Boat People. Sharon Bala
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Название: Boat People

Автор: Sharon Bala

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783963114441

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СКАЧАТЬ Aber Rama konnte dort auch nicht versteinert stehenbleiben.

      Die Glocke schlug ein zweites Mal und Mahindan sah, wie ein Teenager mit beiden Händen wild am Strick zog. Das war keiner von den asketischen, zartgliedrigen Tempeljungen. Die Hosenbeine hatte er über die Knöchel hochgerollt, das offene Hemd flatterte um ihn herum.

      Rama ging, als wäre er hypnotisiert, auf die Kommandanten zu. Schuldgefühl zwang Mahindan, ihm barfuß über die Kieselsteine zu folgen, die sich scharf in seine Fersen bohrten. Er und Rama waren zusammen mit Arun in die Schule gegangen. Schon als Kind hatte Arun sich ein Vergnügen daraus gemacht, seine Schulkameraden zu drangsalieren. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die für den Krieg lebt. Als die Rekrutierungen begannen, war er der Erste gewesen, der sich einschrieb, noch ehe er die Schule abgeschlossen hatte.

      Mr. Ramachandran, Sri-Lehrer, rief Arun über die laut tönende Glocke hinweg. Seit Jahren hatten sie ihn nicht gesehen, und er hatte inzwischen sein linkes Ohr verloren. Wir bringen dir eine Einladung, sagte er. Im Namen des Führers.

      Der Junge unter dem Glockenturm kicherte. Mahindan, der die halbe Kolonnade hinuntergelaufen und nur noch wenige Schritte hinter Rama war, sah seine gläsernen Augen, sein unsicheres Gebaren. Er hatte den Glockenstrick losgelassen und hielt mit beiden Händen einen Cricket-Schläger, den er wie einen Krückstock auf den Boden setzte.

      Mir? Ramas schrille Stimme verriet seine Erregung. Mahindan konnte sehen, wie sein Rücken bebte, auch sein feingliedriges, ungeschütztes Genick. Aber ich bin doch ein … ein … Lehrer … meine Schüler …

      Jeder Dummkopf kann Mathe geben, sagte Arun. Tamil Eelam braucht dich für eine höhere Sache.

      Eine höhere Sache, gackerte der betrunkene Junge. Er ging, den Schläger schwingend, auf Mahindan zu.

      Die gefangengenommenen Männer auf dem Lastwagen starrten stumpf geradeaus. Mahindans Blickfeld verschwamm, ihm wurde schwindelig und er musste stehenbleiben, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Sie hatten die Kolonnade passiert und waren jetzt gnadenlos der Sonne ausgesetzt und dem heißen Boden, der ihnen die Füße verbrannte.

      Was ist los mit dir, Machan? Arun ging auf Rama zu und schlug ihm leicht auf den Rücken. Du bist doch Lehrer, nicht? Du musst uns helfen, diesen singhalesischen Kerlen eine Lehre zu erteilen.

      Mahindan musste hilflos zusehen, wie sein Cousin abgeführt wurde, vorbei an ihren Fahrrädern, die sie zusammen mit den Sandalen im kühlen Schatten einer Palmyrapalme hingeworfen hatten.

      Währenddessen hatte der andere Kommandant mit geschultertem Gewehr dagestanden und zugeschaut. Jetzt ließ er das Gewehr sinken und fasste Mahindan am Arm.

      Bist du auch Lehrer?, fragte er freundlich. Er war älter als Arun und hatte offensichtlich nichts dagegen, dass Arun den Befehl führte.

      Mahindan merkte, wie er nach vorn geschubst wurde. Noch ­hatte er Ramas Gesang in den Ohren. Om. Gam. Ganapataye. Namaha.

      Seine Knie fingen an zu zittern. Kaum konnte er das Wort Nein herausbringen. Da kam ihm, wie ein Geschenk Gottes, eine Idee. Me… Mechaniker, stammelte er. Ich … bin … Autos, Busse, Lastwagen … Ich …

      Sein Mund war total ausgetrocknet. Er glaubte, an seinen eigenen Worten zu ersticken, stattdessen hustete er.

      Ich repariere sie … in meiner … meiner … (Husten) …Werkstatt.

      Du kannst Motoren umbauen?, fragte Arun.

      Von Diesel auf Kerosin? Er spürte Erleichterung, und mit ihr kam der Mut. Ja. Das mache ich dieser Tage für alle. Motoren, Bremsen, neue Reifen … alles. Das kann ich machen.

      Er hörte, wie ihm die Worte aus dem Mund sprudelten, und er hasste sich dafür.

      Arun winkte seinen Komplizen zur Seite, und Mahindans Arm war wieder frei. Gott sei gelobt! Er wollte auf die Knie fallen.

      Lass den Mechaniker laufen, sagte Arun. Er gab Rama einen heftigen Stoß, so dass er auf den Laster zustolperte. Einsteigen! Mach schon!

      Rama versuchte, sich auf den Laster zu hieven, kam aber nur zur Hälfte hoch und rutschte rückwärts wieder auf den Boden. Seine Beine gaben nach. Mahindan wandte sich voller Scham ab und sah aus dem Augenwinkel, wie Arun ihn brutal nach oben bugsierte.

      Sag es Ruksala, rief Rama, und seine Stimme brach.

      Mahindan konnte Ramas Blick nicht standhalten. Das mache ich.

      Wo ist deine Werkstatt?, fragte Arun, und Mahindan, der sich hilfsbereit zeigen wollte, erklärte ihm den Weg. Er versuchte, nicht auf das gekräuselte Stückchen Haut zu schauen, wo Aruns Ohr hätte sein müssen.

      Gut, einen Automechaniker zu haben, sagte Arun und setzte sich auf den Fahrersitz. Dann steckte er die Hand aus dem Fenster, schlug zweimal ungeduldig auf die Tür und rief dem Jungen: Na mach schon, du Idiot!

      Er schaltete den Motor an. Der Junge lehnte sich schwer auf seinen Schläger und blickte zu Boden.

      Dann kommst du eben allein nach, rief Arun.

      Die Tür auf der Beifahrerseite wurde zugeschlagen und Rama hob die Hand.

      Mahindan tat das Gleiche, und für einen kurzen Moment hielten sie sich fest im Blick. Dann fuhr der Lastwagen ab.

      Der betrunkene Junge schwankte und torkelte nach vorn. Er sah sehr jung aus, und verängstigt. Alles, was Mahindan spürte, war sein heftig schlagendes Herz, und Erleichterung. Ihre Blicke trafen sich in dem Moment, als der Junge den Mund aufriss und sich erbrach.

      DIE NATUR DER DINGE

      Priya hatte den Schlüssel zu ihrem Elternhaus. Sie ging hinein, streifte die Sandalen ab und riss sofort ein Fenster auf. Das Haus roch nach verbranntem Knoblauch und gebratenen Zwiebeln. Ihr Vater und Rat waren im Wohnzimmer und spielten Schach. Appa hatte gerade den schwarzen Läufer aufgenommen und musterte, seinen nächsten Zug erwägend, mit angestrengten Augen durch die Brillengläser das alte, ramponierte Schachbrett. Eine Büroklammer ersetzte die weiße Dame. Rat hatte sie in der Mitte des Bretts so hingelegt, dass sie den schwarzen Springer herausfordernd anstarrte.

      Priyas Vater war klein von Statur, keine ein Meter siebzig groß, hatte schlanke Glieder und einen Bauch so rund wie ein Basketball. Als Ma noch lebte, neckte sie ihn gern damit, dass er im fünften Monat schwanger sei. Zwei graue Haarbüschel standen ihm drahtig vom kahlen Kopf ab. Priya küsste ihn flüchtig auf die Wange und sagte: Hallo, Appa. Sie wusste nicht warum, aber seit Mas Tod nannte sie ihn so. Vorher war er immer Dad gewesen.

      Ihr älterer Bruder war ein gutes Stück größer, seine Haut war dunkler, das Haar kurzgeschoren, die Gestalt schlaksig und locker. Er war von der Arbeit direkt hierher gekommen und saß breitbeinig hingelümmelt in einem Lehnstuhl, den Schlips hatte er über die Armlehne geworfen.

      Priyanke, sagte er.

      Sie antwortete mit militärischem Salut. Lingaratnam.

      Als er elf Jahre alt war, hatte Rat verkündet, er wolle Michael genannt werden. Ich hasse meinen Namen! Ihr habt ja keine Ahnung, was die mich in der Schule alles schimpfen.

      Ma war in Tränen ausgebrochen, Appa wurde ungnädig. Aber zu seinem achtzehnten Geburtstag hatten sie die Formulare nach Hause gebracht und es offiziell gemacht. СКАЧАТЬ