Название: Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth
Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027226405
isbn:
PAUL
Meinst vielleicht auch: ich morde?
MUTTER
Dir trau ichs zu!
PAUL
grinst: Ihm freilich nicht!
MATHILDE
Still, es liegt ja ein Toter im Zimmer –
ILSE
Sie ist verrückt.
MUTTER
Wer: sie?! Beschimpft ihr mich wieder? Immer wieder! Hinaus aus meiner Wohnung! Hinaus mit euch, ihr Pack! Hinaus!
Stille.
Weinerlich. Gott, jetzt vergaß ichs wieder: hab ja keine Wohnung mehr. Alles wurd mir genommen – Kinder, meine Kinder, warum folgt ihr mir nie? Wenn der Vater nur noch lebte –
PAUL
Wär es anders gekommen.
MUTTER
schlägt plötzlich um: Ja: Du hättest kuschen müssen!
PAUL
Und du auch.
MUTTER
Lüg doch nicht immer! Was weißt denn schon du?
PAUL
Nur was ich sah.
MUTTER
Was du nicht sahst, darauf kommt es an. Weißt du denn wie er war, da du noch nicht warst? Weißt du, wir haben uns oft im Café getroffen. Man soll gar nicht darüber reden – du hättest ihn nicht wiedererkannt: er hat mich auf Händen getragen. Jaja, Vater war ein kräftiger Mann. Aber seit er damals so über Nacht alles verlor – da mußt ich ihn tragen. Hab schon viel getragen. Zuviel. Hab euch getragen, zuerst im Bauch, dann am Buckel – doch bevor ich zusammenbreche, werf ich euch ab! Hört ihr? Ab! Will keine Kinder, bin keine Mutter! Will frei sein! Werf euch ab! Ilse, nimm den Finger aus der Nase! Und – wenn er, dieser Klamuschke kommt, so sagt ihm, ich, das Fräulein, bin bereits im Unterholz und will in den windstillen Wald. Sie verbeugt sich. Empfehle mich, meine Herrschaften! Ihr Hunde! Brüllt, flennt, heult – ich höre nichts! Nichts! Glotzt doch nicht so dämlich! Ab durch die linke Türe.
MATHILDE
setzt sich.
ILSE
hält plötzlich auf die Haustüre zu.
PAUL
Wohin?
ILSE
Fort.
PAUL
Zum Müller?
Ilse schweigt, lauert. Hast recht. Ilse ab. Stille.
MATHILDE
Es gibt keine Gerechtigkeit.
PAUL
Wie gerne du dich quälst.
MATHILDE
Ich weiß, daß du unempfindlich bist.
PAUL
Was heißt das?
MATHILDE
verwirrt: Gott, was hab ich nur wieder gesagt?! Paul! Es ist zu furchtbar, Alles! Wollte ja etwas anderes –
PAUL
unterbricht sie: Nein. Das wolltest du nicht.
MATHILDE
Schweig! Sonst seh ich es noch ein! Oh, was soll man denn nur tun?
PAUL
Auf den Arzt warten.
MATHILDE
weint: Himmel –
PAUL
Laß das! Der liebe Gott spielt Skat im himmlischen Bilderbuch und hört uns nicht, wenn es überhaupt so etwas gibt!
MATHILDE
Ich bin aus anderem Holz. Spürs, wenn man mich schlägt.
PAUL
Ich auch. Aber das Martyrium reizt mich nicht. Ich weiß: manchmal hassest du mich, genau wie sie, weil ich aus dem Unabänderlichen nie mein Gefühlskapital erhöhe. Doch ich leide weder wegen gleicher Eltern noch laß ich mich für fremde Taten bestrafen.
MATHILDE
Aber das ist ja gar nicht wahr!
PAUL
Es muß wahr sein! Sonst gehen wir unter.
Der Morgen graut. Mathilde setzt sich. Paul tritt ans Fenster.
MATHILDE
sieht nach dem Fenster, nach Paul; fröstelt: Ein neuer Tag. Mich friert.
PAUL
Mich auch.
Stille.
MATHILDE
Wir müssen uns anziehen.
PAUL
Oder ins Bett legen.
Stille.
MATHILDE
starrt auf Wenzel; dumpf vor sich hin: Er kommt wieder, er kommt wieder – Sie sieht sich scheu um und lauscht; springt dann plötzlich empor und eilt wimmernd auf Paul zu. Du, ich hab solch Angst: um das, das kommen wird – Paul schließt sie in seine Arme.
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