Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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      »Still Kind, ganz still... Ich helfe dir in allem.«

      »Und jetzt, wenn wir die Professoren überstanden hätten. Wenn sie Harro nur ein Fetzchen Hoffnung machen, dies oder jenes würde mir gut tun, so wird er sich darauf stürzen. Wenn das überstanden wäre, Uli, und die schon wieder davon gesurrt wären mit ihrem Auto...«

      Die beiden Herren kamen am Morgen an mit dem Herrn Hofrat, und die schneeblasse Rosmarie wurde ihnen ausgeliefert. Ihre sanften Augen waren ganz finster und sie war kaum zu den notwendigsten Antworten zu bringen. Über Harro brausten wieder alle Furien. Er stand oben am Fenster neben dem Saaleingang und wartete. Endlos, wie es ihm schien. Nun kamen die Herren heraus und gingen sofort in das Eßzimmer, wo sie sich einschlossen.

      Harro wollte zu seiner Frau hinein, aber Ulrike duldete es nicht, sie sei von der Untersuchung zu sehr angegriffen. Endlich ging die Tür auf, die Herren kamen heraus, und der Älteste, eine sehr liebenswürdige, sympathische Persönlichkeit, winkte den Hausherrn herein. Dann ging eine Flut von Worten über ihn hernieder. Der Zustand Ihrer Durchlaucht entspreche allerdings nicht ganz den Erwartungen, die Professor B. zu hegen sehr viel Grund gehabt habe. Nun wurde dem Herrn Hofrat in seiner Behandlung ein vorsichtiges Lob erteilt, und jeder der Herren machte einige Vorschläge. Ihre Durchlaucht solle zu gehen versuchen, und noch anderes wurde gewünscht. Im nächsten Jahr vielleicht eine Kur in Nauheim. Eine längere Kur. Für den Augenblick war zwar der Aufenthalt auf Thorstein denkbar günstig, die Höhenlage, die reine Luft und Ruhe. Harros unruhige Augen irrten von einem der fein ausgemeißelten Gesichter zum andern, die so gar nichts verrieten. Dann erhoben sich die Herren, ein Frühstück lehnten sie ab, da sie von Brauneck kamen und dort bei Seiner Durchlaucht gefrühstückt hätten. Harro atmete tief und stützte seine Hand auf den Tisch, daß die Eichenplatte knarrte. Und seine Augen, seine wilden, flammenden Augen herrschten sie an und er sagte:

      »Sonst haben mir die Herren nichts zu sagen!«

      »Wir sind zu jeder Auskunft gern bereit, Herr Graf.«

      »Diese Kur in Nauheim, was versprechen Sie sich davon, warum erst im nächsten Jahre? Der Winter ist lang.«

      Wieder eine Flut von Worten über unerwartete Folgeerscheinungen, unglückliche Narbenbildung möglicherweise...

      Der Herr Hofrat steht sachte auf und geht auf die Terrasse. Harro sieht ihn hinausgehen und wird blaß bis an die Lippen ... Er hört gar nicht mehr, was sie sagen... dann rafft er sich zusammen.

      »Sie sprechen vom nächsten Jahre, von einer Kur im nächsten Jahr...«

      Der Königsberger erhob sich. »Herr Graf, wir sprechen nur von einer Eventualität.«

      Einen Augenblick sieht es aus, als ob Harro sich auf ihn stürzen wolle... »So, von einer Eventualität. Ich muß, mich in Ihren Ausdrücken erst zurechtfinden...«

      »Ein solches Leiden, das ist immer unberechenbar... wir hoffen natürlich das Beste... und müssen uns gefaßt machen, es wäre ein Unrecht, es zu verschweigen. Auch auf eine plötzliche Änderung, Herr Graf.«

      Harro verneigt sich.

      »Der Herr Hofrat wird Sie ja in allem beraten.«

      Dann tutet das Auto und die Herren werden von der alten Gräfin und Harro hineinkomplimentiert. Der Herr Hofrat ist verschwunden, der sitzt an Rosmaries Bett und hält die zuckende Hand.

      »Nein, Durchlaucht, wir haben nichts Schlimmes beschlossen, ganz und gar nach Ihren Wünschen, hier oder in Brauneck, und mit dem Herrn Grafen werde ich jetzt einen kleinen Gang machen.«

      Als das Auto hinter den Bäumen verschwunden ist, wendet sich Harro zu der alten Dame: »Nun, Tante, für einen Menschen, dem eben sein Todesurteil präsentiert worden ist, habe ich mich doch gut benommen.«

      »Harro,« fleht die alte Dame, »laß das Kind nicht deine wilden Augen sehen, es ängstigt sich wieder um dich.«

      Der Herr Hofrat berührt sanft seinen Arm. »Gehen wir ein wenig zusammen, Herr Graf.«

      In dem davonfliegenden Auto sagt der Königsberger zu dem Berliner Kollegen: »Ein ganz unheimlich eruptiver Mensch, dieser Graf Thorstein, und eine sehr sonderbare junge Dame ebenfalls. Ich diagnostiziere auf eine unglückliche Ehe.«

      »Na, hören Sie mal, er sah doch nicht aus, als ob er seine Frau los zu werden wünsche, mehr als ob er sich auf uns stürzen wolle, weil wir ihm nichts Besseres sagen konnten.«

      »Ja, aber die Dame! Eisig gleichgültig, als ob es sich gar nicht um sie handle... sie sah auch beständig nach der Türe..., als ob sie etwas erwarte, vielleicht ihren Feuerbrand von Gemahl.«

      »Es könnte auch sein,« darauf der Berliner, »daß sie eine äußerst geringe Meinung von unserer Kunst hätte... oder sie gar nicht wünsche.«

      »Unglücklich verheiratet und von ihrem Leiden bereits so zermürbt, daß sie sich aus dem Rest nichts mehr macht. Nur als wir ihr sagten, daß wir sie jetzt zu keiner Kur fortbringen wollten, wurde sie gnädiger und taute ein wenig auf. Aber das Schicksal oder der Zustand des Herrn von Thorstein schien sie gar nicht zu interessieren. Nicht eine einzige Frage, Herr Kollege... Die Dame ist unglücklich verheiratet, das dürfen Sie mir glauben.«

      Siebenundvierzigstes Kapitel.

       Die eine Stunde

       Inhaltsverzeichnis

      Harro und der Hofrat schlenderten im Garten auf und ab, Harro eine Gerte in der Hand, mit der er nachlässig seine Beinkleider bearbeitete.

      Wer sie so gesehen hätte an dem Hochsommermorgen in dem schönen Besitztum, der konnte sie für ein paar genießende Menschen halten, denen die gewöhnlichen Sorgen und Kümmernisse fern standen, die sich weder in Bureaus noch Kontoren plagen mußten.

      Der Hofrat läßt alle hoffnungsvollen Möglichkeiten spielen, die er von irgend welchen Anzeichen herleiten konnte. Harro schlug mit seiner Gerte und schwieg. Und der Hofrat erzählte ihm einen Fall, wo sich eine halbe Fakultät getäuscht hatte. Plötzlich befreite sich Harro mit einem Ruck von dem Arm des alten Herrn.

      »Entschuldigen Sie, ich sehe dort...«

      Er ging ins Haus und war verschwunden. Und Ulrike und der Hofrat mußten allein die harrende Rosmarie trösten und beruhigen.

      »Er geht wieder in die Wälder,« klagte Rosmarie, »und nun können Wochen vergehen, ohne daß er an sein Bild kommt. Oh, warum mußten diese Menschen kommen und ihn quälen!«

      Es wurde Abend, bis Harro zurückkam, barhäuptig, in seinem alten Filzhut trug er einen jungen munteren Igel. Klein Heinz war noch auf, und vor seinen Augen wurde das interessante Tier auf die Terrasse gesetzt und dort mit einem Regenwurm gefüttert, den es mit lautem Schmatzen verzehrte.

      Das ganze Goldhaus hallte wider von Heinz' Jubelgeschrei und dem Gebell des kleinen Fips. Rosmarie wollte wissen, was es gäbe. »Harro ist zurückgekommen, und sie spielen mit einem Igel!«

      »Ich möchte es auch sehen,« bat Rosmarie, »oh, wie bin ich froh, daß Harro da ist.«

      Dann kamen Vater und Sohn mit der Beute ins Schlafzimmer, nur Fips mußte draußen bleiben, СКАЧАТЬ