wir seit der ausgehenden Antike unter dem Namen „Einhorn“ kennen. Überall begegnet uns das scheue Einhorn, auf Gemälden und Wandteppichen, auf mittelalterlichen Paradies-Darstellungen, in Märchen, Filmen und Gedichten, bis in die Gegenwart hinein. Es begegnet uns, in wandelnden Gestalten, aber doch immer mit denselben Charakteristika, im Alten China, in Indien, Persien, in der Bibel, vor allem im Buch Hiob und den Psalmen Davids, in der berühmten Pariser Gobelin-Serie Die Dame und das Einhorn (La Dame à la Licorne), ausgestellt im Cluny-Museum, auf Fresken in der Engelsburg in Rom, auf Bildern von Hans Holbein und Lucas Cranach, auf Wappen und Apothekenschildern. Dichter haben es besungen, vor allem Rainer Maria Rilke, der es wie ein Wahrbild vor unserem Auge auferstehen lässt:

       Der Beine elfenbeinernes Gestell

       bewegte sich in leichten Gleichgewichten,

       ein weißer Glanz glitt selig durch das Fell,

       und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten,

       stand, wie ein Turm im Mond, das Horn so hell,

       und jeder Schritt geschah, es aufzurichten.

       Das Maul mit seinem rosa-grauen Flaum

       war leicht gerafft, sodass ein wenig Weiß

       – weißer als alles – von den Zähnen glänzte;

       die Nüstern nahmen auf und lechzten leis.

       Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,

       warfen sich Bilder in den Raum

       und schlossen einen blauen Sagenkreis.11

      Selbst noch im 20. Jahrhundert feiert das Einhorn seine Auferstehung und Wiederkunft. Der Märchenroman von Peter S. Beagle DAS LETZTE EINHORN (THE LAST UNICORN, 1968) wurde zu einem Kultbuch. Es erzählt, wie der Titel schon sagt, die Geschichte von dem „letzten Einhorn“ in einer entzauberten Welt. In einer poetischen Sprache, die Urmärchenhaftes wieder heraufdämmern lässt, wird es folgendermaßen beschrieben: „Es hatte keine Ähnlichkeit mit einem gehörnten Pferd, wie Einhörner gewöhnlich dargestellt werden; es war kleiner und hatte gespaltete Hufe und besaß jene ungezähmte, uralte Anmut, die sich bei Rehen nur in schüchtern-scheuer Nachahmung findet und bei Ziegen in tanzendem Possenspiel. Sein Hals war lang und schlank, wodurch sein Kopf kleiner aussah, als er in Wirklichkeit war, und die Mähne, die fast bis zur Mitte seines Rückens СКАЧАТЬ