Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas Suchanek
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СКАЧАТЬ Alex gab ebenfalls sein Bestes, konnte eine bestimmte Stelle jedoch nur für Sekunden halten, bevor alles unscharf wurde. Das sorgte zunehmend für ein Schwindelgefühl.

      Es stellte sich recht schnell heraus, dass in den Räumen der oberen Stockwerke niemand war. Sie schlichen weiter, arbeiteten sich nach unten vor. Alex hielt seinen Zeigefinger erhoben, um blitzschnell einen Schutz erschaffen zu können. Die benötigten Worte sagte er sich innerlich immer wieder vor, damit sie im Fall der Fälle sofort herauskamen.

      »Riechst du das?«, fragte Jen.

      Er schnupperte. »Minze.«

      »Küche«, entschied sie daraufhin.

      Sich gegenseitig Deckung gebend, steuerten sie die Küche des ersten Castillos an. Tatsächlich hörten sie von Weitem, dass dort jemand rumorte. Töpfe und Pfannen schepperten, Gläser klirrten, der Geruch nach Kräutern wurde intensiver.

      Alex lugte um die Ecke.

      Eine kleine runde Frau ließ soeben die beiden Essenzstäbe in einen Kochtopf fallen. Sie mochte Anfang fünfzig sein, trug das Haar zu einem Dutt gebunden und grummelte vor sich hin. Er konnte die Worte nicht genau verstehen, was einfach daran lag, dass sie zu leise schimpfte. Flüche waren es aber auf jeden Fall, so herzhaft, wie sie herausgepfeffert wurden.

      Die Frau öffnete eine Schublade und im nächsten Augenblick lag ein seltsamer länglicher Eisenstab in ihrer Hand, der von Ornamenten bedeckt war. Sie drückte einen kleinen Hebel hinunter, worauf am oberen Ende eine Flamme heraussprang, und führte diese an die Stäbe im Topf heran.

      Alex keuchte auf, als er begriff, was die Unbekannte vorhatte.

      »Das lassen wir mal bleiben!«, rief Jen.

      Sie sprang in die Küche, hob ihre rechte Hand und malte blitzschnell ein Symbol in die Luft. Magentaessenz erschuf einen Wirbel, der die beiden Stäbe aus dem Topf hervorreißen sollte.

      Die Unbekannte griff nach einem Deckel und schmetterte ihn auf den Topf, der Zauber erlosch sofort. »Ha! Da müsst ihr Gesocks schon früher aufstehen!« Sie schnappte sich eine Bratpfanne. »Kommt nur her!«

      »Echt jetzt?«, fragte Alex.

      Jen wollte ein weiteres Symbol zeichnen, doch die Unbekannte zog blitzschnell ein Messer aus einem Holzblock und warf. Jen konnte knapp ausweichen, stolperte jedoch und krachte gegen einen Holztisch an der Wand.

      Während Alex noch begriff, dass die Frau zwar lediglich mit Küchengeräten auf sie losging, diese ihnen aber durchaus gefährlich werden konnten, sprang sie auf ihn zu.

      Er hob den Finger, um den Schutz zu erschaffen, doch da sauste die Bratpfanne heran. Als schmetterte sie einen Tennisball mit einem Schläger, schlug sie ihm das Eisen frontal gegen den Kopf. Ein greller Schmerz explodierte hinter Alex' Stirn und löschte sein Bewusstsein aus.

      Ihr Innerstes glich einem Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. War es möglich, dass ausgerechnet Leonardo da Vinci, der so viele Jahre auf der Seite der Lichtkämpfer gestritten hatte, zum Verräter geworden war? Sie konnte, wollte es nicht glauben. Erst wenige Tage zuvor hatte sie mit Clara die Mentigloben des Ratsmitgliedes ausgespäht. Die spärlichen Emotionen, die daraus zu ihnen herübergeschwappt waren, enthielten kein Anzeichen eines falschen Spiels. Auch gab es in dem, was sie gesehen hatten, keine Hinweise darauf. Das hatte aber nichts zu sagen, er konnte den Verrat von langer Hand vorbereitet haben. Chloe wartete nicht darauf, dass Ordnungsmagier eintrafen oder die anderen Unsterblichen ankamen, wo immer im Castillo sie gerade herumrannten. Mit Schwung riss sie die Tür des Büros auf, stürmte hinein, den Essenzstab erhoben.

      Leonardo lag am Boden. Die Blutlache unter seinem Körper wurde schnell größer. Schockstarr schaute sie hinab.

      Clara kam ebenfalls herein. Ihre Augen weiteten sich.

      Chloe griff nach ihrem Kontaktstein und schrie einen Hilferuf zu Theresa, an den sie ein Bild anhängte. Ohne auf eintreffende Hilfe zu warten, ging sie neben dem Unsterblichen in die Knie, drehte ihn auf den Rücken. Die Wunde sah übel aus. Da ihr Zauber die Sigilklinge hier geortet hatte, bestand kaum ein Zweifel, womit Leonardo verletzt worden war.

      Er blinzelte. Zitternde Finger schlossen sich um ihren Kragen, zogen sie hinab.

      »W… W…«

      »Du musst dich ausruhen«, sagte sie und versuchte, die Finger zu lösen. Doch Leonardo schien den letzten Rest seiner Kraft aufzubieten, um etwas zu sagen. Einen Namen?

      »Wechselbalg«, stieß er hervor.

      Seine Hand fiel mit einem Patsch in die Blutlache.

      Chloe fuhr zurück. Mit einem Mal ergab so vieles einen Sinn. Gleichzeitig standen sie wieder am Anfang: Jeder von ihnen konnte von einem Gestaltwandler ausgetauscht worden sein. Theoretisch könnte die Kreatur sogar stündlich das Äußere wechseln. Sie besann sich auf das Hier und Jetzt, hob ihren Essenzstab und ließ einen Heilzauber wirken, der die Wunde versiegeln sollte. Nichts geschah.

      Schritte erklangen.

      Johanna von Orléans und Tomoe Gozen stürmten herein. Die beiden unsterblichen Ratsmitglieder wirkten für eine Sekunde erschüttert, dann handelten sie. Johanna schob Chloe beiseite. Tomoe wob blitzschnell einen Zauber, den Chloe so noch nie zuvor gesehen hatte. Eine schillernde Sphäre legte sich um Leonardo.

      »Die Struktur ist japanisch«, flüsterte Clara. »Sie umhüllt die Aura mit einer weiteren Schale.« Tomoes Aura flammte auf. Während Leonardo neuen Schutz erhielt, wurde ihre eigene Barriere dünner. Sie übertrug einen Teil der eigenen Aura auf ihn.

      Chloe hatte bisher nicht einmal davon gelesen, das so etwas möglich war. Die erste Samurai der Geschichte übertrug einen Teil von sich auf ihren Gefährten. Der kleinste Fehler, ein wenig zu viel Übertragung, und ihr eigener Schutz verschwand, ließ sie in einem spontanen Aurafeuer vergehen.

      Theresa stürzte herein. Sie sah sofort, was Tomoe tat und sprang an Leonardos Seite. Sie zog eine Phiole hervor und flöste dem Unsterblichen eine klare Flüssigkeit ein. Er stöhnte auf, verkrampfte und sackte in sich zusammen. Tomoe ließ ihren Zauber verwehen, stabilisierte die eigene Aura. Erschöpft taumelte sie zur Wand, stützte sich mit letzter Kraft ab.

      »Wow«, staunte Clara. »Das nenne ich eine selbstlose Tat.«

      Theresa wandte sich Johanna zu. »Die Wunde wurde von der Sigilklinge verursacht. Die Aura ist perforiert, dank Tomoe aber einstweilen stabilisiert. Damit der Körper heilt, muss die Essenz regenerieren.«

      »Bekommst du ihn wieder hin?«, fragte Johanna.

      Die Frage war berechtigt. Eine derartige Verletzung hatte es wohl seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben. Die verdammte Klinge musste nicht verwahrt werden, nein: Man musste sie zerstören.

      »Ich gebe mein Bestes«, versicherte Theresa. »Es war knapp, aber ich denke, er wird wieder.«

      Tomoe kam auf die Beine. »Ich gehe mit.«

      »Du bist geschwächt. Ich übernehme das«, erkärte Johanna.

      »Nein«, widersprach die japanische Unsterbliche. »Du musst den Verräter finden. СКАЧАТЬ