Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). Walter Benjamin
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Читать онлайн книгу Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - Walter Benjamin страница 168

СКАЧАТЬ doch keinen Unsinn”, sagte die Niania. “Trinkt, sonst wird die Milch kalt.”

      “Ich will nicht essen, ich will nicht!” rief Sonja plötzlich. “Und auch zu Hause werde ich nicht essen, wenn du ihr nichts gibst.”

      “Trinkt ihr zuerst, und wenn etwas übrig bleibt, so gebe ich ihr.”

      “Nein, ich will nichts haben, bevor du ihr nicht etwas gegeben hast. Ich trinke auf keinen Fall.”

      “Ich trinke auch nicht”, wiederholte Petja.

      “Ihr seid dumm und redet dummes Zeug”, sagte die Kinderfrau. “Man kann doch nicht alle Menschen gleichmachen! Das hängt eben von Gott ab, der dem einen mehr gibt als dem andern. Euch, Eurem Vater hat Gott viel gegeben.”

      “Warum hat er ihnen nichts gegeben?”

      “Das geht uns nichts an - wie Gott will”, sagte die Niania.

      Sie goß ein wenig Milch in eine Tasse und gab diese der Bauersfrau. Das Kind trank und beruhigte sich.

      Die beiden anderen Kinder aber beruhigten sich noch immer nicht, und Sonja wollte um keinen Preis etwas essen oder trinken. “Wie Gott will…”, wiederholte sie. “Aber warum will er es so? Er ist ein böser Gott, ein häßlicher Gott, ich werde nie wieder zu ihm beten.”

      “Pfui, wie abscheulich!” sagte die Niania. “Warte, ich sage es deinem Papa.”

      “Du kannst es ruhig sagen, ich habe es mir ganz bestimmt vorgenommen. Es darf nicht sein, es darf nicht sein.”

      “Was darf nicht sein?” fragte die Niania.

      “Daß die einen viel haben und die andren gar nichts.”

      “Vielleicht hat Gott es absichtlich so gemacht”, sagte Petja.

      “Nein, er ist schlecht, schlecht. Ich will weder essen noch trinken. Er ist ein schlimmer Gott! Ich liebe ihn nicht.” Plötzlich ertönte vom Ofen herab eine heisere, vom Husten unterbrochene Stimme. “Kinderchen, Kinderchen, ihr seid liebe Kinderchen, aber ihr redet Unsinn.”

      Ein neuer Hustenanfall unterbrach die Worte des Sprechenden. Die Kinder starten erschrocken zum Ofen hinauf und erblickten dort ein runzliges Gesicht und einen grauen Kopf, der sich vom Ofen herabneigte.

      “Gott ist nicht böse. Kinderchen, Gott ist gut. Er hat alle Menschen lieb. Es ist nicht sein Wille, daß die einen Weißbrot essen, während die anderen nicht einmal Schwarzbrot haben. Nein, die Menschen haben es so eingerichtet. Und sie haben es darum getan, weil sie ihn vergessen haben.”

      Der Alte bekam wieder einen Hustenanfall.

      “Sie haben ihn vergessen und es so eingerichtet, daß die einen im Überfluß leben und die anderen in Not und Elend vergehen. Würden die Menschen nach Gottes Willen leben, dann hätten alle, was sie nötig haben.”

      “Was soll man aber tun, damit alle Menschen alles Nötige haben?” fragte Sonja.

      “Was man tun soll?” wisperte der Alte.

      “Man soll Gottes Wort befolgen. Gott befiehlt, man soll alles in zwei Teile teilen.”

      “Wie, wie?” fragte Petja.

      “Gott befiehlt, man soll alles in zwei Teile teilen.”

      “Er befiehlt, man soll alles in zwei Teile teilen”, wiederholte Petja.

      “Wenn ich einmal groß bin, werde ich das tun.”

      “Ich tue es auch”, versicherte Sonja.

      “Ich habe es eher gesagt als du!” rief Petja. “Ich werde es so machen, daß es keine Armen mehr gibt.”

      “Na, nun habt ihr genug Unsinn geschwatzt”, sagte die Niania. “Trinkt die Milch aus.”

      “Wir wollen nicht, wollen nicht, wollen nicht!” riefen die Kinder einstimmig aus. “Wenn wir erst groß sind, tun wir es unbedingt.”

      “Ihr seid brave Kinderchen”, sagte der Alte und verzog seinen Mund zu einem breiten Lachen, daß die beiden einzigen Zähne in seinem Unterkiefer sichtbar wurden. “Ich werde es leider nicht mehr erleben. Ihr habt aber einen wackeren Entschluß gefaßt. Gott helfe euch.”

      “Mag man mit uns machen, was man will”, rief Sonja, “wir tun es doch!”

      “Wir tun es doch”, sagte auch Petja.

      “Das ist recht, das ist recht”, sprach der Alte lächelnd und hustete wieder. “Und ich werde mich dort oben über euch freuen”, sprach er, nachdem der Husten vorbei war. “Seht nur zu, daß ihr’s nicht vergesst.”

      “Nein, wir vergessen es nicht!” riefen die Kinder aus.

      “Recht so, das wäre also abgemacht.”

      Der Kutscher kam mit der Nachricht, daß das Rad ausgebessert sei, und die Kinder verließen die Stube.

      Was aber weiter sein wird, werden wir ja sehen.

      Christuslegenden

      (Selma Lagerlöf)

       Inhaltsverzeichnis

       Das Rotkehlchen

       Unser Heiland und Sankt Peter

       Die Lichtflamme

       1

       2

       3

       4

       5

       Die heilige Nacht

       Des Kaisers Vision

       Der Brunnen der weisen Männer

       Das Kindlein von Bethlehem

       Die СКАЧАТЬ