Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler. PAUL HEYSE
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Название: Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler

Автор: PAUL HEYSE

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066113261

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      So zog der Hansel pfeifend und spielend weiter und war von Herzen froh, daß er doch nun den Weg wußte. Nun war's schon hoch am Tage und ein gar appetitlicher kleiner Hunger meldete sich. Wenn doch nur ein paar vornehme Reisekutschen kämen, damit ich mir was zusammenfechten könnte! seufzte er heimlich. Es kam aber nichts der Art und Beeren gab's auch nicht, und die Kienzäpfchen vom vorigen Jahre waren doch gar zu hart. Da fiel dem armen Hansel das Herz in die Hosentasche; er fuhr mit der Hand unter die Mütze, stand still und wollte eben Salzwasser spendiren, als er hinter sich einen singen hörte:

      Und die Waldsteige sind dunkel,

       Und die Bäume wehn kühl.

       Ueberm Felde da funkelt

       Die Sonne so schwül.

      Wer ein'n Schatz hat im Sommer

       Und herzen ihn möcht',

       Zum Walde nur komm' er;

       Da find't er's nit schlecht.

      Die Lieb' und die Sonne

       Die sind allebeide schwül,

       Und allebeid' auf Einmal

       Das brennt gar zu viel.

      Hansel sah noch halbweinerlich um nach dem Sänger, aber wie er dessen kuriosen Aufzug gewahrte, war's mit seiner Trübseligkeit zu Ende. Es kam nämlich ein langer dünner Mensch auf ihn zu, ein grau Hütchen auf dem Kopf und einen Schnurrbart auf der Oberlippe, an dem die gute Hoffnung das Beste war. Gepäck hatte er keins; aber ein kleines schwarzbraunes Mägdlein trug er auf der Schulter, mit Augen so schwarz wie die Heidelbeeren und schlanken Gliederchen, um die ein blaues Kleid flatterte. Sie trug eine große Puppe im einen Arm und den andern hatte sie um den Kopf des Langen geschlungen, damit sie fest säße. Beide nickten dem Hansel freundlich zu und der Lange sagte: Lieber Schusterjunge, wohin des Weges? – Nach den Fleischtöpfen Aegypti, erwiederte der. – Es ist just nicht unser Weg, sagte der Lange darauf. Aber der Gesellschaft zu Liebe, wollen wir eine Strecke zusammen wandern, wenn dir's recht ist, und setz' nur deine Mütze wieder auf, daß du keinen Sonnenstich weg hast, eh du's merkst; brauchst auch keinen absonderlichen Respekt zu haben. – Wer seid Ihr denn eigentlich? fragte Hansel, indem sie weiter gingen. – Ich bin nur ein simpler Poet, gab der Lange zur Antwort, und die kleine leichte Mamsell da oben ist meine Schwester und heißt Glückspilzchen. Nun hör' aber nur, weßhalb wir auf Reisen sind. Ich bin da gestern Nacht in der Schenke und trinke mir einen rechtschaffnen Glanz in Maiwein. Da kommt mir plötzlich ein Gedicht an, daß ich nach Haus laufe und denke, du willst es gleich warm niederschreiben. Nun war die Nacht kühl, und mir verging unterwegs das Feuer ein bischen; ich ließ mich's aber wenig schmerzen, komme in meine Stub' und lange nach dem Kleiderschrank hinauf, wo mein Männchen aus Tannenzapfen steht, der die Streichhölzer auf dem Rücken trägt; der sollte mir wieder zu Feuer verhelfen. Der Spitzbub war aber weg, und weil die Thür offen stand, merkte ich's gleich, daß er davongelaufen sei in den Wald hinaus. Ich hab's ihm lange vorher am Gesicht angesehn, daß er Heimweh hatte. Weil ich ihn aber nicht entbehren kann und ein Poet ohne Feuer nicht fertig wird, mußte ich gern oder ungern wieder in die Nacht hinaus und ihm nach. –

      So war ich kaum zwei Gassen weit gegangen, da sah ich so ein kleines Pflänzchen auf mich zu hüpfen, und der Mond schien hell genug, daß ich Glückspilzchen erkennen konnte, die bei den drei Tanten wohnt. Du Wetterkind, sagt' ich, wo willst du hin in der späten Nacht? Marsch, mache daß du heim kommst! – Ach höre nur, rief das liebe Geschöpf; die Pedanterliese, meine böse Schwester! da hat sie mir die Puppe wegnehmen wollen, meine Käke, die mir Tante Buchstabiria geschenkt hat, und wie ich sie nicht hergeben wollte, ist sie bitterbös geworden, noch viel erzböser, als sie gewöhnlich ist. Ich habe die halbe Nacht im Bette gelegen und geweint, und die Käke hat auch geweint, denn sie will von der Pedanterliese nichts wissen. Zuletzt aber bekam ich eine so gewaltige Angst, daß ich leise, ganz leise aufgestanden bin, meine Sparbüchse mit den blanken Dreiern in die Tasche steckte und zum Hause hinaushuschte. Und nun will ich nicht mehr zurück, und du mußt mich beschützen. – Mich jammerte es, wie ich Glückspilzchen und die Käke weinen sah, und weil ich noch ganz beglänzt war vom Maiwein, sagte ich, sie solle gutes Muths sein, wir wollten fort zusammen. Da hab' ich sie auf die Schulter gehoben, und so sind wir die Nacht durch gewandert und in den Tag hinein, bis wir dich gefunden haben, geliebter Schusterjunge!

      Glückspilzchen drückte ihre Puppe fester an sich und sagte mit einer ganz feinen Stimme: Ach ja, Hansel, meine Schwester solltest du kennen. Immer strickt sie und lies't und zankt mich aus, wenn ich ein bischen mit der Puppe spiele oder im Garten herumlaufe. Und dann verklagt sie mich bei Tante Buchstabiria oder Strickerina, und ich werde gefitzt. – Weine nur nicht, sagte der gute Hansel; ich spiel' dir auch was vor auf der Harmonica. Da wurde Glückspilzchen ganz fröhlich, holte ihre Sparbüchse heraus und klapperte den Takt dazu mit den Dreiern, während Hansel spielte und der lange Poet folgendes Lied sang:

      Ein Bruder und eine Schwester –

       Nichts Treueres kennt die Welt.

       Kein Goldkettlein hält fester,

       Als Eins am Andern hält.

      Zwei Liebsten so oft sich scheiden;

       Denn Minne die ist voll Wank.

       Geschwister in Lust und Leiden

       Sich lieben ihr Lebelang.

      So treulich, als wie beisammen

       Der Mond und die Erde gehn,

       Als wie der Sternelein Flammen

       Alle Nacht bei einander stehn.

      Die Engel im Himmel sich's zeigen,

       Entzückt bis in Herzensgrund,

       Wenn Bruder und Schwester sich neigen

       Und küssen sich auf den Mund.

      Und als er das gesungen hatte, bog sich Glückspilzchen herunter und wäre beinah gefallen; aber er fing sie auf in den Arm und sie küßte ihn dreimal auf den Mund, weil ihr das Lied so gefallen hatte; dann kletterte sie ihm wieder auf die Schulter und saß und spielte mit der Puppe. Hansel aber sagte: Was mich wundert, ist, daß Ihr eine so volle und tiefe Stimme habt und seid doch so dünn und hoch. – Ja, sagte der Poet, ich habe mein Lebtag hoch hinaus gewollt, und daß ich so schmächtig bin, kommt daher, weil ich so oft abgezeichnet bin von Tante Schönekünstchen; da ist zuletzt nichts mehr an mir geblieben. – Ich bin auch abgemagert; das kam aber von der schlechten Kost der Frau Meisterin, versetzte Hansel. Uebrigens seh' ich dahinten eine einsame Schenke; wärt ihr wohl so gut, für mich auszulegen? – All mein Geld hab' ich zu Hause in dem braunen Ueberrock stecken lassen, sagte der Poet. Wir müssen mit Glückspilzchen ihrer Sparbüchse Haus halten. Du hast doch nichts dagegen, Schwesterchen? – Die Kleine schüttelte lachend den Kopf und reichte ihm ihre blanken Dreier herunter, die er freundlich dankend in die Tasche steckte.

      Während dem Allen waren sie zu dem einsamen Häuschen gekommen, das aber in der Nähe nicht wie eine Schenke aussah; denn es hatte kein Schild vor der Thür, auch keinen grünen Kranz. Innen aber schien eine lustige Gesellschaft zu hausen und zu schmausen, denn man hörte Gläser klingen und Gabeln klappern, und die armen Wandersleute vor der Thür wurden noch einmal so hungrig. Aber der Poet war gar dreist, klopfte kecklich an die Thür, und als Einer kam und fragte, wer draußen sei, antwortete er:

      Ein Poet mit fixem Züngelchen

       Und Glückspilzchen, das feine Dingelchen,

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