Die Freimaurer. Dieter A. Binder
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Название: Die Freimaurer

Автор: Dieter A. Binder

Издательство: Bookwire

Жанр: Общая психология

Серия: marixwissen

isbn: 9783843800228

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СКАЧАТЬ den weiteren Fortgang seiner Darstellung bestimmt.151 „Die Arbeit des Lehrlings (und jedes Maurers) an sich selbst […] mit dem Meisel der Erkenntnis und dem Hammer des Willens“152 führt zum „behauenen Stein“, der den Gesellen symbolisiert. In diesem Grad steht die soziale Interaktion im Vordergrund, und KNIGGE unterstreicht dabei die Parität des Geschehens:„In der Freundschaft müssen beyde Theile gleichviel geben und empfangen können. Jedes zu große Übergewicht von einer Seite, alles, was die Gleichung hebt, stört die Freundschaft.“153

      Damit postuliert er als allgemeinen Grundsatz menschlichen Umgangs miteinander das Grundprinzip des Verkehrs der Mitglieder einer Loge untereinander. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, wie sehr Logen ein Spiegel der Gesellschaft sind. KNIGGEs Ansprüche an das Individuum korrespondieren eindeutig mit dem „Erkenne Dich selbst!“ des Lehrlings, auf das die Integration, die soziale Kommunikation des Gesellen aufbaut, obwohl KNIGGE zum Zeitpunkt des Erscheinens seiner Schrift auf Distanz zur Maurerei und zu den Illuminaten besonders geachtet hat: „Unter die mancherley schädlichen und unschädlichen Spielwerke, mit welchen sich unser philosophisches Jahrhundert beschäftigt, gehört auch die Menge geheimer Verbindungen und Orden verschiedener Art. Man wird heut zu Tage in allen Ständen wenig Menschen antreffen, die nicht […] wenigstens eine Zeitlang Mitglieder einer solchen geheimen Verbrüderung gewesen wären.“154 Abwehrend stellt er sich der Vorstellung entgegen, dass innerhalb der Logen irgendetwas „Großes und Nützliches“ geleistet werden könnte, was nicht auch „im bürgerlichen und häuslichen Leben“ getan werden könnte. „Wohltätigkeit bedarf keiner mysteriösen Hülle; Freundschaft muß auf freye Wahl beruhn, und Geselligkeit braucht nicht durch geheime Wege befördert werden.“155 Und ausdrücklich hält er fest: „Ich rathe daher nochmals, sich auf diese Mode-Thorheit nicht einzulassen […] und weder ein gutes noch ein böses Urtheil über solche Systeme zu wagen, weil der Grund derselben oft sehr tief verborgen liegt.“156

      KNIGGE beschränkt bewusst seine Vorstellungen auf das Individuum und dessen Verhältnis zur Gesellschaft, eben auf die Erziehung zum „Herrn“; der Schritt darüber hinaus, den die Freimaurerei setzt, bleibt außerhalb seines Diskurses. „Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Sich entscheiden, ob das Leben es wert ist, gelebt zu werden oder nicht, heißt auf die Grundfrage der Philosophie antworten. […] Wenn ich mich frage, wonach ich beurteile, dass diese Frage dringlicher als jede andere ist, dann antworte ich: der Handlung wegen, die sie nach sich zieht. Ich kenne niemanden, der für den ontologischen Beweis gestorben wäre. Galilei, der im Besitz einer bedeutsamen wissenschaftlichen Wahrheit war, widerrief sie mit der größten Leichtigkeit, als sie sein Leben gefährdete. […] Diese letzte Windung an der das Denken schwankt, haben viele Menschen erreicht und gerade auch die Unscheinbarsten. Die einen entsagen dem Teuersten, das sie besaßen: ihrem Leben. Andere, Fürsten im Reich des Geistes, haben entsagt – jedoch durch den Selbstmord des Denkens im Moment seiner reinsten Auflehnung. Die wahre Anstrengung besteht vielmehr darin, sich dort so lange wie möglich zu halten und die barocke Vegetation dieser fernen Gegenden aus der Nähe zu erforschen. Ausdauer und Scharfblick sind bevorzugte Zuschauer dieses unmenschlichen Spiels, bei dem das Absurde, die Hoffnung und der Tod Rede und Gegenrede wechseln.“157 Mit dieser These von Albert CAMUS wird das Spannungsfeld der freimaurerischen Erziehung scharf umrissen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, so man sie nicht als Scheinfrage abtut, kann nur angesichts des Todes diskutiert werden. „Zweimal wird uns in der Freimaurerei der Tod zum Bewusstsein gebracht: zuerst am Beginn unserer Laufbahn im Meditationsraum und sodann bei unserer endgültigen und vollkommenen Einweihung in der Kammer der Mitte.“158

      Das Ritual des 3. Grades, als Psychodrama aufgefasst, hat dieses „unmenschliche Spiel“ als zentralen Inhalt. Der sehr spät ausgeprägte Meistergrad und sein Inhalt sind nirgends überliefert, so dass Hans BIEDERMANN von einer „eher unbeholfen wirkenden Kompilation verschiedener Motive“ spricht, „wobei die Ermordung des Meisters in drei Etappen wohl zu den absonderlichsten Eigenheiten gehört“.159 Augenscheinlich ist dabei die Verklammerung mit den Symbolen der beiden vorangegangenen Grade, wie sie in der bemerkenswerten Instruktion von Maurice SERRE und Poky ROCHARD unterstrichen wird.160

      Als Mysterienspiel ist es eine literarische Fiktion, die ein Modell anbietet, das es in der Realität nicht gibt: Den eigenen Tod erleben, diesen Tod als Neugeburt zu verstehen, und damit die Chance zu erhalten, über das bisherige Leben hinaus zu wachsen, einen Punkt zu erreichen, an dem man die freie Entscheidung, die Wahl hat. Max FRISCH führt uns diese Grundkonstellation in einem modernem Umfeld in seinen Romanen „Stiller“161 und „Mein Name sei Gantenbein“162 ebenso vor Augen wie in seinem Stück „Biografie“.163 Mircea ELIADE interpretiert diesen Vorgang – Geburt, Tod, Wiedergeburt – als „drei Momente ein und desselben Mysteriums“.164 „Das Initiationsszenarium, d.h. Tod und Wiedergeburt, spielt auch in den höher entwickelten Religionen eine bedeutende Rolle.“165 Dieser Ritus wird von ELIADE, gleichgültig in welcher Religion, Gnosis oder Weisheitslehre er auftritt,166 in seiner Grundaussage aufgefasst: „Wer Zugang zum geistigen Leben erlangen will, muss der profanen Seinsweise absterben und neu geboren werden.“167 Den Tod erlebt der Einzelne allein und ausgesetzt, die Wiedergeburt vollzieht sich im Rahmen der Bruderkette, die in den fünf Punkten der Meisterschaft zum Sinnbild einer „totalen Gemeinsamkeit“ wird.168 Das zentrale Thema innerhalb des freimaurerischen Rituals, die Suche nach dem verlorenen Meisterwort, interpretiert BIEDERMANN als ein Suchen „nach gültigen Inhalten“, die „immer fortgesetzt werden muß.“169 Darin liegt die Chance, dass jede Gesellschaft zu jeder Zeit das Verständnis der Vorgänge neu zu adaptieren und damit zu interpretieren vermag.

      In England kam es an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert zu einer entscheidenden Neuinterpretation des Todes, wobei diesem Vorgang eine Vorreiterrolle innerhalb Westeuropas zukam. Der Zusammenhang „zwischen Tod und Sünde oder spirituellem Leiden“ wurde relativiert und ging schließlich unter.170 Der Tod entwickelte zunehmend eine ästhetische Dimension. Diese Entwicklung, die durch die Abkehr der Philosophie und Theologie von der Vorstellung der Hölle getragen wurde, ging zweifellos langsam den Weg von den intellektuellen Eliten zur Massengesellschaft. Das Ritual des Meistergrades kennzeichnet signifikant diesen Wertewechsel und ist in seiner zentralen Symbolik durchaus geläufig.

      ARIÈS verweist auf jene Schmucksammlung in London, deren Belege von der elisabethanischen Zeit bis ins späte 19. Jahrhundert reichen und sich auf den Tod beziehen: Ein durchgehendes Motiv findet er in den kleinen bis kleinsten goldenen Särgen, in denen silberne Skelette oder, als pars pro toto, Locken der Verstorbenen liegen.171 Diese Schmuckstücke – die Särge sind zum Tragen ausgerichtet – korrespondieren mit einer anderen seit dem 16. Jahrhundert in England auftretenden Mode, die durch Totenkopfringe und andere Ringe mit makabren Motiven, etwa ein weinendes Auge, gekennzeichnet ist.172 Derartige Dinge bewegen sich durchaus im Bereich der geläufigen Symbole der Vanitas, erstaunen aber in ihrem nahezu spielerischen Umgang mit dem Tod. Im Rahmen der Darstellung einer weiteren Säkularisierung dieses Phänomens verweist ARIÈS in seiner Studie auf den Einsatz von Toten bei festlichen Inszenierungen, die in dem Hinweis gipfelt, „dass die Freimaurer keinen größeren Widerwillen mehr hatten, bei ihren Initiationsriten einbalsamierte Leichen zu benutzen.“173

      Kehrt man zurück zum Ritual, kann eine weitere Entwicklungslinie im Umgang mit dem Tod festgemacht werden: Es ist der „gute Tod“, der den geschundenen und entstellten Leib des Sterbenden wieder in seiner edlen Schönheit herstellt. Was in einer bewegenden „kollektiven Sensibilität […] bis zum Ende des 18. Jahrhunderts“174 Ausdruck einer spezifischen Frömmigkeit war, mutierte innerhalb des Rituals zum Bild des neuen Meisters. „The Panoply of Death“ des Gentlemans, das im England des 18. Jahrhunderts zwischen dem sichtbaren Zeichen innerhalb von Kirchen und dem mit der Natur verschmelzenden auf den Friedhöfen oszilliert, wird zum Symbol innerhalb der Erzählung des Rituals. Der schlichte „Akazienzweig“ als Hinweis übernimmt die Funktion des Denkmals. Christopher WREN, der Baumeister der St. Pauls Cathedral in London, liefert ein Beispiel für die gebotene Schlichtheit in Verbindung mit dem „Panoply of Death“. Auf seinem Grab in der Krypta der Kathedrale heißt es lapidar: „Leser, wenn Du ein Denkmal suchst, blicke um Dich!“

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