Imperium USA. Daniele Ganser
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СКАЧАТЬ kontrollieren, hat sich nichts geändert. Louis Brandeis, Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, hatte einst weise gesagt: »Wir können in diesem Land eine Demokratie oder großen Reichtum, konzentriert in den Händen von wenigen, haben, aber nicht beides.«69

       Die Superreichen bestimmen die Politik

      Der Präsident ist der oberste Befehlshaber der US-Streitkräfte und daher der formell mächtigste Mann im Lande. Der Präsident führt die Kriege und steht im Fokus der Medien und auch der Historiker. Doch hinter dem Präsidenten ziehen die Superreichen die Fäden und bestimmen, wer überhaupt ins Weiße Haus einzieht. Die Präsidentschaftswahlen, die in den USA alle vier Jahre mit viel Getöse und einem erbitterten Kampf zwischen Republikanern und Demokraten durchgeführt werden, erlauben dem Volk nur, aus einer Auswahl von Reichen ihren Favoriten auszuwählen. Niemals könnte jemand aus der Mittelschicht oder gar Unterschicht zum Präsidenten gewählt werden, wenn er nicht von den Superreichen unterstützt wird, weil diesen Bevölkerungsgruppen die finanziellen Mittel für den Wahlkampf fehlen. Zu konkreten Sachfragen, also zum Beispiel zum Angriff auf den Irak 2003, werden die US-Bürger nicht befragt, ihre Meinung zählt nicht, weil die USA keine direkte Demokratie sind. Solche Entscheide fällt allein der Präsident, zusammen mit seinem mächtigen Nationalen Sicherheitsrat (NSC) und dem Kongress, und dies immer in enger Abstimmung mit den Wünschen der Superreichen, die sowohl das Weiße Haus und auch den Kongress steuern.

      Der frühere amerikanische Präsident Jimmy Carter bestätigte 2015, dass in den USA die Superreichen die Fäden der Macht in der Hand halten. »Heute sind die USA eine Oligarchie. Politische Bestechung entscheidet darüber, wer als Präsidentschaftskandidat nominiert und zum Präsidenten gewählt wird«, so Carter resigniert. »Und dasselbe gilt für die Gouverneure der Bundesstaaten, wie auch für die Senatoren und die Abgeordneten des Kongresses.« Über finanzielle Zuwendungen bestimmen die Superreichen, wer Präsident wird und wer in den Kongress einzieht. Alle US-Präsidentschaftskandidaten müssen mindestens über 300 Millionen Dollar für den Wahlkampf verfügen, erklärte Carter im Gespräch mit der bekannten US-Fernsehjournalistin Oprah Winfrey. So viel Geld können Menschen aus der Unterschicht und Mittelschicht niemals aufbringen. Nicht nur das Weiße Haus, sondern auch der Senat mit seinen 100 Abgeordneten, wie auch das Repräsentantenhaus mit seinen 435 Abgeordneten, seien fast vollständig in den Händen der Superreichen. Zwischen den Demokraten und den Republikanern gäbe es diesbezüglich keine Unterschiede, so Carter, und eine einflussreiche dritte Partei gibt es in den USA nicht. »Die Stelleninhaber, sowohl Demokraten als auch Republikaner, sehen diesen unbeschränkten Geldfluss als großen Vorteil für sich. Wer schon im Kongress sitzt, kann seinen Einfluss teuer verkaufen«, erklärt Carter. »Wir sind jetzt eine Oligarchie geworden anstatt einer Demokratie«, beklagt Carter. »Und ich glaube, das ist der größte Schaden an den fundamentalen ethischen und moralischen Standards des amerikanischen politischen Systems, den ich je in meinem Leben gesehen habe.«70

      Solche Aussagen hört man in den US-Medien nur sehr selten. Es ist verdienstvoll, dass Oprah Winfrey, die mit einem geschätzten Vermögen von fast drei Milliarden Dollar selbst zu den Superreichen gehört, die Kritik von Carter auf ihrem eigenen Fernsehsender ausgestrahlt hat. Denn die Aussage ist brisant und wichtig. Als früherer Präsident kennt Carter die politischen Prozesse in den USA genau. Und weil er nicht mehr im Amt ist, kann er seine Meinung als Pensionär offen kundtun. In den deutschsprachigen Massenmedien in Europa wurde die Analyse von Carter aber ignoriert. Die Leitmedien ARD, ZDF, ORF, SRF, Spiegel, Süddeutsche Zeitung und Neue Zürcher Zeitung bezeichnen die USA weiterhin als Demokratie und nicht als Oligarchie, wodurch die tatsächliche Herrschaft der 300000 Superreichen verschleiert wird.

      Große US-Unternehmen wie der Rüstungskonzern Lockheed Martin, der Erdölkonzern ExxonMobil, der Onlinehändler Amazon, die Investmentbank Goldman Sachs oder der Vermögensverwalter Black Rock beschäftigen eine Vielzahl von Lobbyisten, um die Interessen der Superreichen, die deckungsgleich mit den Interessen der größten US-Unternehmen sind, durchzusetzen. Die schwachen US-Gewerkschaften und Umweltschutzverbände sind dagegen fast machtlos. »Die größten Unternehmen beschäftigen teilweise mehr als 100 Lobbyisten, was es ihnen ermöglicht, überall und jederzeit präsent zu sein«, erklärt US-Politologe Lee Drutman, der an der Johns Hopkins University unterrichtet. Unternehmen deklarieren jedes Jahr mehr als 2,6 Milliarden Dollar an Aufwendungen für Lobbyarbeit. »Für jeden Dollar, den Gewerkschaften und öffentliche Interessenvertretungen aufbringen, wenden Großunternehmen und ihre Verbände mittlerweile 34 Dollar auf.«71

      Hin und wieder werden Vertreter ins Repräsentantenhaus gewählt, die sich weigern, den Superreichen zu dienen. Zu diesen mutigen Politikerinnen zählt Alexandria Ocasio-Cortez aus New York. Im Januar 2019 zog sie mit nur 29 Jahren als jüngste Abgeordnete ins Repräsentantenhaus ein. »Wir haben ein System, das grundlegend kaputt ist«, kritisierte die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez während einer Sitzung des Kongressausschusses für Kontrolle und Reformen in Washington. Wer Präsident werden möchte, könne seinen Wahlkampf durch Ölfirmen und die Pharmaindustrie finanzieren lassen und danach, sobald er im Weißen Haus ist, die Gesetze im Sinne der Erdölindustrie und Pharmaindustrie anpassen. Daher seien die USA in der Hand der Konzerne und ihrer Besitzer, der Superreichen.72

      In meinem Heimatland, der Schweiz, treffen sich jedes Jahr die Superreichen aus ganz verschiedenen Ländern und diskutieren mit einflussreichen Politikern und Wirtschaftsführern im verschneiten Bergdorf Davos beim World Economic Forum (WEF). Im Januar 2015 erklärte dort US-Ökonom Nouriel Roubini von der New Yorker Stern School of Business gegenüber Bloomberg, dass sich die USA in eine Plutokratie, also eine Herrschaft der Reichen, verwandelt haben. Der Graben zwischen Arm und Reich werde in den USA immer größer, beklagte Roubini. »Eigentlich sollte in einer Demokratie das Prinzip gelten: Jeder Stimmbürger eine Stimme«, so Roubini. Doch die Macht der Superreichen habe in den USA dazu geführt, dass diese nun die Zügel der Macht in der Hand halten und über Lobbys und ihre Vertreter im Parlament die Gesetzgebung nach ihrem Gutdünken steuerten. »Wenn man darüber nachdenkt, kommt man zu dem Schluss, dass die USA nun ein System der legalisierten Korruption haben«, so die scharfe Kritik des Ökonomen. »Jene mit viel Geld haben einen größeren Einfluss als jene mit wenig Geld. Wir haben keine echte Demokratie in den USA, es ist eine Plutokratie.«73

       US-Wähler haben kaum Einfluss auf die Politik

      Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen diese Aussage des Ökonomen Roubini. Im April 2014 berichtete die BBC mit Bezug auf eine Studie der Universität Princeton, dass die USA »eine Oligarchie, keine Demokratie« mehr sind. Es war eine jener seltenen Meldungen, bei der die europäischen Medien die USA korrekt als Oligarchie bezeichneten. »Die USA werden durch eine reiche und mächtige Elite dominiert«, erklärte die BBC richtig. Die Autoren der Princeton-Studie, die Professoren Martin Gilens und Benjamin Page, hatten die Situation in den USA sehr systematisch untersucht. Sie hatten einen Zeitraum von zwei Dekaden (1981 bis 2002) ausgewertet, in welchem durch öffentliche Umfragen die Meinung der US-Bevölkerung zu insgesamt 1779 verschiedenen Sachfragen erhoben und dokumentiert worden war. Für jede der Sachfragen konnten Gilens und Page angeben, ob die US-Bevölkerung mehrheitlich dafür oder dagegen war. Zudem verwendeten die Forscher nur Umfragen, bei denen auch das Einkommen der Befragten erhoben worden war, also die Klassenzugehörigkeit. Diese Daten glichen sie mit den tatsächlichen Entscheidungen der US-Politiker ab und fanden heraus, dass die Entscheidungen der Politiker gar nicht mit den Wünschen der Masse der Bevölkerung übereinstimmten, und dass die Wünsche der Unterschicht und Mittelschicht ignoriert werden.74

      »Die Wünsche des durchschnittlichen Amerikaners scheinen nur einen ganz kleinen, fast nicht vorhandenen und statistisch nicht signifikanten Einfluss auf die Politik zu haben«, fanden die Forscher der Universität Princeton heraus. Daher könne man nicht von einer Herrschaft des Volkes СКАЧАТЬ