Man könnte sofort einen Gang durch die Innenstadt antreten und die einschlägigen Geschäfte besuchen«, schlug Josuah Parker vor.
»Man könnte«, sagte sie, »aber ich glaube, daß mein Kreislauf etwas gelitten hat, Mr. Parker. Erledigen Sie das für mich. Zudem werde ich jetzt erst mal die Küche testen.«
»Mylady sollten und werden davon ausgehen, daß man Mylady einen Besuch abstatten könnte.«
»Machen Sie sich nur keine Gedanken.« Sie winkte ab. »Ich weiß mich schon meiner Haut zu wehren, Mr. Parker.«
Josuah Parker verabschiedete sich, warf einen kurzen Blick in sein Hotelzimmer und machte sich dann auf den Weg, um ein paar Kleinigkeiten für seine Herrin einzukaufen. Er dachte in diesem Zusammenhang an ein Nachthemd, Zahnbürste und andere Artikel der Körperpflege. Das Päckchen mit dem Goldschmuck hatte er unter dem Rücksitz seines hochbeinigen Monstrums versteckt, und zwar nicht ohne Grund. Dieses Sitzpolster bot für den Unkundigen nämlich einige neckische Überraschungen.
Parker war gespannt darauf, ob man Mylady und ihn hier besuchen würde. Diese Adresse kannte nur das Ehepaar draußen an der Küste, dem er auch seine Visitenkarte übergeben hatte. Tauchten hier im Hotel also Gangster auf, dann mußten John und Mary Hellwick ihr Wissen preisgegeben haben, oder man hatte davon auszugehen, daß die Gangster sie nach wie vor überwachten.
Die zentrale Lage des Hotels in der kleinen Industriestadt ermöglichte es Parker, die wenigen Einkäufe innerhalb einer halben Stunde zu tätigen. Während des Einkaufs blieb er auf der Hut und forschte immer wieder nach eventuellen Verfolgern. Mylady und er waren durch Zufall in den Besitz einer millionenschweren Beute gekommen. Natürlich würden die Diebe alles daran setzen, den Goldschmuck wieder in ihre Hand zu bekommen. Und besonders rücksichtsvoll würden sie ganz sicher nicht sein, nachdem sie gerade erst düpiert waren.
Parker passierte auf dem Rückweg eine Kaufpassage und blieb plötzlich stehen. Er sah einen Lorbeerkranz aus ziseliertem Goldblech, dann darunter einen Armreif und eine Brustplatte. Die Gegenstände kamen ihm sehr bekannt vor. Sie befanden sich auf einem Plakat und waren die Prachtstücke einer etruskischen Ausstellung in Bristol. Laut Zeitangabe auf diesem Plakat war die Ausstellung noch sechs Tage geöffnet.
Parkers Interesse war verständlicherweise mehr als nur geweckt. Er erinnerte sich, eben erst die Anzeigen-Annahme einer Zeitung gesehen zu haben, wandte sich um und suchte sie auf.
Und hier wurde Parker sofort fündig.
Er kaufte sich eine Abendausgabe der Zeitung und wurde von der Schlagzeile förmlich angesprungen. In großen Lettern war hier zu lesen, daß unbekannte Täter die wertvollsten Exponate dieser Ausstellung gestohlen hatten. Dieser Diebstahl hatte sich am späten Mittag ereignet. Parkers Schätzung erwies sich übrigens als völlig richtig. Der Wert der Ausstellungsstücke war kaum schätzbar, ging aber in die Millionen, wie zu lesen war.
Josuah Parker wußte damit Bescheid.
Die Täter hatten die wertvollen Ausstellungsstücke von Bristol über den weiten Mündungstrichter des Flusses Severn geschafft und dann in Küstennähe abgeworfen. Hier mußten zwei Personen auf das bewußte Päckchen aus der Luft gewartet haben. Wahrscheinlich hatten sie den Auftrag gehabt, danach dieses Päckchen außer Landes zu schmuggeln. Auf dem Seeweg konnte dies kaum ein Problem sein. Die Küste hier im Südwesten Englands besaß viele kleine Häfen und Urlaubsorte. Ein in See stechendes Boot fiel da kaum auf.
Der bisher betriebene Aufwand zeigte deutlich an, daß man es wohl mit einer Bande zu tun hatte, die professionell geführt wurde. Die Panne mit dem Abwurf des Päckchens war nur dem schlechten Wetter zuzuschreiben. Die Gangster mochten jede Eventualität einkalkuliert haben, doch am Wetter waren sie gescheitert.
Als Parker die Anzeigenannahme verließ, schob sich dicht hinter ihm ein anderer Besucher nach draußen, der plötzlich drückte die Tasche seines Regenmantels gegen Parkers Rücken.
»Machen Sie keinen Blödsinn«, warnte den Butler dann eine kühle Stimme, »meine Kanone hat einen Schalldämpfer.«
»Meine Wenigkeit ist sicher, durchaus verstanden zu haben«, erklärte Josuah Parker höflich und gemessen, »verfügen Sie über meine Person.«
*
Sie blieben vor einem Schaufenster der Passage stehen.
In der Scheibe, die als Spiegel wirkte, konnte Parker seinen Hintermann mustern. Sofort fielen ihm der schiefe Mund, die zusammengewachsenen Augenbrauen und die schmale Nase auf.
Das Ehepaar John und Mary Hellwick vom Gasthof hatten so und nicht anders jenen Mann beschrieben, der sie überfallen und gefesselt hatte. Eine Verwechslung konnte kaum vorliegen.
»Machen wir’s kurz«, sagte der Mann, »ich will das Päckchen haben.«
»Dieses Päckchen scheint sich einiger Beliebtheit zu erfreuen«, gab der Butler höflich zurück, »zu Ihrem Leidwesen muß ich Ihnen erklären, daß es den Besitzer gewechselt hat.«
»Was soll das heißen?«
»Man zwang Lady Simpson und meine Wenigkeit, das bewußte Päckchen aus der Hand zu geben.«
»Wer hat gezwungen?« wollte der Mann wissen. Mit dieser Frage legte er ungewollt klar, daß er mit den Personen aus dem dunkelgrünen Ford wohl kaum etwas zu tun hatte.
»Müßten Sie diese Personen nicht besser kennen als meine Wenigkeit?«
»Machen Sie keine Zicken, Mann«, kam prompt die Antwort, »ich hab’ doch mitbekommen, daß Sie in diesem Supermarkt waren. Und da haben Sie sich’n zweites Päckchen besorgt.«
»Woher, wenn man fragen darf, nehmen Sie diese Sicherheit des Wissens?«
»Weil ich den Burschen im Supermarkt gefragt habe«, entgegnete der Mann und grinste schief. Dabei zeigte er seine in der Tat sehr schlechten Schneidezähne. Auch sie entsprachen der Schilderung des Ehepaares Hellwick.
»Meine Wenigkeit möchte Ihnen noch mal versichern, daß das Päckchen den Besitzer wechselte«, sagte Parker. Er hütete sich, eine falsche Bewegung zu machen und rechnete fest mit einer mit Schalldämpfer versehenen Waffe. Falls der Mann hinter ihm abdrückte, war wohl kaum mehr als ein dumpfes Schnalzen zu vernehmen.
»Sie haben den Idioten natürlich das falsche Päckchen in die Hand gedrückt«, hörte Parker hinter sich, wobei der Druck der Waffe gegen seinen Rücken sich noch verstärkte. »Los, gehen Sie jetzt weiter! Ich weiß genau, in welchem Hotel Sie mit der alten Vogelscheuche abgestiegen sind.«
»Ihrem Wunsch kann man sich kaum entziehen«, sagte Josuah Parker, »darf man übrigens fragen, ob Sie das sind, was man gemeinhin ein Einzelgänger zu nennen pflegt?«
»Mann, Sie können vielleicht quasseln«, stöhnte der Angesprochene hinter ihm, »woher haben Sie das?«
»Es dürfte sich um eine Art Berufssprache handeln«, erwiderte Josuah Parker, »Ihnen wird kaum entgangen sein, daß Sie es mit einem Butler zu tun haben.«
»Der da ’n Geschäft auf eigene Rechnung machen will? Oder ist die alte Vogelscheuche daran etwa beteiligt?«
»Sie haben Gründe für Ihre Annahme?«
»Und СКАЧАТЬ