Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ die Nase recht und schlecht zu­sam­men und mein­te, in drei, vier Ta­gen wer­de al­les wie­der in Ord­nung sein. Aber es ist nie wie­der ganz in Ord­nung ge­kom­men, ganz ab­ge­se­hen da­von, dass ich mich bis heu­te noch nicht in ei­nem Spie­gel se­hen kann, so sehr bin ich ent­stellt und mir selbst zum Ekel. Nein, ich kann nicht mehr rie­chen, und rich­tig durch die Nase at­men kann ich auch nicht. Ich atme mit halb of­fe­nem Mun­de wie ein Blö­der, und mei­ne Schlaf­ge­nos­sen be­schimp­fen mich und sto­ßen mich nachts, weil ich mit Schnar­chen, Äch­zen und Or­geln ih­nen ih­ren Schlaf stö­re.

      Wahr­haf­tig, die­ser Hund von Po­la­kow­ski hat mich für den Rest mei­nes Le­bens ge­zeich­net, nie kann ich ihn ver­ges­sen. Ei­gent­lich hat Po­la­kow­ski stär­ke­re Spu­ren in mir hin­ter­las­sen als ir­gend­ein an­de­rer Mensch, selbst als Mag­da. Manch­mal sit­ze ich da, und plötz­lich steht wie­der das Bild vor mir, wie ich am Fens­ter je­ner Dach­stu­be ste­he; ich sehe die Stadt mit ih­ren rot­brau­nen Dä­chern im Abend­licht zu mei­nen Fü­ßen, sehe die Schmie zwi­schen Grün blit­zen und hin­ten, schon halb von bläu­li­chem Dunst ver­schlei­ert, das Dach mei­nes ei­ge­nen Hau­ses. In mei­nem Rücken aber ver­si­chert Po­la­kow­ski sanft flüs­ternd, dass er ein sehr ar­mer, aber ehr­li­cher Ar­bei­ter sei, und lässt sei­ne Ge­len­ke da­bei knacken. Da­mals, schon vom ers­ten Au­gen­blick an, habe ich es ge­wusst, dass er ein Lump und ein Lüg­ner war, und hät­te ich ein biss­chen Ver­stand und Ehre im Leib ge­habt, ich hät­te auf der Stel­le die Stu­be ver­las­sen und wäre heim­ge­kehrt zu je­nem Haus im bläu­li­chen Dunst. Ich aber bin in der Un­recht­lich­keit ge­blie­ben, und da­für ist mir heim­ge­zahlt wor­den, tau­send­fäl­tig.

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      Drei oder vier Tage habe ich noch in der Zel­le beim schimp­fen­den Düs­ter­mann ge­le­gen, habe arge Schmer­zen er­tra­gen und mein un­se­li­ges Schick­sal ver­flucht. Je­der Ge­dan­ke war mir ver­gan­gen, mich an Mag­da zu rä­chen oder die Schei­dung zu be­an­tra­gen, ich wäre froh ge­we­sen, hät­ten sie mich heim­ge­hen las­sen zu ihr. Ich wäre auf die Knie vor ihr ge­fal­len und hät­te sie um Ver­zei­hung ge­be­ten, und sie hät­te mich auf­neh­men kön­nen wie einen ver­ach­te­ten Skla­ven, es wäre mir recht ge­we­sen. Aber auch das war nur eine Stim­mung ge­we­sen, die nicht von Be­stand war. Mei­ne Ge­füh­le für Mag­da soll­ten sich noch man­ches Mal än­dern.

      Den Holz­hof habe ich nie wie­der­ge­se­hen und auch nicht mei­nen Kum­pel Mord­horst. Selt­sam, in mei­ner Erin­ne­rung ist es mir heu­te, als sei­en es schö­ne, fried­li­che Stun­den ge­we­sen, die ich dort am Sä­ge­bock ver­bracht habe, mit mei­ner blau­en Ge­fan­ge­nen­ja­cke an­ge­tan, über mir die Kro­nen der Ap­fel- und Birn­bäu­me und den durch­sonn­ten Him­mel.

      An ei­nem spä­ten Nach­mit­tag dann, ich war wie­der ganz über das Ge­schimp­fe des mör­de­ri­schen Brand­stif­ters Düs­ter­mann ver­zwei­felt, ras­sel­te zu ganz un­ge­wohn­ter Zeit das Schloss der Zel­len­tür, der Wacht­meis­ter kam her­ein und rief: »Som­mer, so­fort auf­ste­hen und Ihre Sa­chen pa­cken! Sie wer­den ent­las­sen!«

      Ich fuhr hoch von mei­nem La­ger und starr­te den Wär­ter mit weit auf­ge­ris­se­nen Au­gen an. »Ent­las­sen?«, flüs­ter­te ich, und mein Herz poch­te stark. Also doch! Also doch!

      »Ja, ent­las­sen«, sag­te er er­bar­mungs­los, »in die Heil­an­stalt. Los, los, Mann, pa­cken Sie Ihre Sa­chen zu­sam­men! Den­ken Sie, wir ha­ben so viel Zeit für Sie?«

      »Ach so«, sag­te ich lang­sam und fing an zu pa­cken. »Ach so – in eine Heil­an­stalt.«

      Der Düs­ter­mann sah mir scharf auf die Fin­ger, dass ich auch nichts von sei­nem kost­ba­ren Ei­gen­tum ein­pack­te, und da­bei re­de­te er auf den Wacht­meis­ter ein, wie froh er sei, dass ich fort­kom­me, ich sei der schlech­tes­te Zel­len­ge­nos­se von der Welt ge­we­sen, nie habe ich ein ver­nünf­ti­ges Wort ge­re­det, und mein Krach­ma­chen des Nachts sei ein­fach un­er­träg­lich ge­we­sen. Ich bin ohne ein Wort von ihm ge­gan­gen, ich habe ihn nicht ein­mal mehr an­ge­se­hen.

      Un­ten, im Büro des In­spek­tors, stand ein frem­der Wacht­meis­ter, und er sah mich prü­fend an, und ich sah wohl, dass er bei mei­nem An­blick das Ge­sicht ver­zog. Ich trug noch mei­nen Na­sen­ver­band.

      »Ja«, sag­te der In­spek­tor, »das ist der Mann, dem ein an­de­rer Ge­fan­ge­ner die Nase hat ab­bei­ßen wol­len. Sie ha­ben wohl da­von ge­hört, Wacht­meis­ter?«

      Der hat­te da­von ge­hört.

      Der In­spek­tor setz­te hin­zu: »Es ist aber so­weit ein ganz or­dent­li­cher, ru­hi­ger Mann, ich glau­be, Sie kön­nen ihm die Ket­te er­spa­ren, Wacht­meis­ter.«

      »Nein, nein!«, sag­te der Wacht­meis­ter eif­rig. »Ich bin für den Mann ver­ant­wort­lich, nach­her läuft er mir fort …«

      »Das tun Sie, Wacht­meis­ter, wie Sie es für rich­tig hal­ten«, sag­te der In­spek­tor wie­der. »Ich habe bloß mei­ne Mei­nung ge­sagt. Hö­ren Sie, Som­mer«, wand­te er sich nun an mich, »quit­tie­ren Sie hier mal, dass Sie all Ihre Sa­chen von uns zu­rück­er­hal­ten ha­ben. Ihr Geld schi­cken wir Ih­nen mit der Post nach …«

      »Sen­den Sie es bit­te an mei­ne Frau«, sag­te ich mit plötz­li­chem Ent­schluss. »Ich brau­che kein Geld mehr.«

      »Auch gut«, sag­te der In­spek­tor gleich­mü­tig, und da­mit war ich ent­las­sen.

      Der Wacht­meis­ter leg­te mir das Kett­chen um das Hand­ge­lenk, und so bin ich denn durch mei­ne Va­ter­stadt zum Bahn­hof ge­führt wor­den, es hat mich aber nicht ge­niert. Wie ge­sagt, ich trug noch mei­nen Na­sen­ver­band; selbst Mag­da hät­te mich nicht er­kannt.

      Ich sah man­chen auf der Stra­ße, mit dem ich mich sonst ge­grüßt hät­te, und man­cher oder man­che sah mich an, aber es be­traf mich al­les nicht mehr so recht. Als mein ei­ge­nes Ge­s­penst ging ich durch die Stadt, in der ich eins­tens ge­bo­ren wur­de, auf de­ren Gas­sen ich als Kind ge­spielt hat­te; auf der Bank dort drü­ben hat­te ich ein­mal mit Mag­da ge­ses­sen, da­mals trug sie noch einen Zopf, und wir hat­ten bei­de Schul­ta­schen un­ter dem Arm …

      Nun gin­gen wir an mei­nem ei­ge­nen Ge­schäft vor­über, »Er­win Som­mer, Lan­des­pro­duk­te en gros und en détail« stand noch auf den Milchglas­schei­ben – wie lan­ge noch? Und am Kett­chen ge­führt, einen Hand­kof­fer in der frei­en Hand, ging der­sel­be Er­win Som­mer dar­an vor­bei, le­ben­dig und doch schon ge­stor­ben für all dies, noch gab es Spu­ren sei­nes Le­bens – wie lan­ge noch?

      »Ich bin erst ein­und­vier­zig Jah­re alt«, sag­te ich zu mei­nem Trans­por­teur.

      »Was mei­nen Sie denn da­mit?«, frag­te der jun­ge Be­am­te streng. »Was wol­len Sie denn da­mit sa­gen?«

      »Ach, nichts wei­ter, Herr Wacht­meis­ter«, ant­wor­te­te ich. »Aber, wenn man mit ein­und­vier­zig Jah­ren bei le­ben­di­gem Lei­be schon tot und ge­stor­ben sein soll …«

      »Ach was, ma­chen СКАЧАТЬ