Название: Der Malaiische Archipel
Автор: Alfred Russel Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Путеводители
Серия: Edition Erdmann
isbn: 9783843804233
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Ich bin geneigt, die Dajaks in Betreff ihrer intellektuellen Kapazität über die Malaien zu stellen, während sie, was ihren moralischen Charakter anlangt, unzweifelhaft höher stehen. Sie sind einfach und ehrlich und werden den malaiischen und chinesischen Händlern zur Beute, die sie beständig betrügen und plündern. Sie sind lebhafter, geschwätziger, weniger geheimnisvoll und weniger misstrauisch als die Malaien und sind daher angenehmere Gesellschafter. Die malaiischen Knaben neigen wenig zu Scherz und Spiel, welche einen charakteristischen Zug in dem Leben der jungen Dajaks ausmachen, welche neben den Spielen im Freien, in denen ihre Geschicklichkeit und Kraft zur Geltung kommen, eine Menge von Unterhaltungen sich im Haus zu verschaffen wissen. Als ich an einem nassen Tage mit einer Anzahl Knaben und junger Leute in einem Dajak-Haus zusammen war, glaubte ich sie mit etwas Neuem unterhalten zu können, indem ich ihnen zeigte, wie man mit einem Stückchen Band die »Katzenwiege« (cat’s cradle) machen könne. Zu meinem großen Erstaunen kannten sie es ganz genau und sogar besser als ich; denn nachdem ich und Charles alle Variationen, die wir machen konnten, gezeigt hatten, nahm einer der Knaben es mir aus der Hand und machte verschiedene neue Figuren, die mich ganz in Verlegenheit setzten. Dann zeigten sie mir eine Anzahl anderer Späße und Stückchen mit Band, und es schien diese Art der Unterhaltung sehr beliebt bei ihnen zu sein.
Selbst diese scheinbar unbedeutenden Dinge können dazu dienen, uns eine der Wahrheit entsprechendere, günstige Ansicht von dem Charakter und den sozialen Verhältnissen der Dajaks zu bilden. Wir lernen daraus, dass diese Völker über die erste Stufe des wilden Lebens herausgekommen sind, auf welcher der Kampf ums Dasein alle Kräfte absorbiert und jeder Gedanke mit Krieg und Jagd oder mit der Befriedigung der notwendigsten Bedürfnisse zusammenhängt. Diese Unterhaltungen weisen auf eine Fähigkeit zur Zivilisation, eine Anlage, sich anderer als nur sinnlicher Vergnügungen zu erfreuen, welche man vorteilhaft dazu verwenden könnte, ihr ganzes intellektuelles und soziales Leben zu heben.
Der moralische Charakter der Dajaks steht zweifellos hoch – eine Behauptung, die denen sonderbar vorkommen wird, die nur von ihnen als von Kopfabschneidern und Piraten gehört haben. Die Hügel-Dajaks aber, von denen ich spreche, sind nie Seeräuber gewesen, da sie sich nie der See nähern; und das Kopfabschneiden ist eine Sitte, die in den kleinen Kriegen zwischen Dorf und Dorf und Stamm und Stamm entstand und welche nicht in höherem Maße einen schlechten moralischen Charakter dokumentiert, als etwa die Sitte des Sklavenhandels vor hundert Jahren einen Mangel allgemeiner Sittlichkeit bei allen denen, welche daran teilnahmen, beweist. Gegen diesen einen Flecken in ihrem Charakter (der bei den Sarawak-Dajaks z. B. nicht mehr existiert) haben wir viele lichte Stellen zu verzeichnen. Sie sind wahrhaft und ehrlich in einem bemerkenswerten Grade. Aus diesem Grund ist es oft unmöglich, von ihnen irgendeine bestimmte Auskunft oder nur eine Meinung zu erhalten. Sie sagen: »Wenn ich erzählen wollte, was ich nicht weiß, so würde ich lügen.« Und wenn immer sie freiwillig eine Tatsache berichten, so kann man sicher sein, dass sie die Wahrheit sprechen. In einem Dajak-Dorf haben alle Fruchtbäume ihre Eigentümer, und es ist mir oft passiert, dass, wenn ich einen Einwohner bat, mir etwas Obst zu pflücken, er mir antwortete: »Ich kann es nicht, denn der Eigentümer des Baumes ist nicht hier.« Und sie schienen nie die Möglichkeit einer anderen Handlungsweise auch nur zu überlegen. Auch werden sie nicht das Geringste von dem nehmen, was einem Europäer gehört. Als ich am Simunjon wohnte, kamen sie beständig in mein Haus und sammelten Stückchen zerrissener Zeitung oder verbogene Stecknadeln, welche ich weggeworfen hatte, auf und erbaten es sich als große Gunst, sie behalten zu dürfen. Verbrecherische Gewalttätigkeiten (andere als Kopfabschneiden) sind fast unbekannt; denn in zwölf Jahren war unter Sir James Brookes Regierung nur ein Fall von Mord in einem Dajak-Stamm vorgekommen, und dieser eine war von einem in den Stamm adoptierten Fremden begangen worden. In verschiedenen anderen Punkten der Sittlichkeit stehen sie über den meisten unzivilisierten und selbst über vielen zivilisierten Nationen. Sie sind mäßig in Speise und Trank, und die grobe Sinnlichkeit der Chinesen und Malaien ist unter ihnen unbekannt. Sie haben den gewöhnlichen Fehler aller Völker in einem halbwilden Zustand – Apathie und Trägheit; aber wie langweilig das auch für einen Europäer sein mag, der mit ihnen in Berührung kommt, so kann es doch nicht als eine sehr belastende Sünde angesehen werden oder ihre vielen vortrefflichen Eigenschaften überdecken.
Während meines Aufenthalts unter den Hügel-Dajaks frappierte mich sehr die scheinbare Abwesenheit jener Ursachen, von denen man gewöhnlich annimmt, dass sie der Vermehrung der Bevölkerung Einhalt tun, trotzdem ganz bestimmte Anzeichen davon da waren, dass die Zahl stationär blieb oder nur sehr langsam wuchs. Die günstigsten Bedingungen für eine rapide Vermehrung der Bevölkerung sind: Überfluss an Nahrung, gesundes Klima und frühzeitige Heiraten. Alle diese Bedingungen sind hier vorhanden. Das Volk produziert viel mehr Nahrung, als es konsumiert, und tauscht den Überschuss gegen Gongs und Metallkanonen, alte Krüge und Gold- und Silberschmuck ein, in welchen Dingen ihr Reichtum besteht. Im Ganzen scheinen sie sehr frei von Krankheit zu sein, Heiraten werden früh geschlossen (aber nicht zu früh) und alte Junggesellen und alte Jungfern sind ebenfalls unbekannt. Wieso also, so müssen wir fragen, resultierte nicht eine größere Bevölkerung daraus? Wieso sind die Dajak-Dörfer so klein und so weit auseinander, während noch
Von allen Ursachen zur Abnahme der Bevölkerung unter wilden Nationen, die Malthus nennt – Hungersnot, Krankheit, Krieg, Kindermord, Unsittlichkeit und Unfruchtbarkeit der Frauen – scheint er die letztgenannte als die am wenigsten wichtige anzusehen und als eine von zweifelhafter Bedeutung; und doch scheint sie mir die einzige zu sein, die den Stand der Bevölkerung unter den Sarawak-Dajaks erklären kann. Die Bevölkerung Großbritanniens wächst derart an, dass sie sich in ungefähr fünfzig Jahren verdoppelt. Damit das zustande kommt, muss jedes verheiratete Paar durchschnittlich drei Kinder im Alter von ungefähr 25 Jahren verheiraten. Zieht man noch die in Rechnung, welche im Kindesalter sterben, welche nie heiraten, oder welche spät heiraten und keine Kinder bekommen, so müssen aus jeder Ehe im Durchschnitt vier oder fünf Kinder hervorgehen, und wir wissen ja, dass Familien mit sieben oder acht Kindern gewöhnlich und mit zehn und zwölf durchaus nicht selten sind. Aber ich erfuhr durch meine Nachforschungen bei fast jedem Dajak-Stamm, den ich besuchte, dass die Frauen selten mehr als drei oder vier Kinder bekommen, und ein alter Häuptling versicherte mich, dass er nie eine Frau gekannt habe mit mehr als sieben. In einem Dorf von hundertundfünfzig Familien lebte nur eine mit sechs Kindern und nur sechs mit fünf Kindern, die Majorität hatte zwei, drei oder vier. Vergleicht man diese Tatsachen mit den bekannten Verhältnissen in europäischen Ländern, so leuchtet ein, dass die Zahl der Kinder aus jeder Ehe kaum im Durchschnitt mehr als drei oder vier sein kann; und da selbst in zivilisierten Ländern die Hälfte der Bevölkerung vor dem fünfundzwanzigsten Lebensjahre stirbt, so würden nur zwei übrig bleiben, um ihre Eltern zu ersetzen; solange dieser Zustand anhält, muss die Population stationär bleiben. Dies soll die Sache natürlich nur illustrieren, aber die Tatsachen, die ich festgestellt habe, scheinen anzudeuten, dass etwas der Art in Wirklichkeit stattfindet, und wenn dem so ist, so kann man unschwer die kleine und fast stationäre Bevölkerungszahl der Dajak-Stämme verstehen.
Wir müssen zunächst nach der Ursache der geringen Anzahl von Geburten und von in einer Familie lebenden Kindern fragen. Klima und Rasse können wohl Einfluss darauf haben, aber ein mehr den Tatsachen entsprechender und ausreichender Grund scheint mir in der harten Arbeit der Frauen und in den schweren Lasten zu liegen, welche sie beständig tragen. Eine Dajak-Frau verbringt im Allgemeinen den ganzen Tag im Feld, trägt jede Nacht eine schwere Last von Gemüse und Holz zum Feuern nach Hause, oft mehrere Meilen weit über raue und hügelige Pfade, und hat nicht selten felsige Berge auf Leitern zu erklimmen und über schlüpfrige Schrittsteine Erhöhungen von tausend Fuß anzusteigen. Daneben hat sie abendlich eine Stunde zu tun, um den Reis mit einem schweren Holzstampfer zu zerstoßen, was jeden Teil des Körpers heftig anstrengt. Schon mit neun oder zehn Jahren tut sie es und ohne Unterbrechung bis ins äußerst gebrechliche Alter. Sicherlich brauchen wir uns nicht über die begrenzte Zahl ihrer СКАЧАТЬ