Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 155

СКАЧАТЬ lösten sich, die eine Hand streckte sich wie verschämt glücklich mach etwas aus. Nicht nach ihm. Denn ihre weit offenen Augen sahen ihn nicht. Wie versteint steht er da... Ist das das allerletzte... Ist das schon gekommen... Er weiß es nicht. Sie flüstert etwas, er kann es nicht verstehen. Ihre Stirn ist marmorweiß und so königlich, daß er meint, er sehe die feinen Linien zum erstenmal. Dann schließen sich ihre Augen ganz leise, ihr Kopf sinkt wieder zurück, ganz hingegeben in einer sanften Ruhe. Das Rot vergeht auf den Lippen, sie wendet sich ein wenig auf die Seite, was sie sonst nie tun kann, und nun schläft sie ein. Den Kopf an die Kissen gedrückt wie ein müdes Kind. Leise legt er die Palette weg und eilt hinüber.

      »Uli, ich weiß nicht, die Rose, die Rose, sie stirbt oder wird wieder gesund. Sieh sie dir an, komm. Sie schläft.«

      Sie gehen vorsichtig hinüber. Die Rose schläft wirklich, aber nur ist sie so blaß und müde in ihrem Schlaf, daß Ulrike ihm zuflüstert: »Harro, was soll ich denn da von gesund werden sehen?«

      Und sie setzt sich neben ihr Kind. Harro dreht seine Leinwand herum, daß sie die Malerei nicht sehen kann. So wartet er, und Tante Ulrike verbietet ihm sie anzusehen, weil sie gleich davon im Schlaf zusammen zucke.

      Rosmarie hat einen langen erquickenden Schlaf getan und ist wieder aufgewacht. Sie haben ihr zu essen gebracht, und sie hat mit ihnen gegessen, und darüber ist's fast Abend geworden. Tante Uli geht hinüber, um nach dem kleinen Heinz zu sehen, und Harro sitzt noch da vor seiner umgedrehten Staffelei.

      Da fragt sie ihn ganz freundlich und einfach, wie sie sonst immer nach den Sitzungen zu tun pflegte: »Nun, Harro, wie ist es geworden? Zeig es mir doch.«

      Er senkt seinen Kopf. »Rosmarie, du hast eine unsägliche Geduld mit mir.«

      »Warum denn, Harro... Die brauche ich doch gar nicht?«

      »Die brauchst du nicht! Ich stehe vor mir selbst und frage mich, was ich sagte, wenn man mir dies von einem andern erzählt hätte. In früheren Zeiten, meine ich. Wo man nicht wußte, wieviel Dämonen in der Seele wohnen können.«

      »Dreh die Leinwand um, Harro, und mache die Krone hell!«

      »Ach nein, Rose...«

      »Ja warum denn nicht, Harro?... Ich habe nicht das mindeste Mitleid mit ihr. Namentlich jetzt nicht, übrigens geht mich das Modell gar nichts mehr an, ich bin jetzt wieder Rosmarie von Thorstein, geborene Prinzessin von Brauneck, Durchlaucht. Laß mich sehen... Wehe dir, wenn du aus Mitleid etwas daran verpinselt hast. Auch dein Mitleid ist unnötig...«

      Harro gehorchte... Das Licht flammte auf. Rosmarie betrachtete kritisch die große Skizze, die in Farben ausgeführt eine Riesenarbeit für die kurze Zeit war. Sie schwieg, und Harro mußte das Bild öfters hin und her wenden, bis sie befriedigt war.

      Dann seufzte sie auf und sagte: »Einige Teilnahme muß man ihr doch gewähren, Harro ... Feig ist sie gottlob nicht. Das wollte ich auch wissen. Harro, komm her! Ich muß deine Augen küssen, über die du so gestöhnt hast. Deine geliebten Augen.«

      Er kam langsam her und kniete vor ihr nieder, daß ihre Augen in die seinen tauchten. »Rosmarie,« fragte er, »woher hast du plötzlich den Heiligenschein bekommen?«

      Sie errötete ein wenig. »Ja, Harro, du mußt nicht wieder über deine Augen stöhnen. Gott hat sie dir gegeben, deine goldenen Fensterlein!«

      »Ach, red nicht von mir, Seele. Woher kam dir das plötzlich? Plötzlich habe ich meinen Augen nicht mehr geflucht. Dein Gesicht veränderte sich. Ich werde noch eine Skizze machen, Rose... Was träumte dir oder was sahst du?«

      »Wenn du auch davon eine Skizze machst, sage ich es dir. Sonst nicht. Denn deine Augen sollst du nicht mehr nach Jammer suchen lassen und dem andern dich verschließen.«

      »Die Skizze bekommst du, bis du aufwachst morgen früh, Rose. Mit dem ersten Tagesanbruch, sobald das Licht genügt, fang ich an.«

      »Ach, du Liebster. Nun sollst du es wissen. Es ist nicht das erstemal, Harro, daß ich diesen Traum hatte. Immer, wenn es gerade so weit ist, daß ich... nun... aber dann... dann werde ich getröstet. Sie ist da, Gisela. Sie... Dann weicht der Schmerz zurück, ganz leicht wird mir.«

      »So erlöst dich das?«

      »Es erlöst mich... oh, mehr als das –« »Rose, du weißt alle meine Geheimnisse, sage mir, ich muß das wissen, das ist auch noch eine Wunde, die in mir schwärt... An jenem Tag. Im Saal, Rose!« er atmete schwer. »Rose, sie haben dir nicht... nein, es würgt mich. Sprich du...«

      Sie verstand ihn. »Daran denkst du noch? Sie konnten wohl nicht, Harro, und sie ahnten, daß ich doch bewußtlos werden würde... Und sie hatten auch wohl recht, denn es geschah alles wie ein wenig von ferne. Und sehr viele Nebel hingen um mich, aber daß du mich allein lassen mußtest, tat mir doch weh. Und mit einem Male zerrissen die Nebel. Es geschah etwas mit mir, es ist ja vorbei, ich rede nur davon, daß du auch nicht mehr in Gedanken daran herumtasten und dich etwa bedrängen lassen mußt.«

      »Sag alles, Rose. Schone mich nicht.«

      »Ich schone dich auch nicht. Es geschah etwas mit mir, etwas Unmögliches. Und gefesselt hatten sie mich auch, da dachte ich: das ist das Kreuz, so war es!... Nackt und verlassen unter den fremden Menschen. Da warf jemand einen Schleier über mich und bedeckte mich... Und da sah ich sie. Ich sah nur ihr Antlitz, ihre blauen Flammenaugen ... Sie sprach zu mir: Nein, das Kreuz, das war etwas anderes. Ich weiß, was es war. Bist du denn verlassen? fragte sie mich. Bist du denn getrennt von Gott? – Ich sah sie an, ach, ich brauchte sie so nötig. Ich lag ja unter ihrem Schleier, aber so fern von mir geschah das alles doch nicht. Und ich hörte auch, was die Herren sprachen, und daß sie sich verwunderten. Von dem Schleier wußten sie nichts. Und noch mehr Dinge sah ich, die nicht im Saal waren. Dich sah ich ausgestreckt auf Märts Bett mit einem Wassertrug daneben. Es sah aus, als wärest du im Gefängnis. Ich erschrak sehr und sagte zu ihr: Du solltest dorthin gehen mit deinem Schleier... Da sagte sie etwas Wunderliches. Sie sagte: Geh selbst! – Ich bin doch angefesselt. – Sieh, du kannst es, wenn du willst. – Es war mir aber zu, schwer, einen Augenblick meinte ich, ich sei ihnen entschlüpft. –Aber du mußt es wohl nicht gefühlt haben...! und dann wurde der Schleier bleischwer, und ich versank in eine Dunkelheit, und wie ich die Augen wieder aufmachte, da wickelten sie mich in weiße Binden ein, und es war mir sehr schlimm zumute. Und dann trugen sie mich herunter. Und dann ist nichts mehr zu sagen ...«

      Harro hat lautlos zugehört, seine Augen hingen an ihren Lippen. Dann erhob er sich und streckte seine Arme aus. »So, das wäre vorüber. Das wäre auch vorüber. Ich werde wieder in meinen Saal gehen. Ich werde so viel Mut haben wie Märt. Das war die Hypnose des Herrn Professors. So sah sie aus.«

      Die Rose fuhr fort: »Ich wollte dir doch heute eine Geschichte erzählen ... Du wolltest aber nicht. Wirst du mich morgen anhören?«

      »Du darfst nicht mehr reden ... Liebste ...«

      »Ach, sie ist nur so kurz, die Geschichte ... Ich drehe sie herum, daß sie ganz klein ist ... Ich pflücke ihr nur die Blüte heraus, Harro ... Die klagenden Bäume, die Reiher, das finstere Wasser, die Augen aus der Tiefe, nimm die gelben Asphodelen vorn hinweg. Gib uns Raum, mir und ihr. Mal dir den alten bitteren Greuel vom Herzen. Mal deinen Jammer, es werden schon Stunden kommen, wo ich das Modell dazu wieder bin. Die sind dann nicht umsonst. Male das schönste Bild. Du weißt: aus dem Schmerzensgrund steigt die himmlische Rose, wenn der Atem Gottes über sie hinweht ...«

      Harro fing an, in dem Atelier hin und her zu wandern, der Geist trieb und bedrängte ihn ... Rosmarie sah nach ihm СКАЧАТЬ