Arkadien. Emmanuelle Bayamack-Tam
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Название: Arkadien

Автор: Emmanuelle Bayamack-Tam

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783906910796

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СКАЧАТЬ dich trotzdem untersuchen, aber ich beharre darauf: Es ist durchaus nicht unnormal, mit fünfzehn noch keine Regel zu haben. Zieh dich aus. Soll dein Papa so lange rausgehen?«

      Auf keinen Fall will ich mit Madame Tourteau allein sein. Sie macht zwar einen netten Eindruck, aber man weiß ja nie, genauer, man weiß nur allzu gut Bescheid. Ich für meinen Teil weiß aus Erfahrung, dass ich bei anderen das Schlimmste zu wecken vermag, sadistische Triebe und wahnhafte Anfälle. Papa soll bleiben.

      Mit den Füßen in den Steigbügeln erdulde ich stumm, dass Madame Tourteau ein Metallobjekt in meine Scheide einführt und schonungslos, wenn auch mit nachlassendem Eifer darin herumwühlt. Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit, doch irgendwann zieht sie ihr Folterwerkzeug wieder raus und wirft die gepuderten Latexhandschuhe beiseite.

      Arkady hüstelt höflich:

      »Ob das ratsam ist, so ein Spekulum bei einer Jungfrau?«

      Sie blickt ihn entrüstet an und entgegnet:

      »Monsieur, um die Vagina und den Gebärmutterhals zu untersuchen, hat man bis dato nichts Besseres gefunden als das Spekulum. Mit dem man überdies alle möglichen Proben entnehmen kann. Im Fall Ihrer Tochter ist das allerdings …« Sie hält inne, damit er sich selbst ausmalen kann, warum der Fall seiner Tochter so viel heikler ist als das Gros ihrer gynäkologischen Praxis.

      »Ich werde eine Echografie vornehmen. Wissen Sie, was das ist?«

      Ich stelle fest, dass sich mittlerweile alles zwischen Arkady und Madame Tourteau abspielt, als läge ich nicht mitten im Raum auf dem Rücken, so nackt wie am Tag meiner Geburt. Offenbar kennt sich Arkady mit bildgebenden Verfahren in der Medizin bestens aus, keine Ahnung, wie er dazu kommt, sodass er mit der Ärztin über Wellen, Ultraschall und Piezoeffekt plaudert, während sie ihre Sonde über meinen gelverklebten Bauch führt und bläulich pulsierende Bilder uns ihr rätselhaftes Signal senden. Fast rechne ich damit, dass auf dem Bildschirm ein Fötus in 3D erscheint, doch nichts erscheint, natürlich nicht. Es vergeht Zeit. Madame Tourteau scheint immer mehr Aufnahmen zu machen und Maße zu nehmen, wobei sie die Abzüge mit gestrichelten Linien versieht, die genauso mysteriös anmuten wie alles andere, wie diese Lichttrichter, in denen dunkle, kaum konturierte Gebilde treiben.

      »Gut …«

      Offensichtlich ist es alles andere als gut, trotzdem wische ich mir den Bauch ab und ziehe mich rasch wieder an, damit die Diagnose mich nicht in hilfloser Rückenlage erwischt. Die Mühe hätte ich mir auch sparen können, da die Ärztin mich keines Blickes würdigt: Wenn sie nicht gerade ihre Aufnahmen durchsieht, fingert sie an ihrem Montblanc herum oder wendet sich an Arkady, wobei sie aus lauter Verlegenheit jeweils beim Satzanfang hängenbleibt:

      »Das ist recht eigenartig, denn normalerweise … Ich mag mich ja … Und trotzdem sollte man annehmen … Tja, mal sehen, ob … Wir werden also …«

      Auch Satzanfänge nehmen mal ein Ende, sodass ihr die rhetorischen Vorsichtsfloskeln ausgehen und sie mit ihrem Kugelschreiber in meine Richtung deutet:

      »Allem Anschein nach hat Farah keine Gebärmutter. Und auch keine richtige Vagina.«

      Niemand weiß besser als ich, dass ich eine habe, sie selbst hat ihre Nase und ihr Spekulum gute zehn Minuten lang reingesteckt, was soll also dieser Zirkus?

      »Das heißt, sie hat nur eine drei Zentimeter große cupula. Grob gesagt fehlen ihr die zwei oberen Drittel der Vagina. Meiner Ansicht nach haben wir es hier mit dem MRKHS zu tun, dem Küster-Hauser-Syndrom, wenn Ihnen diese Bezeichnung lieber ist.«

      Mir ist gar nichts lieber, und die Bezeichnungen sind mir schnurz. Ich will nur meine Gebärmutter wiederhaben und auch die zwei fehlenden Drittel meiner Vagina. Man wird mir nämlich nicht ausreden können, dass ich sie vor meinem Eintreten in die Praxis von Madame Tourteau noch hatte, zumindest lebte ich in dieser Vorstellung, was aufs Gleiche hinausläuft, wenn man bedenkt, wie wenig ein fünfzehnjähriges Mädchen von beidem Gebrauch macht. Natürlich hatte ich schon mal den Finger in meine Scheidenhöhle gesteckt und festgestellt, dass es dort nicht viel zu erkunden gab, weil ich aber keine Ahnung hatte, wie sie bei anderen beschaffen war, hielt ich mich einfach an die klitorale Befriedigung.

      Inzwischen ist Madame Tourteau nicht mehr zu bremsen. Von ihrer Diagnose berauscht, erzählt sie uns jetzt voller Überschwang von den Fehlbildungen, die mit meiner utero-vaginalen Aplasie einhergehen.

      »Hören Sie gut?«

      »Äh … ja.«

      »Sind Sie sich da wirklich sicher? Und was ist mit Ihrem Rücken? Keine Beschwerden? Keine Verkrümmung der Wirbelsäule? Keine Skoliose?«

      »Ich habe eine Hyperkyphose.«

      »Da haben wir’s! Das passt ins Bild! MRKHS-Patientinnen haben oft Probleme mit dem Knochenwachstum. Ihre Nieren sollte man auch überprüfen, am besten durch eine Magnetresonanztomografie

      »Wann bekomme ich denn meine Regel?«

      »Niemals. Ihre Eierstöcke wirken zwar funktionstüchtig, aber Sie werden keine Regel haben.«

      Arkady wacht allmählich aus der Benommenheit auf, die ihn befallen hatte, als er von meiner seltenen Krankheit erfuhr – offenkundig ist sie so selten, dass Madame Tourteau zum ersten Mal eine solche Patientin in ihrer heimeligen Praxis empfängt, die sich bisher Verhütungsmethoden, Schwangerschaftsbegleitungen und Hormonersatztherapien widmete, möglicherweise auch dem einen oder anderen Fall von Brustkrebs, wenn überhaupt.

      »Wird sie Kinder haben können?«

      »Ohne Gebärmutter und ohne Gebärmutterhals? Unmöglich. Es wäre ja schon ein Glück, wenn sie Geschlechtsverkehr haben kann!«

      »Wieso?«

      »Ihre Tochter kann nicht penetriert werden. Bei einer Vagina von drei Zentimetern, wo denken Sie hin!«

      An diesem Punkt scheint ihr endlich aufzugehen, wie grausam ihre Aussagen sind, sie wird rot und will uns nur noch schleunigst loswerden, kritzelt in Windeseile Briefe an andere Ärzte, die in Sachen MRKHS-Syndrom versierter sind als sie, und wirft mit Beschwichtigungen um sich:

      »Man kann wunderbar ohne Gebärmutter leben. Und die Regel ist vor allem eine Unannehmlichkeit. Manche meiner Patientinnen würden alles darum geben, sie nicht mehr zu haben.«

      Als sie uns – mit allerlei Überweisungsscheinen und Rezepten versehen – zur Tür bringt, wird sie von ihrem Diagnosedämon eingeholt und greift mit inquisitorischer Hand nach meinem Kiefer, um ihn ins Licht zu halten.

      »Was mir allerdings zu denken gibt, ist dieser Hirsutismus. Normalerweise haben MRKHS-Patientinnen einen weiblichen Phänotyp. Ihr Äußeres ist normal, mit Brüsten und schwacher Behaarung, in der Schamgegend, unter den Achseln – mehr nicht. Farah scheint jedoch einen Schnurrbart zu bekommen …«

      Arkady schiebt mich eilends hinaus, bevor Madame Tourteau uns schlankweg erklärt, dass ich dabei bin, von innen wie von außen zu vermännlichen, doch das Unheil ist bereits angerichtet und so schleichen wir bedrückt zurück zum Auto.

      »Sollen wir noch eine Runde drehen? Magst du zum Hafen?«

      Im Gegensatz zu meinen Eltern, die nicht das Geringste von meinem Leben außerhalb des Liberty House ahnen, weiß СКАЧАТЬ