Название: Mordnacht
Автор: Dieter Weißbach
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783869066455
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»Keine Ursache.«
Sie sah ihm noch einen Moment hinterher und ging dann ebenfalls.
»Was hast du gerade gesagt, Christine?«, fragte Tilman über die Schulter.
»Dass er filmen soll. Das wird er doch wohl hinkriegen. Dafür muss er nicht mal aussteigen.«
»Nein, das andere.«
»Dass er aufpassen soll, dass ihm nichts abfriert?«
»Findest du das nicht ein bisschen zu, wie soll ich sagen, gewagt?«
»Ich hab ja nicht gesagt, was ihm nicht abfrieren soll.«
»Also, ich weiß nicht. Gegenüber einem Kollegen.«
»Tilman, du bist so ein Spießer«, lachte Paulig.
»Findest du? Nur weil ich …«
»Was ist denn bei euch schon wieder so lustig?«, fragte Englmacher und stapfte voran. »Wie man überhaupt noch reden will bei der Arschkälte.«
Ihr folgten Onur Özokan, genannt Ötzi, erst seit ein paar Jahren bei der Mordkommission, und Erich Veigl, Münchner Urgestein und seit Jahren an der gefühlten Pensionsgrenze – niemals wäre es jemandem eingefallen, einen ohne den anderen anzufordern –, beide mit unzureichendem Schuhwerk.
»Das hab ich auch schon lang nicht mehr gehabt, dass einem der Rotz in der Nase gefriert«, brummte Veigl.
»Sag ich doch.« Paulig war bester Laune. »Auf geht’s, Tilman. Ran an den Speck.«
»Soll das etwa eine Anspielung sein?«
»Aber Tilman, wie kommst du denn darauf. Übrigens, hat wer was zum Lutschen dabei? Immer noch das Beste, wenn man sich nicht erkälten will.«
»Ist das ein Hausrezept deiner Werdenfelser Vorfahren?«
»Tilman, nichts gegen meine Vorfahren, sonst setz ich dich hier aus.«
»Um Gottes willen. Ich sag ja eh schon nichts mehr.«
»Gib lieber Gas. Die Englmacherin läuft uns sonst noch davon.«
Paulig erhöhte ihre Schrittfrequenz. Dabei versuchte sie, abzuschätzen, wann sie die Kollegin ungefähr eingeholt haben würde.
»Was hat die denn gefrühstückt«, nuschelte sie in ihren Anorak.
»Ich hab gleich gesagt, lass mich daheim. Hättest halt den Manzoni mitgenommen.«
»Was will ich mit dem Manzoni, der ist ja noch verfrorener als du. Und außerdem, der soll sich um die beiden Alten kümmern. Jetzt komm schon, reiß dich zusammen, wir sind ja gleich da.«
»Wenn’s nur nicht so scheißsteil wär.«
»Tilman, was du steil nennst, ist ein Spazierweg für ältere Leute.«
»Im Sommer vielleicht.«
»Jetzt komm. Nur noch ein paar Meter.«
Ein erneutes Absperrband, an einem Weidezaun befestigt, schien ihr recht zu geben. Paulig kletterte drüber und öffnete das Gatter.
»Halt!« Ein weiterer Beamter der hiesigen Polizei kam ihnen von oben entgegengerutscht.
»Wir sind’s, die Kollegen aus München.« Paulig streckte ihm ihre Polizeimarke entgegen. Als er nicht sofort reagierte, deutete sie auf Sabine. »Oder meinen Sie, wir laufen zum Spaß so rum.«
»Aha.« Es klang nicht so, als wollte er sich damit zufriedengeben. »Sind das dann alle, oder kommen da noch mehr?«
Vielleicht wollte er aber auch einfach nur alles richtig machen.
»Fünf Mann, reicht Ihnen das nicht?«
Schon wieder so ein Komiker, dachte Paulig. Das kann ja heiter werden.
»Entschuldigung, ich hab nur …«
»Sind wir bald da?«, schnaufte Tilman von hinten.
»Ja, da oben.« Sein brummiges Auftreten schien den Beamten zu überzeugen. »Ich geh voraus.«
»Dann wollen wir mal«, murmelte Paulig und setzte sich an die Spitze des Zugs.
»Ganze Arbeit«, fasste Würfel zusammen. »Sabine, wo machen wir die Gasse?«
»Ich denke, am besten gleich da, wo du stehst. Obwohl das nicht mehr viel bringen wird, so wie das hier ausschaut. Als wäre eine Horde Trampeltiere durchgezogen. Nimmst du mal das Band?«
Paulig machte Platz für die Kollegen. Sie war die mit dem Überblick. Nach ein paar Metern blieb sie stehen und begann, sich einmal langsam um die eigene Achse zu drehen. Am Ende der Bewegung fiel ihr ein Baum auf, der sich schüttelte.
»Hallo! Hallo!«
Tilman folgte ihrem Blick.
»Ist das nicht dieses Einheimischenmodell?«
»Schaut ganz so aus. Hallo!«, rief sie erneut. »Würden Sie bitte zu uns kommen!«
Lufti Häusler hatte sich hundert Meter weiter oben in die Büsche geschlagen und sich dann langsam nach unten gearbeitet. Genau in dem Moment war er auf die Lichtung getreten.
»Scheißpelerine«, fluchte er und versuchte vergebens, den rauen Stoff vom Schnee zu befreien. »Ich schau ja aus. Und der Hut erst. Total verbogen.«
Bereits beim ersten Schritt versank er hüfttief. Mühsam kämpfte er sich voran. Das Gelände war nicht steil, aber bucklig, jede einzelne Senke angefüllt mit Schnee. Völlig außer Atem kam er an. Schuldbewusst senkte er sogleich den Blick.
Wie am Ende eines Konzerts, wenn nicht die Intensität des Beifalls das Maß aller Dinge ist, sondern der Zeitraum, der zwischen beiden Ereignissen liegt, bemaß auch Kommissarin Paulig gerne die Zeit, denn sie schien ihr weniger leicht manipulierbar. Bei Karl-Friedrich Häusler war sie beträchtlich.
»Sie kennen den Mann …? Hallo …? Herr …?«
Dann wartete sie, und die Kollegen mit ihr.
»Was …? Mein Gott … Was? Ja freilich. Das ist der Wolfram. Mein Gott, der Wolfram, unser Wolfram … Das ist unser Wolfram«, wiederholte er in ungläubigem Entsetzen.
Ehe die Beamten reagieren konnten, war er auf die Knie gesunken.
»Wolfi«, flüsterte er, »mein Gott, Wolfi, wer hat denn dich so zugerichtet? Mein Gott, was machst denn da …?«
Er machte Anstalten, den Kopf des Toten zu berühren, doch Paulig hielt ihn sanft davon ab. Eine ganze Weile kauerte Häusler neben seinem toten Freund und hielt Pauligs Hand. Dann schaute er sie mit großen Augen an. Dicke Tränen kullerten über sein Gesicht. Er machte keine Anstalten, sie wegzuwischen. Wie ein Kind, dachte Paulig verwundert.
»Aber СКАЧАТЬ