Öfter war auch Rat bei dem Herzoge.
Als vierzehn Tage seit der großen Versammlung vergangen waren, geschah die Einweihung der Kirche des heiligen Veit.
Der Herzog Wladislaw kam an dem Festtage mit dem Gefolge aller seiner Hofherren und der Lechen und Führer und Herren der Länder Böhmen und Mähren vor die Kirche. Die Herzogin kam mit ihren Frauen. Guido kam mit seinem Geleite. Es kamen Otto, der Bischof von Prag, Zdik, der Bischof von Olmütz, und Daniel, der Propst, und die Erzpriester und Priester von Prag und die Äbte der Klöster, und die Nonnen, und die Pröpste und Priester und Pfarrer aus vielen Teilen der Länder, und selbst aus der Fremde. Es kam ein Teil der Krieger Wladislaws, und es kam unzähliges Volk. Mehr als tausend Scharen von Menschen sind von allen Seiten der Länder Böhmen und Mähren zu dem Feste der heiligen Kirche Böhmens gekommen. Die Herbergen hatten sie nicht gefaßt, und sie lagerten unter dem freien Himmel.
Auf einem Platze abseits der Kirche, der mit unbehauenen Schranken umgeben war, knieeten mit entblößtem Haupte, mit bloßen Armen, mit nackten Füßen und in Gewänder von grober Leinwand gekleidet, Konrad, Wratislaw, Otto, Leopold, Spitihnew und Wladislaw, die Sprossen aus dem Stamme Premysls.
Die Weihe der äußeren Teile der Kirche wurde begonnen.
Alle, die vor ihr waren, knieeten in Andacht auf die Erde nieder. Es kniete der Herzog mit den Seinigen, die Herzogin mit den Frauen, alle Priester, die nicht bei der heiligen Handlung mitwirkten, und alle anderen. Es war der ganze Berg mit knienden Menschen voll.
Unter den Frauen der Herzogin knieete Dimut, und betete. Sie war in ein schwarzes Gewand gekleidet, und ihre Augen waren gegen die Erde gewendet.
Da die Heiligung vor der Kirche vollendet war, wurden ihre Tore geöffnet, und die Priester und der Herzog und die Herzogin und die Hofherren und die Herren der Länder und Krieger und Volk gingen in dieselbe.
Die mährischen Fürsten blieben auf ihrem Platze knien, da sie nicht in die Kirche gehen durften, weil sie in dem Banne waren.
In der Kirche wurde die Weihe ihrer inneren Teile begonnen, und dann war ein feierlicher Gottesdienst. Nie waren so viele und so hohe Kirchenherren bei einem Feste zugegen. Die Kirche war mit Menschen erfüllt. Und die Menschen vor der Kirche knieeten dicht an einander, und weit über den Berg hinab knieten sie, und manche warfen sich auf die Erde, und beteten und weinten.
Als die Feier in der Kirche vollendet war, ging der Zug des Herzogs, der Herzogin, des Hofes, der kirchlichen Herren und der Herren der Länder wieder aus der Kirche.
Da der Zug an den mährischen Fürsten vorüber ging, lagen diese mit ihren Angesichtern auf der Erde. Manche Menschen, die vorüber gingen, weinten.
Die Herzogin Gertrud sagte zu ihren Frauen: »Das sind Sprossen des ersten Geschlechtes des Landes.«
Dimut antwortete darauf: »Gott ist allmächtig und herrlich. Er hat mir die Worte eingegeben, die ich im Kampfe gesagt habe: Unsere Heiligtümer sind nicht verloren, wir werden sie wieder aufbauen, und sie werden schöner sein als früher, und hilfreich und gnadenreich. Und die an ihnen gefrevelt haben, werden mit zerrauften Haaren und mit entblößtem Armen auf der Erde liegen, und den Himmel um Barmherzigkeit anflehen. Und so ist es in Erfüllung gegangen.«
Der Herzog, die Männer der Kirche und des Landes, die Krieger und andere gingen an den Fürsten vorüber.
Dann verfloß eine Stunde.
Nach derselben saß der Herzog Wladislaw in dem Schmucke des herzoglichen Gewandes mit Kleinodien und Gold und Edelsteinen geziert auf dem Herzogstuhle vor der Hofburg. Der Kardinal Guido saß auf einem Throne, der für ihn errichtet worden war. Die Bischöfe, Äbte, Erzpriester, Pröpste und Priester und die Hofherren und die Lechen der Länder und die Führer des Heeres und Wladyken und Herren der Zupen standen um den Herzogstuhl und um den Thron, und hinter ihnen rings um sie war Volk, daß ein Mensch an den andern festgedrückt war. Die Herzogin saß in ihrem Schmucke mit ihren Frauen auf dem Söller, und auf anderen Söllern waren andere hohe Frauen mit ihren Gefolgen.
Es wurde nun mit Mühe in der Menge der Menschen eine Gasse gemacht, und durch diese Gasse gingen die mährischen Fürsten vor den Herzogstuhl. An den Seiten jedes Fürsten gingen zwei Männer, und hielten zwei Schwerter über dem bloßen Haupte des Fürsten gekreuzt.
Als die Fürsten auf den freien Raum vor dem Herzogstuhle gekommen waren, knieten sie in den Sand nieder, und hoben die Hände der nackten Arme aus der groben Leinwand empor. Die gekreuzten Schwerter wurden über ihren Häuptern gehalten.
Die Menschen waren alle still.
Da rief Konrad die Worte: »Ich, Konrad, der Sohn Liutolds, aus dem Stamme Premysl, bereue die Sünde, welche ich durch den Kampf gegen den rechtmäßigen Herzog von Böhmen und Mähren, Wladislaw, begangen habe, ich tue Buße, will Genugtuung leisten, und bitte den hocherlauchten Herzog und Herren des Stammes, daß er mir verzeihe, wie mir Gott verzeihen möge.«
Dann rief Wratislaw: »Ich, Wratislaw, der Sohn Ulrichs, aus dem Stamme Premysl, bereue die Sünde, welche ich durch den Kampf gegen den rechtmäßigen Herzog von Böhmen und Mähren, Wladislaw, begangen habe, ich tue Buße, will Genugtuung leisten, und bitte den hocherlauchten Herzog und Herren des Stammes, daß er mir verzeihe, wie mir Gott verzeihen möge.«
Und Otto, und Leopold, und Spitihnew und Wladislaw riefen nach einander die nämlichen Worte.
Als sie geendigt hatten, schwieg der Herzog eine kleine Zeit, und das Volk sah auf ihn.
Da öffnete er den Mund, und rief: »Entfernet die Schwerter.«
Die Schwerter wurden entfernt.
Dann rief der Herzog: »Stehet auf.«
Die Fürsten erhoben sich, und standen aus dem Sande auf.
Dann rief der Herzog: »Empfindet die Reue, tut Buße, und leistet Genugtuung vor Gott dem Richter, und er wird euch durch den Mund der Kirche verzeihen. Ich verzeihe euch, und verlange keine andere Genugtuung als künftig Treue gegen mich. Konrad, ich setze dich in dein Besitztum Znaim mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Wratislaw, ich setze dich in dein Besitztum Brünn mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Otto, ich setze dich in dein Besitztum Olmütz mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Leopold, Spitihnew und Wladislaw, ich setze euch in alle eure Bezüge und Gebühren wieder ein, wie sie vor dem Kriege gewesen sind, und will sie vermehren. Jetzt gehet in eure Herbergen, kommt dann wieder, und teilet heute mein Brot mit mir an meinem Tische.«
Und wie es stille gewesen war, daß man die Worte aus dem Munde des Herzoges wie eine Glocke in klarer Luft vernommen hatte, so wurde jetzt ein Schrei, der durch die Wolken des Himmels drang. Nach dem Schrei kamen die Worte: »Heil, Segen, Glück, Freude Wladislaw, dem guten Herzoge.«
»Wladislaw, dem guten Herzoge«, tönte es immer fort, und »Glück«, »Segen«, »Heil« tönte es fort.
Frauen und Mädchen aus dem Volke lösten Schleifen oder Blumen aus ihren Gewändern, ließen sie durch Männer vorwärts geben, und vor den Herzogstuhl zu den Füßen des Herzoges werfen. Männer nahmen nun Federn oder Bänder oder anderen Schmuck von ihren Hauben und ließen sie auch vor die Füße des Herzoges legen.
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