Название: Bis ihr sie findet
Автор: Gytha Lodge
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
Серия: Detective Chief Inspector Sheens ermittelt
isbn: 9783455006216
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»Wo warst du gestern Abend? Ich hab ein paarmal versucht, dich anzurufen.« Es war Topaz, die sich die Sonnenbrille ins schwarze Haar schob und sich von der Rückbank nach vorn beugte. Sie meinte natürlich nicht Aurora.
Aurora wünschte, Brett wäre nicht so nett zu ihr gewesen und hätte sie nicht auf dem Beifahrersitz Platz nehmen lassen. Ihr war klar, dass Topaz dort sitzen wollte. Ihre Schwester war wütend, weil sie nach hinten abgeschoben worden war. Connor war auch wütend gewesen. Es hatte ihm nicht gefallen, dass Brett angeboten hatte, sie drei mitzunehmen, während Connor und die anderen mit dem Rad fahren mussten.
»Was? Oh. Ich war im Kino.« Brett wechselte den Gang und streifte dabei mit der Hand Auroras hauchdünnen Rock. »Sorry«, murmelte er.
Aurora zuckte mit den Schultern und rückte etwas. »Meine Schuld. Ich war im Weg.«
»Welcher Film? Irgendwas Verrücktes?«, fragte Topaz, halb auf Aurora hängend.
»Das fliegende Auge.«
»Noch mal?« Topaz lachte und stupste ihn gegen die Schulter. »Den musst du doch schon zwanzig Mal gesehen haben.«
»Erst drei Mal«, erwiderte Brett. »Es ist ein Superfilm. Er schlägt fast alles, was dieses Jahr rausgekommen ist, locker aus dem Feld.« Eine kurze Pause, um einen Wagen mit Wohnanhänger zu überholen. »Was für Filme magst du, Aurora?«
»Was?«
Es war ein Reflex. So zu tun, als wäre sie woanders. Es passierte so oft, dass sie gar nicht mehr anders konnte, selbst wenn sie zugehört hatte. »Dussel«, hörte sie Topaz murmeln.
Sie sah Brett an, der sie freundlich anlächelte.
»Was für Filme siehst du gern?«
»Ich weiß nicht. Alles … bei dem ich andere Welten zu sehen bekomme, glaube ich. Geschichten, die in fremden Ländern spielen oder im Weltraum oder an Phantasieorten. Liebesfilme mag ich auch.«
Sie hörte Coralie schnauben und fragte sich, ob sie hätte lügen und antworten sollen, dass sie Actionfilme mochte. Topaz tat immer so, als würden sie ihr gefallen. Sie verdrehte die Augen über »Mädchen-Mädchen«, die nur Schmalzfilme gut fanden. Aurora ließ sie immer reden, obwohl sie wusste, dass Topaz’ Lieblingsfilme entweder historische Dramen oder romantische Komödien waren.
»Dann gefällt dir bestimmt Star Wars?«, fragte Brett. »Er hat all das. Hast du Die Rückkehr der Jedi-Ritter schon gesehen?«
Aurora schüttelte den Kopf. »Ich wollte warten, bis er auf Video erscheint. Meine Eltern fanden den letzten nicht so gut …«
»Ach was, den muss man im Kino sehen«, sagte Brett und schüttelte den Kopf. »Die ganzen Effekte, die Star Destroyer, das Gedonner aus den Lautsprechern – und es dauert noch Urzeiten, bis der auf Video rauskommt. Das sollten wir regeln, Topaz.« Er blickte in den Rückspiegel. »Wir gehen alle zusammen.«
»Klingt gut«, sagte Topaz, und Aurora konnte an ihrem Mund ablesen, dass sie nicht glücklich war.
Ich hätte unsere Eltern nicht erwähnen sollen. Sie hat mir gesagt, dass ich nicht über sie sprechen soll.
Aurora spürte einen Knoten der Anspannung im Bauch. Sie wusste nie, was sie vor Topaz’ Freundinnen und Freunden sagen sollte. Was ihr auch einfiel, es war immer verkehrt. Und es vor Brett verkehrt zu machen war noch schlimmer. Er war der ältere Junge, in den alle verknallt waren, der Star-Sportler, dem sofort ein Dutzend Mädchen zusah, wenn er bloß im Schwimmbecken der Schule trainierte.
Sie empfand eine Mischung aus Dankbarkeit und Ängstlichkeit. Jede in ihrer Stufe – eigentlich jede in der ganzen Schule – würde morden, um auf ihrem Platz zu sitzen. Neben Brett Parker, so nah, dass sie ihn berühren konnte. Und mehr noch, sie war mit der Clique zusammen, mit Benners’ seltsamen, anarchischen, genialen und schönen Freunden.
Es war eine Clique, in die sie überhaupt nicht passte und in die sie nur wegen ihrer Schwester eingeladen worden war. Und es war eine dieser Ironien des Schicksals, dass Topaz gar nicht wollte, dass sie hier war.
Sie blickte wieder zu den Bäumen und der Sonne und malte sich aus, wie die Brise sie hochhob und sanft in ein Paar starker Arme trug. Sie gab den Armen einen Besitzer mit dunklem Haar.
Sie stellte sich vor, wie er zu ihr sprach. Ich habe noch nie so jemanden getroffen wie dich. Du bist mein Ein und Alles.
»Hey.« Coralie beugte sich vor und zeigte den Weg an. »Da musst du abbiegen.«
Am Ende des Satzes stieß sie ein kleines Lachen aus, eine Angewohnheit von ihr, die sie noch kindischer wirken ließ. Zusätzlich zu den pinkfarbenen Kleidern, den Kulleraugen und dem aufgesetzten Staunen über die Welt.
Der Wagen bremste; Aurora bedauerte, dass der flackernde Rhythmus von hell und dunkel langsamer wurde, bis sie ganz im Schatten der Bäume waren, die die Straße überragten. Sie versuchte, das Gefühl festzuhalten, in Armen gewiegt und eingelullt zu werden, doch Coralie öffnete schon die Tür, und Brett zog den Schlüssel aus der Zündung.
Widerstrebend stieg sie aus und sah, wie Topaz um den Wagen zu Brett ging, der mehrere Schlaf- und Rucksäcke auspackte. Topaz streckte die Arme in die Luft, sodass ihr bauchfreies Top hochrutschte und noch mehr von ihrer gebräunten Taille freigab. Dann wandte sie sich von Brett ab, beugte sich nach vorn und berührte mit den Fingern ihre Zehenspitzen.
Aurora sah, wie Bretts Blick zu Topaz’ Hintern wanderte, wo ein Teil ihrer Pobacken und der Saum ihrer Spitzenunterwäsche zu sehen waren.
»Ich bin sooooooo steif«, sagte Topaz, richtete sich langsam wieder auf und sah Brett über die Schulter an. »Kommst du?«
»Ähm … ja klar.«
Coralie lief um den Wagen, fasste Topaz’ Hand und schlenderte mit ihr auf dem Waldweg voran.
3.
Jonah nahm Hanson mit zum Haus der Jacksons außerhalb von Lyndhurst. Er hätte es auch ein paar Sozialarbeitern der Gemeinde überlassen können, die nächsten Verwandten zu informieren, doch es war ihm ein Bedürfnis, selbst dorthin zu fahren. Vielleicht um zu trösten; vielleicht weil er dreißig Jahre auf einen Abschluss gewartet hatte.
Die Jacksons waren nie aus New Forest weggezogen. Das war bei Vermisstenfällen der üblichere Ausgang. Während ein Mord eine Familie häufig forttrieb, band ein ungelöster Vermisstenfall sie an den Ort, wo der oder die Vermisste gelebt hatte. Denn es gab immer die vage Hoffnung, dass sie eines Tages nach Hause kommen würden.
Die siebenhundert Meter lange Zufahrt war mittlerweile fast unpassierbar. Der Belag aus Sand und Schotter war zu einem Minenfeld aus Schlaglöchern verkommen. Hanson fluchte, als der linke Vorderreifen durch ein tiefes Loch holperte und der Unterboden des Wagens über getrockneten Schlamm schrammte. Sie riss das Lenkrad heftig herum, um einem weiteren Schlagloch auszuweichen; Jonah musste sich am Armaturenbrett abstützen.
»Sorgt die Gemeinde nicht für neuen Straßenbelag?«, fragte sie.
»Privatweg«, СКАЧАТЬ