Название: Starmord am Wörthersee
Автор: Roland Zingerle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Wörthersee Krimi
isbn: 9783966615877
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„... ich lass’ hinter mir,
was mich wehrlos macht.
Ich spür’ in dir die Sehnsucht,
die ich auch mit dir teile ...“
Heinz versuchte vergebens, in dem Text so etwas wie einen tieferen Sinn zu erkennen. Ab und zu sah er hin und verfolgte die eine oder andere Passage des Musikvideos mit. Auch nüchtern musste er feststellen, dass er die Sängerin attraktiv und reizvoll fand. Freilich, mit der Figur einer jungen Göttin, die durch ein schenkellanges T-Shirt und Stiefeletten an den nackten Beinen noch hervorgehoben wurde, war es keine Kunst, männliche Urtriebe zu wecken, doch Heinz schien, dass mehr dahintersteckte. Es waren ihre Bewegungen, ihr körperlicher Ausdruck. Saskia Frenzen war nicht umsonst ein Star, sie war nicht von einem Musikproduzenten künstlich nach oben gehoben worden, wie viele andere, sie hatte sich ihren Platz an der Spitze über Jahre hinweg erkämpft. Diesen Umstand glaubte Heinz in jeder Nuance ihres Auftritts zu spüren.
Er musste an Verena denken und welchen Stich es ihm versetzt hatte, sie heute wiederzusehen, nach so langer Zeit. Nachdem sie ihn vergangenes Jahr betrogen hatte, hatte er nicht mehr geglaubt, noch so starke Gefühle für sie zu empfinden. Wobei betrogen ... sie waren ja nie zusammen gewesen. Aber an jenem Abend, da hätten sie zusammenkommen können.
Ein Seufzen, das tief aus seiner Seele zu kommen schien, weckte ihn aus seinen trüben Gedanken. Seine Gefühle für Verena waren unverändert, daran bestand kein Zweifel. Sollte er noch einmal trainieren gehen? – Nein, zweimal an einem Tag war wohl übertrieben. Heinz war froh, heute kein Bier eingekauft zu haben. Aber er hatte noch Cola im Kühlschrank und eine Flasche Havanna Club im Schnapskasten. Er musste auf der Hut sein, durfte sich nicht selbst austricksen. Wenn er jetzt mit einem Cuba Libre begann, wäre am Abend die ganze Rumflasche leer, und er würde wahrscheinlich noch zur Tankstelle gehen und sich einen Sechserträger Bier holen. Seit seiner Rückkehr aus Kolumbien Mitte Jänner hatte er keine Kontrolle mehr über die Menge, die er trank, sobald er einmal damit anfing. Nein, er würde das Cola heute ohne Rum trinken.
Er erschrak, als sein Handy Money, Money, Money von ABBA spielte, den Klingelton für Geschäftskontakte. Ein Blick auf das Display bestätigte seine Vermutung. Direktor Oberhofer rief zurück, Heinz hatte vor zwei Stunden versucht, ihn zu erreichen. Er hob ab, schilderte in knappen Worten seine Ermittlungsergebnisse und endete mit der Einschätzung, dass der Drohbrief eine Kurzschlussreaktion im Rausch gewesen sei, nachdem Wolfgang Lechner erfahren hatte, Saskia Frenzen werde wieder im Seepark Hotel übernachten.
Oberhofer schwieg für ein paar Sekunden, machte: „Hm“, und schwieg wieder. „Die Suppe ist mir zu dünn, Sablatnig“, begann er dann. „Ihre Einschätzungen in Ehren, aber einen Beweis brauchen wir schon, immerhin geht es um die Sicherheit von Frau Frenzen.“
„Ich habe den Drohbrief und eine Mineralwasserflasche mit Lechners Fingerabdrücken zu meiner Schwester gebracht“, erklärte Heinz. „Ich nehme an, ich werde das Vergleichsergebnis morgen im Laufe des Tages erhalten.“
„Morgen im Laufe des Tages reicht mir nicht, Sablatnig. Morgen Abend findet die Generalprobe der Starnacht statt, die Frenzen wird vermutlich im Laufe des Tages in Klagenfurt ankommen. Ich möchte, dass der Fall geklärt ist, bevor sie Kärntner Boden betritt, haben Sie das verstanden?“ Nun war es Heinz, der schwieg, was den Landesdirektor dazu brachte, noch nachzulegen. „Überhaupt wundere ich mich über Ihr lasches Vorgehen in dem Fall. Irgendwie ist bei Ihnen die Luft heraußen, oder täusche ich mich?“
Heinz atmete tief durch und erwiderte: „Wenn Sie sich dann besser fühlen, werde ich morgen ins Hotel fahren und mich unauffällig in Frau Frenzens Nähe aufhalten, bis die Untersuchungsergebnisse da sind. Damit ihr nur ja nichts passiert.“
Oberhofer steckte hörbar all seinen Zorn in die drei Worte: „Tun Sie das“, dann beendete er das Telefonat.
Heinz legte sein Handy auf das Tischchen zurück und starrte vor sich hin. Vielleicht sollte er das Cola doch mit Rum trinken. Ein Cuba Libre würde ihn schon nicht ...
Da läutete sein Handy erneut, diesmal mit dem Lied Hell’s Bells von AC/DC, Heinz’ Klingelton für Familienmitglieder. Seine Schwester Sabine, Chefinspektorin bei der Kriminalpolizei Klagenfurt, rief an.
„Sag einmal, tickst du noch richtig?“, fauchte sie ihn anstelle einer Begrüßung an. „Bin ich jetzt dein persönlicher Dienstleister?“
„Du warst nicht da“, entgegnete Heinz. Er hatte die Mineralwasserflasche und den Drohbrief ins Sicherheitszentrum gebracht und sie auf Sabines Schreibtisch gelegt, zusammen mit einer Notiz, in der er sie bat, die Fingerabdrücke auf den Gegenständen miteinander zu vergleichen. „Und es handelt sich immerhin um die Ankündigung eines Verbrechens.“
„Eine Todesdrohung für die Starnacht“, fuhr sie ihn an, „wie bist du darin schon wieder verstrickt?“
Heinz erklärte ihr die Hintergründe seines Auftrags und die Dringlichkeit der Klärung, zumal Saskia Frenzen am nächsten Tag anreisen werde. Seine Ausführungen waren sachlich, emotionslos und ohne jeden Antrieb; genauso, wie Heinz sich fühlte.
Schließlich fiel ihm Sabine ins Wort: „Heinz, es reicht mir. Und nicht nur mir, uns allen. Rück endlich damit heraus, was in Kolumbien passiert ist. Seit du zurück bist, hast du alle sozialen Kontakte abgebrochen, entschuldigst dich bei Familienfeiern mit fadenscheinigen Ausreden und sperrst alle aus, die dir helfen wollen. Jeder, der dich kennt, sagt, dass du nicht mehr mit dir reden lässt, du hast dich so weit zurückgezogen, dass ... Wir sind deine Familie, Heinz, wir haben doch immer über alles reden können, oder?“
Heinz blieb stumm. Er wollte etwas sagen, doch er brachte es nicht über die Lippen. Sabine schien das zu spüren, sie ließ ihm Zeit. „Wenn es ...“, begann er und tarnte sein hochkommendes Schluchzen als Räuspern, „wenn es soweit ist, werde ich euch alles erzählen. Das wird aber noch ein bisschen dauern. Kannst du bitte diesen Abgleich machen, es ist wirklich dringend.“
Er konnte regelrecht hören, wie sich Sabine auf die Unterlippe biss. „Natürlich“, sagte sie, und auch in ihrer Kehle steckte ein Schluchzen. „Ich gebe das gleich für morgen früh in Auftrag. Vielleicht ist ja wirklich Gefahr in Verzug.“
Nach dem Telefonat ließ Heinz die Hand mit dem Mobiltelefon in seinen Schoß sinken und starrte einmal mehr ins Nichts. Bogotá ...
Erst begann er zu zittern, dann zu weinen. Minuten später, als der Anfall vorbei war, wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. Nein, Rum war keine Option. Wenn es schon Alkohol sein musste, damit es ihm besser ging, dann war Bier allemal besser als Schnaps. Er zog sich an, um zum Supermarkt zu gehen.
Freitag, 11.30 Uhr
Einhundertfünfundneunzig Kilogramm – drei Sätze zu zwölf, zehn und acht Wiederholungen. Heinz sicherte die Gewichte der Beinpresse, blieb aber noch auf der schrägen Bank liegen und schnaufte. Das hatte er verdient. Gott sei Dank hatte er sich gestern nicht bis zur Besinnungslosigkeit betrunken, doch es war immerhin genug gewesen, dass er heute erst um 9.30 Uhr und mit einem ordentlichen Kater aus dem Bett gekrochen war. Er hatte sich angezogen und war ins Fitnesscenter gefahren, denn Strafe musste sein.
Er war noch nicht wieder bei Puste, als Direktor Oberhofer anrief. Heinz hob ab und keuchte ein „Ja“.
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