Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). Walter Benjamin
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Читать онлайн книгу Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - Walter Benjamin страница 167

СКАЧАТЬ ich ihm, »das ist mir aus dem Herzen gesprochen.«

      »Und wenn du zu gutmütig bist«, fuhr John fort, während sein Gesicht vor Freundschaft erglühte, »dann mußt du mir erlauben, dafür zu sorgen, daß dieser kleine Fehler von niemand ausgenutzt wird. Du darfst nicht erwarten, daß ich dich darin bestärken werde ...«

      »Mein lieber John Spatter«, unterbrach ich ihn, »ich erwarte gar nicht, daß du mich darin bestärkst. Ich wünsche, daß du es mir abgewöhnst.«

      »Und ich ebenfalls«, sagte John.

      »Ganz recht!« rief ich. »Wir haben beide dasselbe Ziel im Auge; und indem wir ehrlich danach streben und volles Vertrauen zueinander haben und nur ein gemeinsames Interesse kennen, wird unsere Partnerschaft blühen und gedeihen.«

      »Dessen bin ich gewiß!« erwiderte John Spatter.

      Worauf wir uns aufs herzlichste die Hände schüttelten.

      Ich nahm John mit nach Hause in mein Schloß, und wir verbrachten einen sehr schönen Tag. Unsere Partnerschaft gedieh. Mein Freund und Partner ergänzte meine Mängel, wie ich es vorausgesehen hatte. Er sorgte für das Geschäft und für mich und vergalt dadurch reichlich das wenige, das ich etwa getan hatte, um ihm im Leben fortzuhelfen.

      Ich bin nicht sehr reich (sagte der arme Verwandte, sich bedächtig die Hände reibend und ins Feuer blickend), denn ich habe nie Wert darauf gelegt, es zu sein. Aber ich habe genug, um ein mäßiges, sorgenfreies Leben führen zu können. Mein Schloß ist kein prachtvoller Ort, aber es ist sehr behaglich. Wärme und Fröhlichkeit herrschen darin, und es ist das Bild eines glücklichen Heims.

      Unser ältestes Mädchen, das seiner Mutter sehr ähnlich ist, heiratete John Spatters ältesten Sohn. Und auch noch andere Bande knüpfen unsere beiden Familien eng aneinander. Schön sind die Abende, wenn wir alle beisammen sind – was häufig der Fall ist – und John und ich von alten Zeiten reden und von der festen Einigkeit, die stets zwischen uns geherrscht hat.

      In meinem Schloß ist es niemals einsam. Einige unserer Kinder oder Enkel sind immer zugegen, und die jungen Stimmen meiner Nachkommen tönen mir köstlich – o wie köstlich! – ins Ohr. Mein teures und mir ganz ergebenes Weib, immer treu, immer liebevoll, immer hilfreich und trostspendend, ist der unschätzbare Segen meines Hauses, und alle anderen Segnungen, mit denen es beglückt ist, stammen von ihr. Wir sind eine ziemlich musikalische Familie, und wenn Christiana gelegentlich sieht, daß ich ein wenig müde oder verstimmt bin, dann stiehlt sie sich ans Klavier und singt ein sanftes Liedchen, das sie in der ersten Zeit unserer Verlobung zu singen pflegte. Ich bin so ein schwacher Mensch, daß ich es von niemand sonst hören kann. Sie spielten es einstmals, als ich mit dem kleinen Frank im Theater war, und das Kind sagte verwundert:

      »Vetter Michael, wessen heiße Tränen sind da auf meine Hand gefallen?«

      Das ist mein Schloß und das sind die wirklichen Einzelheiten meines Lebens, die darin aufbewahrt sind. Ich nehme oft den kleinen Frank dorthin mit. Meine Enkelkinder empfangen ihn mit offenen Armen, und sie spielen zusammen. Zu dieser Zeit des Jahres – um Weihnachten und Neujahr – bin ich selten außerhalb meines Schlosses. Denn die Gedanken, die die Zeit mit sich bringt, scheinen mich dort festzuhalten und die Gebote der Zeit scheinen mich zu lehren, daß es gut ist, dort zu weilen.

      »Und das Schloß ist ...«, bemerkte eine ernste, freundliche Stimme aus der Gesellschaft.

      »Ja. Mein Schloß«, sagte der arme Verwandte, die Augen noch immer auf das Feuer gerichtet, mit einem Kopfschütteln, »ist in der Luft. John, unser verehrter Gastgeber, hat seine Lage genau erraten. Mein Schloß ist in der Luft! Ich bin zu Ende. Will jemand so freundlich sein und weitererzählen?«

      Eine Erzählung für Kinder

      (Leo Tolstoi)

       Inhaltsverzeichnis

      Ein Mädchen und ein Knabe fuhren in einer Kalesche von einem Dorf in das andere. Das Mädchen war fünf und der Knabe sechs Jahre alt. Sie waren nicht Geschwister, sondern Vetter und Base. Ihre Mütter waren Schwestern. Die Mütter waren zu Gast geblieben und hatten die Kinder mit der Kinderfrau nach Hause geschickt.

      Als sie durch ein Dorf kamen, brach ein Rad am Wagen, und der Kutscher sagte, sie könnten nicht weiterfahren. Das Rad müsse ausgebessert werden, und er werde es gleich besorgen.

      “Das trifft sich gut”, sagte die Niania, die Kinderfrau. “Wir sind so lange gefahren, daß die Kinderchen hungrig geworden sind.

      Ich werde ihnen Brot und Milch geben, die man uns zum Glück mitgegeben hat.”

      Es war im Herbst, und das Wetter war kalt und regnerisch. Die Kinderfrau trat mit den Kindern in die erste Bauernhütte, an der sie vorüberkamen.

      Die Stube war schwarz, der Ofen ohne Rauchfang. Wenn diese Hütten im Winter geheizt werden, wird die Tür geöffnet, und der Rauch zieht so lange aus der Tür, bis der Ofen heiß ist.

      Die Hütte war schmutzig und alt, mit breiten Spalten im Fußboden. In einer Ecke hing ein Heiligenbild, ein Tisch mit Bänken stand davor. Ihm gegenüber befand sich ein großer Ofen.

      Die Kinder sahen in der Stube zwei gleichaltrige Kinder; ein barfüßiges Mädchen, das nur mit einem schmutzigen Hemdchen bekleidet war, und einen dicken, fast nackten Knaben. Noch ein drittes Kind, ein einjähriges Mädchen, lag auf der Ofenbank und weinte ganz herzzerreißend. Die Mutter suchte es zu beruhigen, wandte sich aber von ihm ab, als die Kinderfrau eine Tasche mit blinkendem Schloss aus dem Wagen ins Zimmer brachte. Die Bauernkinder staunten das glänzende Schloss an und zeigten es einander.

      Die Kinderfrau nahm eine Flasche mit warmer Milch und Brot aus der Reisetasche, breitete ein sauberes Tuch auf dem Tisch aus und sagt: “So, Kinderchen, kommt, ihr seid doch wohl hungrig geworden?” Aber die Kinder folgten ihrem Ruf nicht. Sonja, das Mädchen, starrte die halbnackten Bauernkinder an und konnte den Blick nicht von ihnen abwenden. Sie hatte noch nie so schmutzige Hemdchen und so nackte Kinder gesehen und staunte sie nur so an. Petja aber, der Knabe, sah bald seine Base, bald die Bauernkinder an und wußte nicht, ob er lachen oder sich wundern sollte. Mit besonderer Aufmerksamkeit musterte Sonja das kleine Mädchen auf der Ofenbank, das noch immer laut schrie.

      “Warum schreit sie denn so?” fragte Sonja.

      “Sie hat Hunger”, sagte die Mutter.

      “So geben Sie ihr doch etwas.”

      “Gern, aber ich habe nichts.”

      “So, jetzt kommt”, sagte die Niania, die inzwischen das Brot geschnitten und zurechtgelegt hatte.

      Die Kinder folgten dem Ruf und traten an den Tisch. Die Kinderfrau goß ihnen Milch in kleine Gläschen ein und gab jedem ein Stück Brot. Sonja aber aß nicht und schob das Glas von sich fort. Und Petja sah sie an und tat das gleiche. “Ist es denn wahr?” fragte Sonja, auf die Bauersfrau zeigend.

      “Was denn?” fragte die Niania.

      “Daß sie keine Milch hat?”

      “Wer soll das wissen? Euch geht es nichts an.”

      “Ich will nicht essen”, sagte Sonja.

      “Ich СКАЧАТЬ