Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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»Aber das ist es ja gerade, was ich Ihnen erzähle, mein Kind. Das ist das Unglück bei allen Verlierenden. Sie können nicht warten. Sie wollen es jetzt haben – ein Haufen Jetons, und dann wollen sie selbst mitspielen. Nun ja, aber dazu kommt es nicht. Und so ist es auch mit Ihnen, die Sie nach einem Tal im Monde jagen. Das ist es mit Billy, der vor Sehnsucht brennt, mir im Pedro zehn Cent abzugewinnen, und mich im stillen verflucht, weil ich Unsinn schwatze.«
»Na ja – Sie hätten eigentlich das Zeug zu einem guten Agitator«, bemerkte Billy.
»Und ich wäre auch ein guter Agitator geworden, wenn ich nicht zu viel damit zu tun gehabt hätte, den ungesetzlich erworbenen Mammon meines Vaters wieder durchzubringen. Es geht mich nichts an. Lassen Sie ihn verfaulen. Sie würden übrigens ebenso verrückt sein, wenn Sie oben auf dem Kuchen säßen. Es kommt alles aus einer Wurzel – blinde Fledermäuse, ausgehungerte Schweine und ekelhafte dreckige Dummköpfe –«
Aber jetzt legte Frau Hall sich ins Mittel:
»Hör jetzt auf, Mark, sonst bist du nachher nur schlechter Laune.«
Er schüttelte seine mächtige Mähne und lachte ein wenig angestrengt.
»Nein, das bin ich nicht«, sagte er. »Ich werde Billy schon zehn Cent im Pedro abgewinnen. Er hat nicht die geringste Chance.«
Saxon und Billy gediehen ausgezeichnet in der lustigen, ausgesprochen menschlichen Atmosphäre Carmels, und sie genossen vollauf das Gefühl, dass sie wirklich etwas galten. Saxon fühlte, dass sie mehr war als eine Wäschereiarbeiterin, die mit einem unter den Gesetzen der Gewerkschaft stehenden Kutscher verheiratet war. Sie war nicht mehr von dem engen Arbeiterklassenmilieu der Pine Street und der umliegenden Straßen bedrängt. Ihr Dasein war reicher geworden. Es ging ihnen physisch, materiell und geistig besser; und all das spiegelte sich in ihren Zügen und in ihrer ganzen Haltung. Sie wusste, dass Billy nie besser ausgesehen und körperlich nie besser in Form gewesen war. Er schwor, dass er einen Harem hätte, und dass sie seine zweite Frau wäre – doppelt so schön wie die erste, die er geheiratet hätte. Und sie erzählte ihm mit ehrbar niedergeschlagenen Augen, dass Frau Hall und einige andere von den verheirateten Frauen an dem Tage, als sie im Carmelfluss geschwommen waren, ihre Gestalt bewundert hätten. Sie hatten sich um sie gesammelt und sie eine Venus genannt, und sie hatten sie veranlasst, sich zu beugen und verschiedene Stellungen einzunehmen.
Billy verstand sehr gut den Hinweis auf Venus, denn in Halls Wohnzimmer stand eine Marmorvenus mit abgebrochenen Armen, und der Dichter hatte ihm erzählt, dass die ganze Welt sie als das Ideal der weiblichen Gestalt anbetete.
»Ich habe immer gesagt, dass du bergehoch über Annette Kellermann ständest«, sagte Billy, und er sah so stolz und siegesbewusst aus, dass Saxon errötete und zitternd ihr brennendes Gesicht an seiner Brust barg.
Die Männer in der kleinen Kolonie äußerten oft ihre Bewunderung für Saxon, und immer auf die gleiche ungenierte Art. Aber sie missverstand es nicht und verlor nicht die Besinnung. Das war nicht zu fürchten, denn ihre Liebe zu Billy war stärker als je. Und sie machte sich auch keiner übertriebenen Bewunderung schuldig. Sie wusste, was er war, und ihre Liebe war nicht blind. Er hatte keine Büchergelehrsamkeit und wusste nichts von Kunst wie die anderen Männer. Seine Sprache war schlecht, das wusste sie gut, und sie wusste auch, dass sich das nie ändern würde. Und doch hätte sie ihn gegen keinen der anderen eingetauscht, nicht einmal gegen Mark Hall mit dem großen Herzen, diesen Mann, den sie ungefähr ebenso liebte, wie sie seine Frau liebte.
Sie fand auch, dass Billy eine gewisse Gesundheit und einen Gerechtigkeitssinn, eine Redlichkeit hatte, die in eben seinem Wesen wurzelte, und die sie höher schätzte als Bücherweisheit und alle Bankkonten. Diese Gesundheit, dieser Gerechtigkeitssinn und diese Redlichkeit waren es, durch die er Hall an dem Abend, als der Dichter sich in seinem Pessimismus verlaufen wollte, in der Diskussion besiegt hatte. Billy hatte ihn geschlagen, nicht durch Gelehrsamkeit, sondern nur, indem er ganz er selber war und ehrlich die Wahrheit, die in ihm lebte, aussprach. Und das beste war – er wusste nicht einmal, dass er den anderen geschlagen hatte, und hatte den ganzen Beifall als gutmütige Neckerei aufgefasst. Aber Saxon wusste es, wenn sie auch kaum sagen konnte, woher, und sie vergaß nie, wie Shelleys Frau ihr hinterher mit leuchtenden Augen zugeflüstert hatte: »Ach Saxon, wie glücklich Sie sein müssen!«
Hätte Saxon versuchen sollen auszudrücken, was Billy für sie bedeutete, so würde sie es mit dem einen Wort »der Mann« gesagt haben. Das war er immer für sie. Die Bezeichnung »der Mann« stand immer in flammender Strahlenglorie vor ihr, wenn sie an Billy dachte. Zuweilen, wenn sie allein war, konnte sie die Freudentränen kaum unterdrücken bei der Erinnerung, wie er irgendeinen Burschen darauf aufmerksam machen konnte, dass er ihm zu nahe trat. »Du trittst mir auf den Fuß. Mach, dass du wegkommst!« Das war Billy. Das war ihr prächtiger Billy. Und dieser Billy war es, den sie liebte. Das wusste sie. Er liebte sie allerdings weniger wild, andererseits aber auch mit größerer Innigkeit und Reife. Es war die Liebe, die dauern sollte – wenn sie nur nicht in die Stadt zurückkehrten, wo all die feinen Regungen der Seele zugrunde gingen und das wilde Tier seine Zähne fletschte.
*
Anfang des Frühlings reisten Mark Hall und seine Frau nach New York. Die beiden japanischen Diener wurden entlassen, und Billy und Saxon zogen in das Haus, um es zu versorgen. Jim Hazard war auch wie alljährlich nach Paris gereist, und wenn Billy ihn auch sehr vermisste, so setzte er doch sein Schwimmen in der Brandung fort. Hall hatte seine beiden Reitpferde in seiner Obhut hinterlassen, und Saxon hatte sich ein sehr hübsches Reitkleid aus gelbbraunem Cord angefertigt, das gut zu ihrem Haar stand. Billy übernahm keine Gelegenheitsarbeit mehr. Als Kutscher verdiente er bei dem Fuhrmann viel mehr, als sie brauchten, und lieber als Geld verdienen wollte er Saxon reiten lehren, und so machte er Tagesausflüge mit ihr durch die Umgegend. Ihr Lieblingsritt ging die Küste entlang nach Monterey, wo er sie in dem großen Del Monte-Bassin schwimmen lehrte, und abends pflegten sie über die Hügel СКАЧАТЬ