Название: Es war ein reiches Leben
Автор: Arthur Ernest Wilder-Smith
Издательство: Автор
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783958932708
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a) Nächtliche Inspektionen
Während die restliche Familie sich abends unterhielt, schlichen wir oft in die neue Garage, die Vater speziell für den Bentley bauen ließ, um alles weiter und privat für unsere Experimente auszukundschaften. Nach sehr kurzer Zeit hatten wir genug theoretisches Wissen gesammelt, jetzt fehlte uns nur ein wenig Praxis! Die Engländer sind ja Pragmatiker! Aber wie und wann – das war die große Frage, die wir zu lösen hatten!
Eines Nachmittags saßen wir alle in reger Unterhaltung zusammen, nachdem wir Tee getrunken hatten. Ohne irgendwie die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, schlich mein Bruder um den Tisch und flüsterte mir sehr leise ins Ohr:
„Es ist offen.“
Mir war sofort klar, was er mit dieser kryptischen Bemerkung meinte, denn nachdem Vater mehrere Male am Morgen in die Garage gegangen war, um mit dem Bentley wegzufahren, entdeckte er eine ganz entladene, platte Batterie, die nur „Wuh“ machte und dann den Geist aufgab, als er auf den großen Anlasserknopf drückte. Die Batterie war mächtig (80–90 Ampèrestunden), entsprach trotzdem den vielen Anforderungen von zwei enthusiastischen Buben nicht, die den Anlasser zu lange und zu oft beanspruchten. Da hatte Vater kurzerhand ein Hängeschloss an der Garagentür befestigt, wofür nur er allein den Schlüssel besaß. So hörten unsere inoffiziellen Besuche in der Garage etwas früher und jäher auf, als wir geplant hatten. Deshalb inspizierten wir regelmäßig das Hängeschloss, denn Vater war ab und zu vergesslich, man wusste also nie!
Und mein Bruder fügte noch flüsternd hinzu: „Nicht beide auf einmal. Es würde auffallen. Komm in fünf Minuten nach, wir treffen uns an der Garage!“
Nach den vorschriftsmäßigen fünf Minuten stand ich vom Tisch auf, half ein wenig mit dem Abräumen vom Geschirr und verschwand leise. Mein Bruder war schon im Auto drin. Aber die Sache hatte einen Haken. Wir waren zu klein und konnten nur durch das Steuer schauen statt über das Steuer. Also noch einmal schnell ins Haus und zwei ganz dicke, große Kissen holen! So konnten wir gerade richtig sitzen! Aber unsere Beine waren für die mächtige Kupplung bedeutend zu kurz. Wir mussten fast aufstehen, um die Kupplung hinunterzudrücken.
b) Das Experiment
Wir ließen also den Drei-Liter-Motor an. Der Laut des Auspuffs war höchst befriedigend für unsere geschulten Ohren. Zündung linke Seite in Ordnung. Zündung rechte Seite ebenso. Benzinhandpumpe diesmal überflüssig. Der große Vierfachvergaser wurde von einem Wassermantel geheizt, sodass alles sehr schnell startbereit war. Dann mit letzter Kraft mit dem linken Fuß hinunter, Rückwärtsgang einlegen, ein wenig Gas, Kupplung langsam hoch und rückwärts – auf zwei große Kissen gestützt – fuhren wir aus der Garage. Wir fuhren ein paar Mal um den Hof, um unsere Theorien wegen der Notwendigkeit von Zwischengas zu prüfen. Alles klappte tadellos. Dann fuhren wir langsam zum Haupteingang des Gutes hinaus auf die Landstraße, dem Bahnhof entgegen.
Der Bahnhofsplatz war groß und bot genügend Platz an, um den Wagen auszutesten. So fuhren wir um den großen Platz herum und schalteten die Gänge. Niemand war da, um uns zu beobachten – das war wenigstens unsere Überzeugung! Immer schneller fuhren wir, immer raffinierter wurde die Technik des Zwischengases. Wir wechselten den Fahrer. Mein Bruder war jünger als ich, und seine Beine waren noch kürzer als meine. Deshalb brauchte er mehr Kissen als ich. Aber stark war er – und geschickt! Rund herum um den Bahnhofsplatz ging es. Gut, dass die Reifen und die Federung neu waren, denn die Karosserie kippte oft bedenklich, besonders in den Kurven, die wir oft zu knapp nahmen.
Zum x-ten Mal fuhren wir am Bürofenster von Mr. James vorbei. Mr. James war der Bahnhofsvorsteher, ein lieber Mann, der mit meinem Vater gut befreundet war. Aber er besaß ein Telefon! Seine Nummer war Cholsey 1 und unsere Nummer war Cholsey 2 – also nicht leicht zu verwechseln. Als wir bereits viele Runden gedreht hatten, fiel uns plötzlich ein, dass Mr. James uns vielleicht beobachtet hatte. Wir hatten ihn zwar nicht gesehen, aber er kannte uns gut – und auch Vaters Bentley. Vielleicht hatte Mr. James sein Telefon sogar benutzt! Vielleicht wusste Vater schon alles! Also mit Vollgas zum Gut zurück! Durch den Haupteingang des Gutes – gut bewältigt, obwohl die Kissen zu rutschen drohten. In die Garage – sehr knapp, die Garage war für ein so großes Auto etwas schmal, aber wie ein Kamel durch das Nadelöhr kamen wir gut hinein. Tore zu. Hängeschloss liegen lassen, wie es war! Ins Haus geschlichen, Hintertreppe hinauf in unser Zimmer. Nach etwa zehn Minuten rief Mutter zum Abendessen hinunter.
„Nein, Mutter, wir haben keinen Hunger. Wir haben Hausaufgaben, die bis morgen erledigt sein müssen.“
In Wirklichkeit wollten wir natürlich unserem Vater nicht begegnen, denn vielleicht wusste er es schon – und sagte nichts. Vater konnte sehr schweigsam sein und lange Zeit kein Wort sagen. Aber anders als bei anderen Menschen/Vätern, nahm sein Zorn mit der Zeit nicht ab.
„Vielleicht weiß er alles, sagt aber nichts. Und wenn es dann herauskommt, wird er um so schlimmer reagieren, je länger wir warten! Also Vater meiden!“, das war die Parole von jetzt an.
c) Die Macht des Gewissens
Vater und Mutter waren beide sehr erstaunt, dass wir nicht essen wollten. Jungen, die keinen Hunger hatten! Das war merkwürdig! Was hatten die beiden ausgeheckt? – Das war die natürliche Reaktion! Am nächsten Morgen mussten wir vor dem Schulgang frühstücken! Das ließ sich leider nicht vermeiden! Mutter teilte den Porridge aus, und nach dem Porridge kamen Eier und Schinken. Der Duft von Eiern und Speck fürs Frühstück ist mir immer noch unvergesslich! Wie schmeckt das lecker, besonders wenn es draußen nass und kalt ist. Aber Vater blickte misstrauisch zu uns herüber, wie wir in unseren Ecken kauerten. Wir würgten unseren Porridge hinunter! Vater sagte nichts, was nicht bedeutete, dass er nichts dachte! Sobald wir die Qual des Frühstückes – lies: Vaters Gegenwart – hinter uns hatten, stürzten wir zur Bahn, um den Zug nach Wallingford zur Schule zu nehmen. Die Schule pflegte sonst keine direkte Befreiung zu sein, heute aber war sie das.
Wir fuhren immer mittags mit der Bahn nach Hause – Wallingford lag nur etwa sechs Kilometer von zu Hause entfernt. Als wir dann gegen 12.30 Uhr nach Hause kamen, saß Vater oben am Tisch und teilte das Fleisch aus – Mutter teilte, wie immer, das Gemüse aus. Wusste es Vater oder wusste er es nicht? Das war die brennende Frage! Wegen des Autos sagte er nichts, die Batterie war offenbar nicht kaputt; schnell genug waren wir gefahren, sodass der Dynamo sich wieder aufladen konnte! Aber Vater schwieg! Mr. James, den wir jeden Tag beim Schulgang sahen, äußerte auch kein Wort! Wenn Vater Bescheid weiß – und nichts sagt, wird sein Zorn von Tag zu Tag größer werden, das wussten wir sehr wohl!
Jede Mahlzeit war für uns eine Qual. Wir mieden Vater, der immer noch nichts sagte, obwohl wir in unseren Knochen fühlten, dass er irgendetwas witterte. Er wartete vielleicht darauf, dass wir uns zu unserer Missetat freiwillig bekannten – wir mussten immer freiwillig zu unserer Schuld stehen. Auf die Jagd mit Vater gehen, das konnten wir jetzt unter diesen Umständen nicht – allein sein mit ihm auf dem Feld –, das kam nicht infrage! Abends pflegten wir bis vor kurzem sehr oft, mit Vater Dame zu spielen – er spielte sehr gut und baute viele „Hühnerfallen“ („chicken traps“ für die Unaufmerksamen, wie er sie nannte). Aber jetzt, in dieser Spannung, unter diesen quälenden Umständen, kam auch das nicht mehr infrage. Wir verschwanden lieber früh auf unser Zimmer und bastelten allein für uns. СКАЧАТЬ