Название: Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 3 – Arztroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Dr. Norden (ab 600) Box
isbn: 9783740930004
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»Meine Kehle ist trocken«, sagte er rauh, aber schon deutlich.
»Sie sollten auch noch nicht viel sprechen. Ich würde Ihnen gern mehr zu trinken geben, aber das darf ich nicht.«
»Wer sind Sie?«
»Schwester Pamela«, erwiderte sie stockend.
Jetzt kam Jenny Behnisch, und Schwester Inge fuhr den Infusionswagen ins Zimmer.
»Wie geht es?« fragte Jenny leise.
»Mir geht es gut«, erwiderte Pamela, aber ihr Blick ruhte voller Mitgefühl auf dem Kranken.
Er reagierte nicht, als Jenny die Kanüle in seinen Arm setzte. Pamela beobachtete, wie die Infusionsflüssigkeit durch den Schlauch tropfte.
Marius schlug die Augen noch einmal auf, sah Jenny an und dann Pamela und der Hauch eines Lächelns legte sich über sein Gesicht. Dann atmete er tief und schlief wieder ein.
Schwester Inge verschwand, Jenny blieb noch zurück und fühlte Marius’ Puls.
»Wir haben es mit einem Patienten zu tun, der nicht nur ein sehr kluger Mann ist, sondern auch ein Muster an Selbstdisziplin«, sagte Jenny. »Sie werden nicht erleben, daß er jammert.«
»Warum muß ein solcher Mensch so leiden?« flüsterte Pamela. Es darf doch nicht geschehen, daß er sterben muß, dachte sie weiter. Sie setzte sich neben sein Bett und faltete die Hände zum Gebet.
*
Mary Campen hatte den Anruf von Jenny Behnisch bekommen, daß Marius die Nacht gut überstanden hatte.
»Ich werde am Nachmittag in die Klinik kommen«, erklärte sie, »aber meiner Schwiegertochter dürfen Sie nicht gestatten, Marius zu besuchen. Sie regt ihn nur auf.«
»Herr Campen hat bestimmt, wer zu ihm darf«, erklärte Jenny.
»Das ist gut. Ich wünsche so sehr, daß er wieder gesund wird.«
Ein frommer Wunsch, dachte Jenny, aber vielleicht werden ihm noch ein paar Jahre geschenkt. Sie hoffte das auch von Herzen und nicht nur deshalb, um ihrer Arbeit eine Genugtuung zu geben.
Clemens Campen stattete seiner Mutter am Vormittag einen Besuch ab. Sie war gerade beim Frühstück.
»Setz dich zu mir«, forderte sie ihn auf. »Martha bringt dir ein Gedeck.«
Martha war gleich dabei, und er lehnte nicht ab. Er hatte noch keinen Bissen gegessen, sich heimlich aus der Wohnung entfernt, da Claire noch schlief.
»Ihr habt gestern abend noch gestritten, ich habe es sogar hier gehört«, sagte Mary.
»Ich habe Claire meine Meinung gesagt. Ich will dich nicht auch noch aufregen, Mama, aber ich werde mich scheiden lassen.«
»Ein guter Entschluß. So kann es nicht weitergehen. Du mußt endlich mal zur Ruhe kommen und auch zur Vernunft, Clemens.«
»Ich bin auf dem Wege«, erwiderte er tonlos.
Sie sah ihn forschend an. »Ist da auch eine andere Frau im Spiel?«
Er senkte den Kopf. »Es könnte sein, aber ich habe keine Affäre, Mama, es ist etwas anderes, völlig Neues, sehr distanziert. Ich kann nur hoffen, daß es sich entwickelt, wenn ich frei bin.«
Er hatte schon lange nicht mehr so offen mit ihr gesprochen. Es verriet ihr, wie hilflos er sich fühlte.
»Hätte ich nur auf dich gehört, Mama, ich wäre nicht in diese Falle getappt. Es hat nie eine Fehlgeburt gegeben, Claire hat mich erpreßt, aber mir geschieht das ganz recht. Ich habe meine Strafe für alle Fehler bekommen.«
»Was sagt man doch von der Selbsterkenntnis, Clemens? Sie soll der erste Schritt zur Besserung sein. Ich wußte, daß es mit dieser Frau nicht gutgehen konnte. Aber es wird auch nicht so einfach sein, sie wieder loszuwerden. In diesem Fall kannst du auf mich zählen, mein Junge.«
So hatte sie auch schon lange nicht mehr mit ihm geredet, aber mit seinen fünfunddreißig Jahren stand er jetzt vor ihr wie ein Schuljunge, der seine Strafe erwartete. Er war seinem Vater am ähnlichsten, aber doch nicht so sehr, daß Mary Campen ihm jede Strafe gegönnt hätte. Sie hatte viel ertragen in dieser Ehe mit diesem Mann. Um ihrer Söhne willen hatte Mary auch seine Affären ertragen, aber sie hatte auch Grenzen um sich gezogen und sehr energisch dann ihre eigenen Rechte beansprucht. Es wäre ihr allerdings nie in den Sinn gekommen, sich einem anderen Mann zuzuwenden, obwohl sie Chancen genug gehabt hätte, aber niemals hätte sie ihrem Mann eine Handhabe gegeben, ihr die Söhne wegzunehmen. Sie hatte nur Angst gehabt, daß einer von ihnen so werden könnte wie der Vater. Bei Clemens schien es, als würde er sich genauso entwickeln. Doch diese verpfuschte Ehe hatte ihn wohl zur Vernunft gebracht.
»Weiß Claire von dieser anderen Frau?« fragte Mary stockend.
»Nein, das weiß niemand, nicht mal Raphaela selbst.«
Mary sah auf. »Du sprichst von Raphaela Norman?« fragte sie atemlos. »Aber sie ist noch ein halbes Kind.«
»Sie ist eine junge Frau, Mama. Die Jahre vergehen schnell. Sie ist dreiundzwanzig. Du wirst sicher sagen, daß sie zu jung für mich sei, und vielleicht denkt sie das auch, aber ich weiß, daß sie mich mag.«
»Sie ist in unserer Firma tätig, gerätst du dadurch nicht in einen Gewissenskonflikt?«
»Das bestimmt nicht. Ich werde angespornt, mich mehr für die Firma zu engagieren, was Claire aber nicht zu wissen braucht. Ich habe auch selten Gelegenheit, mit Raphaela allein zu sprechen. Sie ist ja auch ganz anders als die Frauen, die ich bisher kennenlernte. Eigentlich wollte ich aber gar nicht über sie sprechen.«
»Es freut mich, daß du es doch getan hast.«
»Du bist aber auch die einzige, Mama. Claire darf davon keinesfalls etwas erfahren, sie würde Raphaela das Leben zur Hölle machen.«
»Du wirst doch nicht glauben, daß Claire sich nicht mit anderen Männern amüsiert?«
»Das weiß ich, und es macht mir nichts aus. Es ist nur gut, daß sie mir selbst zuspielt, was für die Scheidung nützlich sein wird. Daran wird sie wohl nicht denken.«
Doch darin täuschte er sich! Es war ihr in den Sinn gekommen, daß Clemens mehr wußte, als ihr lieb sein konnte und beschloß, für die nächste Zeit doppelt vorsichtig zu sein, denn auf eine Scheidung wollte sie es nicht ankommen lassen, solange sie nichts gegen ihn anführen konnte.
Sie bekam es plötzlich mit der Angst, denn der gestrige Gefühlsausbruch von Clemens hatte sie gewarnt. Er meinte es ernst, und Claire sah ihre Felle davonschwimmen, bevor sie einen fetteren Fisch an Land gezogen hatte.
Es hatte ihr schon nicht behagt, daß Clemens bei den Campens immer nur zweite Wahl geblieben war, aber als Marius in die Klinik kam, hatte sie Hoffnung geschöpft, daß sie nun doch First Lady werden würde, denn insgeheim wünschte sie auch ihre Schwiegermutter bereits ins Jenseits. Claire kannte keine ehrlichen, herzlichen Gefühle, bei ihr war alles, was sie an positiv scheinenden Gefühlsäußerungen von sich gab, gespielt, nur im Zorn konnte sie sich nicht verstellen.
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