Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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      p. s. er ist so ein guter Graf er erinnert mich an sie alle haben in so gern.«

      »Hast du denn oft Heimweh nach deiner Mama?« fragte der Graf, nachdem er die nicht ganz leichte Lektüre beendet hatte.

      »Ja,« sagte Fauntleroy, »sie fehlt mir immer.«

      Er legte die Hand auf des Grafen Knie und sah ihm fragend in die Augen.

      »Du hast nie Heimweh nach ihr?« sagte er nachdenklich.

      »Ich kenne sie ja nicht,« versetzte Mylord ziemlich bärbeißig,

      »Das weiß ich und das wundert mich immer. Sie hat mir gesagt, ich soll keine Fragen darüber an dich richten, und ich will das auch nicht, aber daran denken muß ich doch sehr oft und mich darüber besinnen. Aber ich frage dich gewiß nicht. Wenn ich sehr Heimweh nach ihr habe, dann geh' ich in mein Zimmer und sehe hinaus und da kann ich jeden Abend durch eine Lücke in den Bäumen ihr Licht sehen, 's ist weit weg, aber sie stellt es ans Fenster, sobald es dunkel ist, und ich seh' es schimmern und weiß, was es mir sagt.«

      »Was sagt es denn?«

      »Es sagt: ›Gute Nacht! Schlaf wohl in Gottes Hut!‹ Das hat sie jeden Abend zu mir gesagt und morgens hat sie immer gesagt: ›Gott sei mit dir, mein Kind.‹ Und siehst du, so bin ich ja immer ganz in Sicherheit,«

      »Gewiß! Zweifle nicht daran!« bemerkte der Graf trocken, aber er sah den Knaben so lange und unverwandt an, daß dieser gar gern gewußt hätte, was der Großvater dachte.

      Die Sache war die, daß der Großvater in letzter Zeit an vieles dachte, was ihm früher nie in den Sinn gekommen war, und all diese Gedanken hatten in der einen oder andern Weise Bezug auf seinen Enkel. Der Stolz war der stärkst ausgeprägte Zug seines Wesens, und diesen befriedigte der Junge in jeder Hinsicht, und dieser Stolz war es, durch den der Graf zuerst wieder Interesse am Leben gewann. Er hatte es tragen müssen, nicht nur, daß seine Söhne ihm Kummer und Schande gemacht, sondern auch, daß die Welt dies erfahren und gewußt hatte. Nun war es ein nachträglicher Triumph, dieser Welt einen Erben zeigen zu können, an dem auch das schärfste Auge keinen Tadel oder Fehl entdecken konnte. Er machte nun gern Zukunftspläne, und zuweilen überkam ihn ein bittrer Schmerz darüber, daß seine Vergangenheit nicht so war, wie das arglose Kindergemüt sie voraussetzte, und ihm bangte oft innerlich vor der Möglichkeit, daß ein Zufall dem Kinde verraten könnte, daß man seinen Großvater mehr als ein Menschenalter lang den wilden Dorincourt genannt hatte, und daß dann die braunen Augen sich mit einem Ausdruck des Schreckens auf ihn heften könnten. Er hatte so viel zu denken, daß er häufig die Gicht vergaß, und nach einiger Zeit fand der Arzt seinen Patienten in einem so erfreulichen Gesundheitszustande, wie er ihn nie mehr für ihn zu hoffen gewagt hatte – vielleicht, daß es dem alten Egoisten auch körperlich wohl that, nicht mehr allein an sich zu denken, es war wenigstens eine bisher nicht an ihm versuchte Kur!

      Eines schönen Morgens waren die Leute höchlichst erstaunt, Lord Fauntleroy, in ganz andrer Begleitung, als der seines Grooms ausreiten zu sehen. Der neue Begleiter ritt einen schweren, mächtigen Schimmel und war kein andrer, als der Graf in Person. Fauntleroy hatte diesen großen Gedanken angeregt, indem er eines Morgens beim Aufsteigen bemerkte: »Ich wollte nur, du kämest auch mit. Das Reiten macht mir gar nicht so viel Freude, weil ich dann immer denke, wie ganz allein du in dem großen Schlosse bist,« und dabei sah er den Großvater erwartungsvoll an.

      Ein paar Minuten darauf herrschte unerhörte Aufregung im Stalle; es war der Befehl eingetroffen, daß Selim für Seine Herrlichkeit gesattelt werden solle. Von da an ward Selim fast täglich gesattelt, und die Leute gewöhnten sich ganz daran, den großen alten Herrn mit den weißen Haaren und dem scharf geschnittenen, noch immer schönen Gesichte auf dem wuchtigen, breit gebauten Schimmel zu sehen, und daneben den hübschen braunen Pony mit Lord Fauntleroy. Während dieser gemeinsamen Ritte wußte Cedrik immer viel zu plaudern in seiner heiteren, harmlosen Weise, und der Großvater wurde allmählich über »Herzlieb« und ihr Leben aufs genaueste unterrichtet und schien seinem kleinen Freunde nicht ungern zuzuhören. Zuweilen hieß er ihn dann galoppieren und sah ihm mit wahrer Herzensfreude nach, wenn der Bursche stramm und flott dahinsauste, und wenn er dann zum Großvater zurückkehrte, seine Mütze schwenkend und ihm ein lustiges »Hallo« entgegen schmetternd, fühlten beide, daß sie sehr gute Freunde geworden waren.

      Der Graf erfuhr auch bald, daß die Mutter seines Erben kein müßiges Leben führte; er erfuhr, daß sie den Armen und Kranken wohl bekannt war und daß der leichte Brougham unfehlbar vor jedem Hause hielt, wo Sorge oder Krankheit eingekehrt war.

      »Denke dir,« berichtete Ceddie, »wo sie nur sich zeigt, sagen die Leute: ›Gott segne Sie‹, und die Kinder laufen herbei, um ihr die Hand zu geben. Den größeren gibt sie auch Nähstunde bei sich und sie sagt, sie komme sich nun so reich vor, daß sie den Armen helfen müsse.«

      Es war dem Grafen keine unangenehme Entdeckung gewesen, daß seines Enkels Mutter hübsch und in ihrer ganzen Erscheinung eine vollkommene Dame war; auch daß sie bei den Leuten beliebt war, behagte ihm. Und doch kam es oft wie Eifersucht über ihn, wenn der Junge von seiner Mutter sprach, und er hätte die erste Stelle in dem jungen Herzen einnehmen mögen.

      An diesem Morgen zeigte der Graf von einer kleinen Anhöhe aus mit seiner Peitsche auf das unermeßlich weite, blühende Land vor ihnen.

      »Weißt du eigentlich, daß das alles mir gehört?« fragte er Cedrik.

      »Wahrhaftig? Das alles dir – dir ganz allein?« rief der Junge aus.

      »Und weißt du auch, daß es eines Tages dein Eigentum sein wird?«

      »Meins?« sagte Fauntleroy, mehr erschrocken, als erfreut. »Wann?«

      »Nach meinem Tode.«

      »Dann will ich's nicht. Du sollst nie sterben, Großvater!«

      »Nett von dir,« bemerkte der Graf trocken. »Trotzdem wird es eines Tages so kommen und du bist dann Graf Dorincourt.«

      Der kleine Lord schwieg einen Augenblick und sah in die weite, grüne Ebene hinaus, in der das Dorf zerstreut lag, dann seufzte er tief auf.

      »Woran denkst du?« fragte der Graf.

      »Ich denke, daß ich doch noch ein recht kleiner Junge bin, und dann auch an das, was Herzlieb mir gesagt hat.«

      »Was hat sie dir denn gesagt?«

      »Sie sagt, es sei gar nicht leicht, reich zu sein, und daß, wenn man so viel besitze, es einem leicht geschehen könne, zu vergessen, daß andre weniger haben, und daß man daran immer denken müsse, wenn man reich sei. Ich hab' ihr erzählt, wie gut du seiest, und da hat sie gesagt, das sei um so mehr ein Glück, als ein Graf so große Macht in Händen habe, und wenn er nur an sich denken würde, könnte das für viele ein Unglück sein. Und nun hab' ich eben all die vielen Häuser angesehen und hab' mich besonnen, wie ich's wohl machen werde, um immer zu wissen, was die Leute brauchen, wenn ich Graf bin. Wie hast denn du das gemacht?«

      Da Seine Herrlichkeit an seinen Pächtern nur insoweit Anteil nahm, daß er sie fortjagte, wenn sie nicht zahlen konnten, war die Frage etwas schwierig zu beantworten. »Newick besorgt das,« sagte er kurz und strich sich den grauen Schnurrbart. »Wir wollen jetzt nach Hause,« setzte er hinzu, »und wenn du ein Graf bist, so sieh zu, daß du ein besserer wirst, als ich gewesen!«

      Etwa eine Woche nach diesem Ritt kam Fauntleroy, mit sehr bekümmertem, traurigem Gesicht von dem Besuche bei seiner Mutter zurück. Er setzte sich auf den hochlehnigen СКАЧАТЬ