Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский
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Название: Gesammelte Werke von Dostojewski

Автор: Федор Достоевский

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204205

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СКАЧАТЬ Petrowitsch fühlte sich offenbar beleidigt; aber er schwieg. Er überlegte angestrengt, was das alles eigentlich zu bedeuten habe. Das Schweigen dauerte wohl eine Minute.

      Unterdessen begann Raskolnikow, der sich bei seiner Antwort ein wenig nach ihm hingedreht hatte, ihn von neuem aufmerksam und mit einer Art von besonderer Neugier zu betrachten, als wäre er vorhin mit der Musterung noch nicht fertig geworden oder als wäre ihm an Lushin etwas Neues aufgefallen; er richtete sich sogar ausdrücklich zu diesem Zwecke vom Kissen auf. In der Tat fiel einem an Pjotr Petrowitschs gesamter äußerer Erscheinung etwas Besonderes auf, und speziell etwas, was zu der Bezeichnung »Bräutigam« stimmte, die ihm soeben in so ungenierter Weise erteilt worden war. Es war sehr augenfällig, daß Pjotr Petrowitsch diese paar Tage in der Hauptstadt schleunigst dazu benutzt hatte, um sich in Erwartung der Braut neu zu equipieren und zu verschönern, ein sehr harmloses und erlaubtes Bestreben. Sogar, daß er mit vielleicht allzu starker Selbstzufriedenheit sich dieser erfreulichen Vervollkommnung bewußt war, konnte bei einem Bräutigam verzeihlich erscheinen. Sein ganzer Anzug war eben erst vom Schneider gekommen, und alles war vortrefflich, abgesehen eben davon, daß alles gar zu neu war und gar zu sehr eine bestimmte Absicht bekundete. Auch der elegante, nagelneue Zylinderhut zeugte von dieser Absicht: Pjotr Petrowitsch ging mit ihm allzu respektvoll um und hielt ihn allzu vorsichtig in den Händen. Auch die entzückenden fliederfarbenen, echt Jouvinschen Handschuhe bezeugten dasselbe, schon dadurch, daß er sie nicht angezogen hatte, sondern nur zum Staate in der Hand hielt. Pjotr Petrowitschs Anzug wies vorwiegend helle, jugendliche Farben auf. Er trug ein hübsches hellbraunes Sommerjackett, helle, leichte Beinkleider, eine ebensolche Weste, feine, frischgekaufte Wäsche und eine ganz leichte Batistkrawatte mit rosa Streifchen; und was das Beste war: es stand ihm alles ausgezeichnet. Sein sehr frisches und sogar hübsches Gesicht sah auch ohnedies jünger aus, als es bei einem fünfundvierzigjährigen Manne zu erwarten gewesen wäre. Ein dunkler Backenbart faßte es auf beiden Seiten in gefälliger Kotelettform ein und verdichtete sich sehr hübsch um das sauber rasierte, glänzende Kinn. Auch daß die erst ganz schwach angegrauten Haare von der Hand eines Haarkünstlers frisiert und gekräuselt waren, gab ihm in keiner Weise ein lächerliches oder dummes Aussehen, wie das sonst gewöhnlich bei frisiertem Haare der Fall ist, da es dem Gesichte eine verzweifelte Ähnlichkeit mit einem Deutschen, der sich trauen läßt, verleiht. Wenn in dieser recht hübschen und gereiften Physiognomie doch etwas Unangenehmes und Abstoßendes war, so hatte das andere Gründe. Nachdem Raskolnikow Herrn Lushin in einer so wenig höflichen Weise betrachtet hatte, lächelte er höhnisch, legte sich wieder auf das Kissen und blickte, wie vorher, nach der Zimmerdecke.

      Aber Herr Lushin hielt seinen Unwillen zurück und war anscheinend gewillt, all diese Sonderbarkeiten vorläufig nicht zu beachten.

      »Es tut mir außerordentlich leid, ganz außerordentlich leid, Sie in einem solchen Zustande zu finden«, begann er von neuem, bemüht, das Schweigen zu brechen. »Hätte ich von Ihrer Krankheit Kenntnis gehabt, so wäre ich früher gekommen. Aber, wissen Sie, die Scherereien mit dem Umzug! … Ich habe außerdem gerade als Advokat eine sehr wichtige Sache im Senat zu erledigen. Ich erwähne gar nicht erst die Sorgen, die auch Sie sich leicht denken können. Die Ihrigen, das heißt Ihre Frau Mutter und Ihre Schwester, erwarte ich stündlich.«

      Raskolnikow bewegte sich langsam, und es hatte den Anschein, als wollte er etwas sagen; seine Miene spiegelte eine gewisse Erregung wider. Fjodr Petrowitsch hielt inne und wartete; aber da nichts weiter erfolgte, fuhr er fort:

      »Jawohl, stündlich. Ich habe ihnen als erste Unterkunft eine Wohnung gesucht …«

      »Wo?« fragte Raskolnikow mit schwacher Stimme.

      »Hier ganz nahe, im Bakalejewschen Hause …«

      »Das ist auf dem Wosnessenskij-Prospekt«, unterbrach ihn Rasumichin. »Da hat der Kaufmann Juschin zwei Stockwerke als Hotel garni eingerichtet, die er vermietet. Ich bin einmal dagewesen.«

      »Ja, es ist ein Hotel garni …«

      »Es ist eine ganz grauenhafte Wirtschaft da – ein Schmutz, ein Gestank! Und berüchtigt ist der Ort auch: es sind da schon schlimme Geschichten passiert. Ja, und weiß der Teufel, was da alles für Volk wohnt! … Ich selbst bin aus einem skandalösen Anlaß hingekommen. Aber billig ist es da.«

      »Ich konnte natürlich nicht so viel Erkundigungen einziehen, da ich selbst eben erst nach Petersburg zugezogen bin«, erwiderte Pjotr Petrowitsch gekränkt. »Es sind übrigens zwei saubere, sehr saubere Stübchen, und da es nur für ganz kurze Zeit ist … Ich habe bereits eine größere, ordentliche Wohnung gefunden, die wir nachher beziehen werden«, sagte er, zu Raskolnikow gewendet. »Sie wird jetzt zurechtgemacht; unterdessen behelfe auch ich mich mit einem möblierten Zimmer, wenige Schritte von hier, bei einer Frau Lippewechsel, in der Wohnung eines jungen Freundes von mir, Andrej Semjonowitsch Lebesjatnikow. Er ist es auch gewesen, der mir das Bakalejewsche Haus empfohlen hat …«

      »Lebesjatnikow?« sagte Raskolnikow langsam, wie wenn er in seinem Gedächtnisse nachsuchte.

      »Ja, Andrej Semjonowitsch Lebesjatnikow; er ist Beamter in einem Ministerium. Kennen Sie ihn vielleicht?«

      »Ja … nein …«, antwortete Raskolnikow.

      »Entschuldigen Sie; es schien mir so, nach Ihrer Frage. Ich bin früher sein Vormund gewesen, … ein sehr liebenswürdiger junger Mann … und bildungseifrig … Es macht mir Freude, mit jungen Leuten zu verkehren; man erfährt da immer, was es Neues gibt.«

      Pjotr Petrowitsch blickte in der Hoffnung auf Zustimmung alle Anwesenden an.

      »Auf welchem Gebiete?« fragte Rasumichin.

      »Auf dem allerwichtigsten Gebiete; um mich so auszudrücken: auf dem Gebiete der kapitalsten Lebensinteressen«, erwiderte Pjotr Petrowitsch, der sich über die Frage zu freuen schien. »Sehen Sie, ich habe seit zehn Jahren Petersburg nicht besucht. Alle diese unsere Neuerungen, Reformen, Ideen, all das hat ja auch uns in der Provinz lebhaft interessiert; aber um klarer zu sehen und alles zu sehen, muß man denn doch in Petersburg sein. Nun, und meine Ansicht ist eben, daß man am meisten lernt und erfährt, wenn man mit unserer jungen Generation umgeht. Und ich muß gestehen: ich habe dabei viel Freude gehabt.«

      »Worüber denn speziell?«

      »Das ist eine sehr umfassende Frage. Ich mag mich irren, aber mir scheint, ich finde da einen klareren Blick, sozusagen mehr Kritik, mehr Tüchtigkeit …«

      »Das ist richtig«, bemerkte Sossimow in seiner gedehnten Redeweise.

      »Da irrst du, an Tüchtigkeit mangelt es«, fiel Rasumichin ein. »Tüchtigkeit läßt sich nur mühsam erwerben und fällt nicht so ohne weiteres vom Himmel. Aber bei uns ist es schon fast zweihundert Jahre her, daß wir uns von jeder Arbeit entwöhnt haben. Ideen sind ja im Umlauf, das mag sein«, fuhr er, zu Pjotr Petrowitsch gewendet, fort, »auch ein Verlangen nach dem Guten ist vorhanden, wenn auch dieses Verlangen sich etwas kindlich ausnimmt; auch Ehrenhaftigkeit findet sich, obwohl die Zahl der Gauner in einer unheimlichen Weise angeschwollen ist; aber Tüchtigkeit ist trotzdem nicht vorhanden.«

      »Da bin ich mit Ihnen doch nicht einverstanden«, erwiderte Pjotr Petrowitsch mit sichtlichem Behagen.

      »Gewiß, Übertreibungen und Unregelmäßigkeiten kommen ja vor; aber man muß doch auch nachsichtig sein; die Übertreibungen zeugen von Eifer für die gute Sache und lassen auf die üble äußere Lage schließen, in der sich die gute Sache befindet. Wenn bis jetzt nur wenig geleistet ist, so ist doch zu bedenken, daß die Zeit nur kurz war, von der Beschränktheit der Mittel gar nicht zu reden. Meiner persönlichen Ansicht nach kann man sogar sagen, daß etwas Erkleckliches geleistet ist: neue nützliche Ideen sind verbreitet; eine Anzahl neuer nützlicher Schriften ist an Stelle der früheren phantastischen und romantischen erschienen; die Literatur СКАЧАТЬ