Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte - Wilhelm Hauff страница 42

Название: Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte

Автор: Wilhelm Hauff

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205844

isbn:

СКАЧАТЬ von Paris die Fouqéschen Romane anfingen, in meinem Vaterlande Mode zu werden … .«

      »Was ist das, Fouquésche Romane?« fragte der Lord.

      »Das sind lichtbraune, fromme Geschichten; doch durch diese Definition werden Sie nicht mehr wissen als vorher. Herr von Fouqué ist ein frommer Rittersmann, der, weil es nicht mehr an der Zeit ist, mit Schwert und Lanze zu turnieren, mit der Feder in die Schranken reitet, und kämpft, wie der gewaltigen Währinger einer. Er hat das ein wenig rohe und gemeine Mittelalter modernisiert, oder vielmehr unsere heutige modische Welt in einigen frommen Mystizismus einbalsamiert, und um fünfhundert Jahre zurückgeschoben. Da schmeckt nun alles ganz süßlich und sieht recht anmutig, lichtdunkel aus; die Ritter, von denen man vorher nichts anders wußte, als sie seien derbe Landjunker gewesen, die sich aus Religion und feiner Sitte so wenig machten, als der Großtürke aus dem sechsten Gebot, treten hier mit einer bezaubernden Courtoisie auf, sprechen in feinen Redensarten, sind hauptsächlich fromm und kreuzgläubig.

      Die Damen sind moderne Schwärmerinnen, nur keuscher, reiner, mit steifen Kragen angetan, und überhaupt etwas ritterlich aufgeputzt. Selbst die edlen Rosse sind glänzender als heutzutage und haben ordentlich Verstand, wie auch die Wolfshunde und andere solche Getiere.«

      »Mon dieu! solchen Unsinn liest man in Deutschland?« rief der Franzose und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen.

      »O ja, meine Herren, man liest und bewundert; es gab eine Zeit bei uns, wo wir davon zurückgekommen waren, alles an fremden Nationen zu bewundern; da wir nun, auf unsere eigenen Herrlichkeiten beschränkt, nichts an uns fanden, das wir bewundern konnten, als die tempi passati – so warfen wir uns mit unserem gewöhnlichen Nachahmungseifer auf diese und wurden allesamt altdeutsch.

      Mancher hatte aber nicht Phantasie genug, um sich ganz in jene herrliche vergangene Zeiten hineinzudenken, man fühlte allgemein das Bedürfnis von Handbüchern, die, wie Modejournale neuerer Zeit, über Sitten und Gebräuche bei unseren Vorfahren uns belehrt hätten, da trat jener fromme Ritter auf, ein zweiter Orpheus, griff er in die Saiten und es entstand ein neu Geschlecht; die Mädchen, die bei den französischen Garnisonen etwas frivol geworden waren, wurden sittige, keusche, fromme Fräulein, die jungen Herren zogen die modischen Fracks aus, ließen Haar und Bart wachsen, an die Hemder eine halbe Elle Leinwand setzen, und ›Kleider machen Leute‹ sagt ein Sprichwort, probatum est, auch sie waren tugendlich, tapfer und fromm.«

      »God damn! Sie haben recht, ich habe solche Figuren gesehen«, unterbrach ihn der Engländer, »vor acht Jahren machte ich die große Tour und kam auch nach der Schweiz. Am Vierwaldstätter See ließ ich mir den Ort zeigen, wo die Schweizer ihre Republiken gestiftet haben. Ich traf auf der Wiese eine Gesellschaft, die wunderlich, halb modern, halb aus den Garderoben früherer Jahrhunderte sich gekleidet zu haben schien. Fünf bis sechs junge Männer saßen und standen auf der Wiese und blickten mit glänzenden Augen über den See hin. Sie hatten wunderbare Mützen auf dem Kopf, die fast anzusehen waren wie Pfannkuchen. Lange wallende Haare fielen in malerischer Unordnung auf den Rücken und die Schultern; den Hals trugen sie frei und hatten breite, zierlich gestickte Kragen, wie heutzutage die Damen tragen, herausgelegt.

      Ein Rock, der offenbar von einem heutigen Meister, aber nach antiker Form gemacht war, kleidete sie nicht übel; er schloß sich eng um den Leib und zeigte überall den schönen Wuchs der jungen Männer. In sonderbarem Kontrast damit standen weite Pluderhosen von grober Leinwand. Aus ihren Röcken sahen drohende Dolchgriffe hervor, und in der Hand trugen sie Beilstöcke, ungefähr wie die römischen Liktoren. Gar nicht recht wollte aber zu diesem Kostüm passen, daß sie Brillen auf der Nase hatten und gewaltig Tabak rauchten.

      Ich fragte meinen Führer, was das für eine sonderbare Armatur und Uniform wäre, und ob sie vielleicht eine Besatzung der Grütli-Wiese vorstellen sollten? Er aber belehrte mich, daß es fahrende Schüler aus Deutschland wären. Unwillkürlich drängte sich mir der Gedanke an den fahrenden Ritter Don Quijote auf, ich stieg lachend in meinen Kahn und pries mein Glück, auf einem Platz, der durch die erhabenen Erinnerungen, die er erweckt, nur zu leicht zu träumerischen Vergleichungen führt, eine so groteske Erscheinung aus dem Leben gehabt zu haben. Die jungen Deutschen söhnten mich aber wieder mit sich aus, denn als mein Kahn über den See hingleitete, erhoben sie einen vierstimmigen Gesang in so erhabener Melodie, mit so würdigen, ergreifenden Wendungen, daß ich ihnen in Gedanken das Vorurteil abbat, welches ihr Kostüm in mir erweckt hatte.«

      »Nun ja, da haben wir’s«, fuhr der Baron von Garnmacher fort, »so sah es damals unter alt und jung in Deutschland aus; auch ich hatte Fouquésche Romane gelesen, wurde ein frommer Knab, trug mich wie alle meine Kameraden altdeutsch und war meiner Herrin, der ›wunnigen Maid‹ mit einer keuschen, inniglichen Minne zugetan. Auf Amalien machte übrigens der › Zauberring‹, die › Fahrten Thiodolfs‹ etc. nicht den gewünschten Eindruck; sie verlachte die sittigen, lichtbraunen, blauäugigen Damen, besonders die Bertha von Lichtenrieth, und pries mir Lafontaine und Langbein, schlüpfrige Geschichten, welche ihr eine ihrer Freundinnen zugesteckt hatte.

      Ich war zu erfüllt von dem deutschen Wesen, das in mir aufging, als daß ich ihr Gehör gegeben hätte, aber der lüsterne Brennstoff jener Romane brannte fort in dem Mädchen, das sich, weil sie für ihr Alter schon ziemlich groß war, für eine angehende Jungfrau hielt, und kurz – es gab eine Josephsszene zwischen uns; ich hüllte mich in meinen altdeutschen Rock und meine Fouquésche Tugend ein und floh vor den Lockungen der Sirene, wie mein Held Thiodolf vor der herrlichen Zoe.

      Die Folge davon war, daß sie mich als einen Unwürdigen verachtete, und dem Prinzen, des Rektors Sohn, ihre Liebe schenkte. Ob er mit ihr Lafontaine und Langbein studierte, weiß ich nicht zu sagen, nur so viel ist mir bekannt, daß ihn der Fürst, Amaliens Vater, einige Wochen nachher eigenhändig aus dem Garten gepeitscht hat.

      Ich saß jetzt wieder auf meinem Dachkämmerlein, hatte die hebräische Bibel und die griechischen Unregelmäßigen vor mir liegen und auf ihnen meine Romane. An manchem Abend habe ich dort heiße Tränen geweint und durch die Jalousien in den Garten hinabgeschaut, denn die zuchtlose Jungfrau sollte meinen Jammer nicht erschauen, sie sollte den Kampf zwischen Haß und Liebe nicht auf meinem Antlitz lesen. Ich war fest überzeugt, daß so unglücklich wie ich, kein Mensch mehr sein könne und höchstens der unglückliche Otto von Trautwangen, als er in Frankreich mit seinem vernünftigen lichtbraunen Rößlein eine Höhle bewohnte, konnte vielleicht so kummervoll gewesen sein wie ich.

      Aber das Maß meiner Leiden war nicht voll; hören Sie, wie ›aus entwölkter Höhe‹, mich ein zweiter Donner traf.

      Der alte Rektor hatte seinen Schülern ein Thema zu einem Aufsatz gegeben, worin wir die Frage beantworten sollten, wen wir für den größten Mann Deutschlands halten? Es sollte sein Wert geschichtlich nachgewiesen, Gründe für und wider angegeben und überhaupt alles recht gelehrt abgemacht werden. Ich hatte, wie ich Ihnen schon bemerkt habe, meine Herren, immer einen harten Kopf, und Aufsätze mit Gründen waren mir von jeher zuwider gewesen, ich hatte also auch immer mittelmäßige oder schlechte Arbeit geliefert. Aber für diese Arbeit war ich ganz begeistert, ich fühlte eine hohe Freude in mir, meine Gedanken über die großen Männer meines Vaterlandes zu sagen und meine Ideale (und wer hat in diesen Jahren nicht solche) in gehöriges Licht setzen zu können.

      Geschichtlich sollte das Ding abgefaßt werden? was war leichter für mich als dies; jetzt erst fühlte ich den Nutzen meines eifrigen Lesens; wo war einer, der so viele Geschichten gelesen hatte als ich? Und wer, der irgendeinmal diese Bücher der Geschichten in die Hand nahm, wer konnte in Zweifel sein, wer die größten Männer meines Vaterlandes seien? Zwar war ich noch nicht ganz mit mir selbst im reinen, wem ich die Krone zuerkennen sollte; Hasper a Spada? es ist wahr, es war ein Tapferer, der Schrecken seiner Feinde, die Liebe seiner Freunde; aber, wie die Geschichte sagt, war er sehr stark dem Trinken ergeben und dies war doch schon eine Schlacke in seinem fürtrefflichen Charakter; Adolph der Kühne, Raugraf von Dassel? Er hat schon etwas СКАЧАТЬ