Der Kuss des Feindes. Titus Müller
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Название: Der Kuss des Feindes

Автор: Titus Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783961224111

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СКАЧАТЬ seine Hiebe mit solcher Kraft geführt, dass Rüstungen darunter zerbarsten. Diese Kraft besaß Arif nicht. Trieb man ihn in die Enge und kam es auf ein Kräftemessen an, so versagte er. Aber in einem übertraf er alle anderen: Er war schnell.

      Er drehte sich um und zog in derselben Bewegung sein Schwert.

      Yusuf, der das erwartet hatte, sprang zurück und hielt seine Klinge vor sich.

      Aber zu spät, Arif war mit seinem Schwert unter Yusufs Deckung hindurchgetaucht und von links wieder aufgestiegen. Er hielt es ihm an die Kehle. »Du bist zu langsam, Yusuf.«

      Yusuf Zakariyya ließ sein Schwert sinken. Er hielt angestrengt den Hals still, um sich nicht an Arifs Klinge zu verletzen. »Diesmal«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.

      »Nimm zurück, was du gesagt hast.«

      Yusuf zögerte, aber als Arif den Druck der Klinge auf seine Kehle verstärkte, krächzte er: »Ich hab’s nicht so gemeint.«

      Natürlich hast du es gemeint, dachte Arif, du hältst mich für feige. Er senkte sein Schwert. »Wenn ich wirklich keinen Mut hätte, würde ich wohl kaum allein zu den Ungläubigen reiten. Ihr könnt übrigens gern mitkommen und euch dort mit den richtigen Feinden messen, wenn ihr euch das traut.«

      Nuh und Yusuf entglitten die Gesichtszüge. »Das erlaubt dein Vater nicht«, sagte Nuh.

      »Er hat es erlaubt.«

      »Sie werden dich umbringen«, sagte Yusuf. »Die schlitzen dich auf.«

      Arif zuckte die Achseln. Er steckte das Schwert zurück in die Scheide und ging weiter in Richtung der Koppeln. Sein Körper fühlte sich an, als sei eine neue Quelle der Kraft in ihm aufgebrochen. Ja, es war Zeit. Sie mussten endlich erkennen, wozu er in der Lage war.

      Layla, seine Stute, stand wie immer abseits. Sie war von hässlicher, fahlroter Farbe und ihr Fell war voller Narben. Sie hielt es mit anderen Pferden nicht aus. Kamen sie ihr zu nahe, wurden sie fortgejagt. Die Leitstuten ließen sich das nicht gefallen und bissen ihr wütend die Flanken wund.

      Er trat an sie heran und strich ihr beruhigend über die Nüstern. »Bist du bereit für ein Abenteuer? Ich muss mich auf dich verlassen können. Es geht um alles.« Er legte der Stute das Zaumzeug an, warf die Decke und den Sattel auf ihren Rücken und zog die Gurte straff.

      Nuh und Yusuf standen am Rand der Koppel und beobachteten ihn. Ihre Gesichter waren ernst. Seit Arif denken konnte, waren sie seine Feinde gewesen, sie und ihr Bruder Marwan. Sie rechneten Marwan den Vorrang auf die Führerschaft im Stamm aus, das ließen sie Arif bei jeder Gelegenheit spüren. Seltsam, dass sie ihn jetzt besorgt anblickten, als wünschten sie sich, er würde verschont bleiben.

      Arif führte Layla zum Tor der Koppel und öffnete es. Er brachte sie hinaus, schloss das Tor wieder und stieg auf ihren Rücken.

      »Eine gute Jagd!«, sagte der Wachposten.

      »Danke.« Ich gehe nicht jagen, dachte Arif, beugte sich nach vorn und flüsterte: »Auf in die Berge.« Er drückte Layla die Fersen in die Seiten. Sie machte einen kleinen Satz, tänzelte ein wenig zur Seite. Schließlich galoppierte sie hinaus auf die Ebene. Ihr Körper streckte sich unter Arif, ihre Hufe donnerten auf den Boden. Laylas Atem ging stetig, sie genoss den Galopp genauso wie er.

      Er sah sich um. Sie zogen einen Schweif von Staub hinter sich her, und die Zelte entfernten sich, bald waren es nur noch schwarze Filzfleckchen in der Unendlichkeit der Steppe. Er ließ Marwan, Yusuf und Nuh hinter sich. Auch den Vater und seine Erwartungen. Arif kam es vor, als ließe er sein ganzes Leben zurück, die Feinde und Freunde und Tagespflichten, nur noch die Steppe war da und er verschwand in ihr und wurde Teil der weiten Ebene.

      Er sah wieder nach vorn. In der Steppe verstreut standen verkrüppelte Bäume wie uralte Wächter, sie duckten sich unter den Himmel, das ruhige blaue Meer ohne Wolken. Über den Horizont hinaus erstreckten sich sandfarbene Felskegel. Dahinter lagen, in der flirrenden heißen Luft nur schwer auszumachen, die Berge, in denen sich die Christen versteckten.

      Arif fühlte sich jeden Tag, als sei er versehentlich in einen Stamm und eine Familie hineingeboren worden, die nicht seine waren. Hier draußen atmete er frei. Die Ebene nahm ihn gerne auf.

      Gerade war der Ramadan zu Ende gegangen, der Fastenmonat. Sie hatten das Id al-fitr gefeiert, das Ende der Fastenzeit. Es war das fröhlichste Fest im Jahr, man aß und trank und lachte. Aber wenn die anderen sich vergnügten, fühlte er sich noch weniger zugehörig. Sie staunten nicht über das Gras, das der Wind streichelte, und die Gazellen und die Hasen. Sie hörten nicht die leise Melodie der Feldlerchen. Stattdessen schlugen sie ihre Trommeln und tanzten, kauten, schluckten, stampften auf den Boden und schlugen sich auf die Schenkel.

      Er hatte sich zurückgezogen, doch Marwan und seine Bande hatten ihn gefunden. Als er bei den Pferden im Gras saß und in die Ferne lauschte, schlichen sie sich von hinten an und warfen mit Erdklumpen nach ihm. Die Klumpen zerplatzten auf seinem Rücken.

      Er blieb sitzen und versuchte, sie zu ignorieren. Während er so tat, als spürte er ihre Treffer nicht, feixten sie hinter ihm. Er wollte nicht aufstehen, wollte niemanden sehen, er wollte einsam sein mit der Steppe, warum begriffen sie das nicht?

      »Treffer! Habt ihr’s gesehen?«

      »Der hat gesessen!«

      »Zielt mal auf den Kopf.«

      Ein staubiger Lehmbrocken zerplatzte an seinem Hinterkopf in kleine Teile. Da sprang Arif auf. Er warf sich der Bande entgegen, trat und schlug zu. Bis Marwan ihn packte, ihn zu Boden stieß und verprügelte, dass ihm Hören und Sehen verging. Jeder seiner Versuche, sich zu befreien, war gescheitert. Der Anführer der Zakariyyas hatte ihn mit überlegener Kraft unten gehalten. Seit jener Nacht waren Arifs Arme übersät von blauen und roten Flecken.

      Es tat ihm gut, dem Zeltlager zu entkommen. Wenn er mit der Nachricht heimkehrte, dass er die Christen aufgespürt hatte, er allein, dann würde sich sein Leben ändern. Er hätte mehr Mut bewiesen als die Krieger, die immer nur in großen Trupps ausschwärmten. Damit würde er seiner Familie die Führerschaft zurückerobern und man würde ihm endlich wieder mit Respekt begegnen.

      Arif zügelte die Stute. Näher durfte er an die Berge nicht heranreiten, solange es Tag war. Die Ungläubigen hatten sicher Späher in den Klüften aufgestellt. Die Staubwolke, die er aufwirbelte, konnte man weithin sehen. Ein wachsamer Krieger mit scharfen Augen erblickte in dieser Ebene jeden Reiter. Es war besser, wenn er erst in der Nacht die Berge erreichte.

      Der Galopp war ein Vergnügen gewesen. Von jetzt an musste die Vernunft regieren, wenn er am Leben bleiben wollte. »Teil dir deine Kräfte ein, Layla. Du wirst sie noch brauchen.« Er sprang ab. Das Fell der Stute glänzte von Schweiß, ihr Atem ging stark und trotzdem stampfte sie unruhig mit den Vorderhufen im Sand. Arif lachte. »Ich weiß, dass du noch weiterkannst.« Auch ihn zog es voran. »In ein paar Stunden geht die Sonne unter. Bis dahin warten wir. Hab ein bisschen Geduld.«

      Er kniete sich in den Sand und streichelte die dürren Grashalme. Überall war Leben. Selbst in diesem Landstrich, wo es selten regnete. Als sich Laylas Atem beruhigt hatte, zog er seine Jacke aus und breitete sie vor sich hin. Mit etwas Sand wusch er sich die Hände. Dann wusch er auf die gleiche Weise die Lippen, die Nase, den rechten Unterarm, den linken Unterarm, das Gesicht. Er strich sich über den Kopf, die Ohren, den rechten und den linken Fuß.

      Nachdem er sich so auf das Gebet vorbereitet hatte, verneigte er sich Richtung Süden, nach Mekka СКАЧАТЬ