Der Kuss des Feindes. Titus Müller
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Название: Der Kuss des Feindes

Автор: Titus Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783961224111

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СКАЧАТЬ blieb stehen, wo der Kopf der Treppe in einen Hauseingang mündete, und lauschte. Er konnte kein Atmen hören. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis, und er erkannte eine weitere Treppe, die im Inneren des Felsenhauses nach oben führte. Außerdem sah er etwas Dunkles am Boden. Er kauerte sich nieder und streckte die Hand aus. Seine Finger berührten scharfkantige Scherben. Ein zerborstener Tonkrug? Er stieg darüber hinweg und untersuchte den restlichen Höhlenboden. Nirgendwo lagen Matten oder Kissen. Die Troglodyten hatten alles in ihr Versteck mitgenommen, in jene finstere Schlucht, die der Vater nicht finden konnte.

      Plötzlich meinte er, eine Gestalt zu sehen, die an der Rückwand stand. Angst kroch ihn an, er konnte sich nicht rühren. Die Gestalt bewegte sich genauso wenig. War es ein Dämon, der ihn lauernd beobachtete? Er umfasste den Talisman, den er um den Hals trug, und ging langsam rückwärts. Die Tonscherben krachten, von seinen Füßen zertreten. Er machte rasch kehrt und verließ den ausgehöhlten Steinkegel.

      Draußen atmete er auf. Das war nichts gewesen, bloß ein gewöhnlicher Schatten. Dennoch, wenn er zur Felsöffnung hinaufsah, war ihm, als wehte ihn ein kalter Hauch an.

      Er wandte sich nach links, dann wieder nach rechts. Zwischen den Steinkegeln verästelten sich enge Pfade und verwirrten ihn mit ihren Abzweigungen und Sackgassen. Was, wenn die Christen ihn längst beobachteten? Sein Puls beschleunigte sich. Es war ein Unterschied, ob man in ein Gebiet hineinschlich, um es auszuspähen, oder ob man darin herumirrte, immer in der Gefahr, Wachen in die Speerspitzen zu laufen.

      Zwischen zwei versteinerten Dschinngeistern hindurch sah er einen Gebirgshang aufragen. Er war so froh, aus dem Labyrinth herausgefunden zu haben, dass er große Schritte machte und beinahe gegen die kleine Mauer aus behauenen Steinen lief, die sich vor ihm durch die Nacht zog. Er verharrte und strengte die Augen an, um im Dunkeln etwas zu erkennen. Jenseits der Mauer schien ein Garten zu liegen. Arif stieg über das Mäuerchen. Melonen wuchsen hier, pralle runde Köpfe. Er fand Kichererbsenkraut und Gurken. Eine Gurke brach er ab und biss hinein. Sand knirschte zwischen seinen Zähnen, aber die Gurke war von knackiger Frische. Ihr Inneres zerplatzte im Mund und floss wässrig in seine Backen. Fluch hin oder her –

      Arif stockte.

      Er befühlte erneut die Pflanze. Da waren nasse Abbruchstellen! Kurz zuvor war jemand hier gewesen und hatte Gurken geerntet. Es konnte kein Tier gewesen sein, ein Tier hätte nicht zwei Gurken bis zum Strunk säuberlich verspeist und die dritte unversehrt gelassen. Er sah sich um. Layla war ruhig gewesen, als er sie am Rand des Labyrinths zurückgelassen hatte. Sie witterte Mensch und Tier zuverlässig. Aber es musste jemand hier gewesen sein. Die Gurken selbst waren der Beweis dafür, solche knackigen Gurken gediehen nur, wenn man die Pflanzen bewässerte. Die Troglodyten haben ihre Gärten nicht aufgegeben, dachte er, sie sind noch in der Nähe. Er stand auf. Böse starrten ihn die dunklen Höhlenaugen der Felshäuser an.

      Womöglich zielten die Troglodyten gerade mit Wurfspeeren auf ihn, bereit, sie zu schleudern, sobald er sich näherte. Er zog den Kopf ein, schlich gebückt bis zur Mauer. Lautlos sprang er hinüber und kroch im Schatten der Steindämonen in Richtung Berghang, dahin, wo er Layla zurückgelassen hatte. Am letzten Steinkegel hielt er inne und spähte aus.

      Da war Layla.

      Aber sie war nicht allein.

      Ein Frau stand bei der Stute. Auf ihrem schwarzen Haar glänzte das Mondlicht, und sie streichelte der Stute den vernarbten Hals. »Du Armes«, sagte sie leise, »wer hat dich so misshandelt? Ich wäre an deiner Stelle auch abgehauen.«

      Sie sprach Griechisch. Wie sie die Worte formte, unterschied sich sehr von der Aussprache, die ihn der Scheich in den Unterrichtsstunden gelehrt hatte – ihr Griechisch war nicht durch den harten arabischen Zungenschlag eingefärbt. Weich sprach sie die Wörter aus, als sei da ein schlafendes Kind, das sie nicht wecken wollte, und tätschelte dabei weiter Layla den Hals. Ihre schmalen Schultern waren von blasser Haut, auch die Hand auf Laylas Fell. Sie musste eine Troglodytin sein, es hieß, dass Troglodyten das Sonnenlicht mieden. Wie hatte sie es geschafft, sich der Stute zu nähern? Layla hätte scheuen müssen, sie hätte nach der Frau beißen müssen! Stattdessen stand sie ruhig da und ließ sich berühren.

      Die Frau war jung, fast noch ein Mädchen, und sicher unverheiratet. Frauen in ihrem Alter hatten im Zelt zu bleiben, sie spazierten nicht allein im Freien herum, das gehörte sich nicht. Lief die Troglodytin wirklich ohne Begleitung durch die Nacht? Es war ihm unbegreiflich.

      Die Frauen, die er kannte, trugen goldene Armreifen und Ohrringe. Diese trug keinen Schmuck, und doch war sie so schön wie der Mond.

      »Ich kann dich nicht mitnehmen«, sagte sie. »Wirst du allein zurechtkommen? Du musst die Quellen meiden, die haben sie vergiftet. Friss das taufeuchte Gras. Dann passiert dir nichts.« Sie fuhr mit ihrer Hand über Laylas Kruppe und Flanken. »All die Narben! Ich fasse es nicht, dass sie dir das angetan haben. Araber sind Bestien.«

      Die Mondfrau bückte sich, rupfte etwas Gras ab und bot es der Stute an. Layla hielt schnuppernd die Nüstern darüber. Schließlich nahm sie die Halme mit den weichen, behaarten Lippen auf und fraß sie.

      »Lässt du mich aufsteigen? Ich hab noch nie auf einem Pferd gesessen.« Die Frau trat neben den Sattel und steckte ihren Fuß in den ledernen Steigbügel. Ein Zucken ging durch Laylas Körper. Die Stute sprang beiseite. Die Frau hing im Steigbügel fest und wurde mitgerissen. Kopfunter schleifte sie über den Boden.

      Arif schnellte hoch. Er rannte hinterher, kürzte ab, indem er sich durch ein Gebüsch schlug, und sprang Layla mit ausgebreiteten Armen in den Weg. »Ruhig!«, befahl er. »Steh!« Layla versuchte, ihm auszuweichen, aber er fasste nach dem Zaumzeug und hielt die Stute fest.

      Die Frau hing schreckensstarr im Steigbügel und sah ihn an. Endlich begann sie zu zappeln und befreite sich. Sie stand auf. In sicherer Entfernung klopfte sie sich das Gras vom Kleid. Ihr zartes Kinn und die gerade Nase wirkten anmutig, nur die Brauen, die beinahe über der Nase zusammenwuchsen, wölbten sich drohend.

      Natürlich. Er hatte Arabisch gesprochen. Das hatte sie erschreckt. Er sagte in griechischer Sprache: »Mein Name ist Arif ibn Haroun ibn Abu Bishr ibn Asad.«

      Sie verzog spöttisch den Mund. »Genug Namen für eine ganze Familie.«

      »Wer bist du?«, fragte er. Als er sah, dass sie ihren Kopf massierte, fügte er hinzu: »Hast du dir wehgetan?«

      »Geht schon.« Sie ließ den Kopf los. »Ich bin Savina. Du bist Araber, nicht wahr?«

      »Ich komme aus dem Jazirat al-Arab.«

      »Das bedeutet?«

      »So heißt unsere große Halbinsel im Süden. Insel der Araber.«

      Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Wenn es da so groß ist, warum bleibt ihr dann nicht dort? Warum kommt ihr hierher und wollt uns unser Land wegnehmen?«

      Weil ihr zum Kaiserreich Byzanz gehört und Byzanz sich nicht unterwerfen will, wollte er sagen. Er brachte es nicht über die Lippen, während er in das bezaubernde Gesicht der Mondfrau sah.

      Sie sagte: »Lass dich hier nicht mehr blicken! Die Wächter machen mit Arabern kurzen Prozess.« Sie drehte sich um und lief den Berg hinauf. Auf halber Höhe wandte sie sich noch einmal um. »Worauf wartest du? Verschwinde, ehe ich die Wächter rufe!«

      Er blickte ihr weiter nach. Erst als sie nicht mehr zu sehen war, saß er auf und schnalzte mit der Zunge. Zögerlich ritt die Stute an, als fiele es ihr schwer, die Mondfrau zu verlassen.

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