Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский
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Название: Gesammelte Werke von Dostojewski

Автор: Федор Достоевский

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204205

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СКАЧАТЬ dich denn so?«

      Rasumichin richtete sich gleichfalls auf.

      »Nichts! …« antwortete Raskolnikow mit kaum vernehmbarer Stimme, ließ sich wieder auf das Kissen zurücksinken und drehte sich wieder nach der Wand zu. Alle schwiegen ein Weilchen.

      »Er war wohl ein bißchen eingeschlummert und nun noch halb im Schlafe«, sagte Rasumichin endlich mit einem fragenden Blick auf Sossimow.

      Dieser machte eine leise, verneinende Bewegung mit dem Kopfe.

      »Na, fahr nur fort«, sagte Sossimow. »Was kam dann weiter?«

      »Ja, was dann weiter kam! Sowie Nikolai die Ohrringe erblickt hatte, hatte er keine Gedanken mehr für die Wohnung und für Dmitrij, sondern nahm seine Mütze und lief zu Duschkin, erhielt von ihm, wie bereits bekannt war, einen Rubel, log ihm vor, er habe das Kästchen auf dem Trottoir gefunden, und verjubelte das Geld sofort. Aber was den Mord anlangt, so blieb er bei seiner früheren Aussage: ›Ich habe gar nichts davon gewußt, rein gar nichts; erst zwei Tage darauf habe ich davon gehört.‹ – ›Und warum bist du seitdem verschwunden gewesen?‹ – ›Aus Furcht.‹ – ›Und warum wolltest du dich aufhängen?‹ – ›Vor Angst.‹ – ›Wovor denn?‹ – ›Daß man mich verurteilen würde.‹ – Na, da hast du die ganze Geschichte. Was meinst du nun wohl, was sie daraus gefolgert haben?«

      »Was ist da zu meinen? Es ist eine Spur, wenn auch nur eine unsichere. Ein Faktum. Du verlangst doch nicht, daß sie deinen Anstreicher in Freiheit setzen sollen?«

      »Sie betrachten ihn jetzt geradezu als den Mörder! Sie haben keinerlei Zweifel mehr.«

      »Unsinn, du ereiferst dich zu sehr. Nun, aber wie steht’s mit den Ohrringen? Du mußt doch selbst zugeben, daß, wenn Ohrringe aus der Truhe des alten Weibes an dem Tage des Mordes und in der Stunde des Mordes in Nikolais Hände gelangen – du mußt doch selbst zugeben, daß er sie dann irgendwie bekommen haben muß. Das hat doch bei einer solchen Untersuchung immer schon eine gewisse Wichtigkeit.«

      »Wie er sie bekommen hat! Wie er sie bekommen hat!« rief Rasumichin. »Kannst denn du als Arzt, der du vor allen Dingen die menschliche Natur studieren sollst und dazu mehr Gelegenheit hast als jeder andre – kannst du denn nicht an all diesen Einzelheiten sehen, wes Geistes Kind dieser Nikolai ist? Siehst du denn nicht auf den ersten Blick, daß alles, was er bei den Verhören ausgesagt hat, die heilige Wahrheit ist? Die Ohrringe hat er genauso bekommen, wie er gesagt hat. Er ist auf das Kästchen getreten und hat es aufgehoben!«

      »Die heilige Wahrheit! Und dabei hat er selbst eingestanden, daß er das erstemal gelogen hat!«

      »Höre mich an, höre aufmerksam zu: der Hausknecht und Koch und Pestrjakow und der andre Hausknecht und die Frau des ersten Hausknechts und eine Bürgerfrau, die gerade damals bei ihr in der Stube des Hausknechts saß, und der Hofrat Krjukow, der gerade in dem Augenblick aus einer Droschke gestiegen war und mit einer Dame am Arm in den Torweg trat – diese alle, also acht bis zehn Zeugen, sagen einstimmig aus, daß Nikolai den Dmitrij auf die Erde geworfen hatte, auf ihm lag und ihn prügelte und daß Dmitrij ihn seinerseits an den Haaren gepackt hatte und ihn auch prügelte. Sie liegen mitten im Wege und versperren die Passage; sie werden von allen Seiten ausgeschimpft und liegen da ›wie die kleinen Kinder‹ (dies buchstäblich der von den Zeugen gebrauchte Ausdruck), liegen einer auf dem andern, kreischen und lachen, lachen beide um die Wette, schneiden dabei die komischsten Gesichter und laufen – der eine hinter dem andern her, um ihn zu greifen – wie Kinder auf die Straße hinaus. Hörst du wohl? Und nun bitte ich zu beachten: oben liegen die noch warmen Körper, hörst du, noch warm; denn so hat man sie gefunden! Wenn die beiden, oder auch nur Nikolai allein, den Mord begangen und dazu noch die Truhe aufgebrochen und ausgeraubt hatten oder auch nur irgendwie an dem Raube beteiligt gewesen waren, so erlaube, daß ich dir nur eine einzige Frage vorlege: läßt sich eine solche Seelenstimmung, also das Kreischen, das Lachen, die kindliche Prügelei im Torweg, vereinigen mit Beilen, Blut, verbrecherischer Schlauheit, Vorsicht, Raub? Soeben haben sie einen Mord begangen, vor nur etwa fünf bis zehn Minuten – denn so kommt es heraus, da die Körper noch warm waren –, und auf einmal denken sie gar nicht weiter an die Leichen und die offene Wohnung, obwohl sie wissen, daß in dem Augenblicke Leute dorthin unterwegs sind, denken auch nicht weiter an die Beute, sondern wälzen sich wie kleine Kinder auf der Erde, lachen und ziehen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich! Und dafür sind zehn übereinstimmende Zeugen vorhanden!«

      »Gewiß ist das sonderbar! Selbstverständlich kann es so nicht gewesen sein; aber …«

      »Nein, Bruder, nicht ›aber‹; sondern wenn der Umstand, daß das Ohrgehänge an demselben Tage und in derselben Stunde sich in Nikolais Händen befand, wirklich einen wichtigen Belastungsgrund gegen ihn bildet (dieser Umstand ist jedoch durch seine Aussagen ohne weiteres aufgeklärt worden, so daß der Belastungsgrund noch strittig ist), so muß man doch auch die entlastenden Momente in Erwägung ziehen, und um so mehr, da diese unbestreitbar sind. Aber was meinst du? Werden nach dem ganzen Charakter unsrer Justiz die Behörden ein solches Moment, das sich einzig und allein auf die psychologische Unmöglichkeit, lediglich auf die Seelenstimmung gründet, als ein unbestreitbares Moment gelten lassen, als ein Moment, das alle belastenden sachlichen Momente, wie sie auch immer beschaffen sein mögen, umstößt? Und sind die Behörden einer solchen Anschauung überhaupt fähig? Nein, sie werden es nicht so auffassen, unter keinen Umständen; sie werden sich darauf versteifen, daß das Kästchen bei diesem Menschen gefunden worden ist und er sich hat aufhängen wollen, ›worauf er nicht hätte verfallen können, wenn er sich nicht schuldig gefühlt hätte!‹ Das ist die Hauptfrage, und das ist der Grund, weswegen ich mich ereifere! Ist es dir nun klar?«

      »Ja, das sehe ich, daß du dich ereiferst. Warte mal, ich habe noch vergessen zu fragen: wodurch ist denn bewiesen, daß das Kästchen mit dem Ohrgehänge wirklich aus der Truhe der Alten stammt?«

      »Das ist bewiesen«, antwortete Rasumichin stirnrunzelnd und, wie es schien, verdrossen. »Koch hat das Wertstück wiedererkannt und den Verpfänder genannt, und dieser hat einwandfrei nachgewiesen, daß der Gegenstand ihm gehört.«

      »Schlimm! Nun noch eins: hat irgend jemand diesen Nikolai während der Zeit gesehen, wo Koch und Pestrjafkow das erstemal hinaufgingen, und läßt sich nicht irgendwie sein Alibi beweisen?«

      »Das ist es ja eben, daß ihn niemand gesehen hat«, erwiderte Rasumichin ärgerlich. »Das ist ja das Üble; selbst Koch und Pestrjakow haben, als sie die Treppe hinaufgingen, von den beiden Malern nichts bemerkt; übrigens würde ihr Zeugnis jetzt auch nicht viel zu bedeuten haben. ›Wir haben gesehen‹, sagen sie, ›daß die Wohnung offenstand und also wohl darin gearbeitet wurde; aber wir haben im Vorbeigehen nicht beachtet und können uns nicht erinnern, ob gerade in dem Augenblicke Arbeiter darin waren oder nicht.‹«

      »Hm! … Der ganze Entlastungsbeweis besteht also darin, daß sie einander geprügelt und gelacht haben. Das ist ja allerdings ein starker Beweis; aber … Nun erlaube mal: wie erklärst du selbst denn den ganzen Hergang? Wie erklärst du den Fund der Ohrringe, wenn er sie wirklich da gefunden hat, wo er sie gefunden zu haben angibt?«

      »Wie ich das erkläre? Ja, was ist denn da erst noch zu erklären? Die Sache ist ja völlig klar! Wenigstens ist der Weg, den man bei dieser Untersuchung einzuschlagen hat, deutlich gewiesen, und gerade das Kästchen hat ihn gezeigt. Das Ohrgehänge hat der wirkliche Mörder verloren. Der Mörder befand sich oben in der Wohnung, als Koch und Pestrjakow klopften, und hatte von innen zugesperrt. Koch beging die Dummheit, nach unten zu gehen; da sprang der Mörder heraus und lief gleichfalls hinunter; denn einen ändern Ausweg hatte er nicht. Auf der Treppe versteckte er sich vor Koch, Pestrjakow und dem Hausknecht in der leeren Wohnung, gerade in dem Augenblick, als Dmitrij und Nikolai aus ihr hinausgelaufen waren; er stand hinter der Tür, als der Hausknecht und die beiden andern daran vorbei nach oben gingen, wartete, bis ihre Schritte СКАЧАТЬ