Название: Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte
Автор: Wilhelm Hauff
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027205844
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Seine Kleidung, wie seine Sitten schien er von verschiedenen Nationen entlehnt zu haben. Sein Rock mit vielen Knöpfen und Schnüren war polnischen Ursprungs; er war auf russische Weise auf der Brust vier Zoll hoch wattiert, schloß sich spannend über den Hüften an, und formierte die Taille so schlank, als die einer hübschen Altenburgerin; er hatte ferner enge Reithosen an, weil er aber nicht selbst ritt, so waren solche nur aus dünnem Nanking verfertigt, aus ebendiesem Grund mochten auch die Sporen mehr zur Zierde und zu einem wohltönenden, Aufmerksamkeit erregenden Gang, als zum Antreiben eines Pferdes dienen. Ein feiner italienischer Strohhut vollendete das gewählte Kostüm.
Ich sehe es einem gleich bei der Art, wie er den Stuhl nimmt und sich niedersetzt, an, ob er viel in Zirkeln lebte, wo auch die kleinste Bewegung von den Gesetzen des Anstandes und der feinen Sitte geleitet wird; der Stutzer setzte sich passabel, doch bei weitem nicht mit jener feinen Leichtigkeit, wie der Franzose, und der Engländer zeigte selbst in seiner nachlässigen, halb sitzenden, halb liegenden Stellung mehr Würde als jener, der sich so gut aufrecht hielt, als es nur immer ein Tanzmeister lehren kann.
Diese Bemerkungen, zu welchen ich vielleicht bei weitem mehr Worte verwendet habe, als es dem Leser dieser Memoiren nötig scheinen möchte, machte ich in einem Augenblick, denn man denke sich nicht, daß der junge Deutsche mir so lange gesessen sei, bis ich ihn gehörig abkonterfeit hatte.
Der Marquis wandte sich sogleich an seinen neuen Nachbar. »Mein Gott, Herr von Garnmacker«, sagte er, »ich möchte verzweifeln; der englische Herr da scheint mich nicht zu verstehen und ich bin seiner Sprache zu wenig mächtig, um die Konversation mit gehöriger Lebhaftigkeit zu führen; denn ich bitte Sie, mein Herr, gibt es etwas Langweiligeres, als wenn drei schöne junge Leute beieinander sitzen, und keiner den andern versteht?«
»Auf Ehre, Sie haben recht«, antwortete der Stutzer in besserem Französisch, als ich ihm zugetraut hätte; »man kann sich zur Not denken, daß ein Türke mit einem Spanier Billard spielt, aber ich sehe nicht ab, wie wir unter diesen Umständen mit dem Herrn plaudern können.«
»J’ai bien compris, Messieurs«, sagte der Lord ganz ruhig neben seiner Zigarre vorbei, und nahm wieder einigen Rum zu sich.
»Ist’s möglich, Mylord?« rief der Franzose vergnügt, »das ist sehr gut, daß wir uns verstehen können! Marqueur, bringen Sie mir Zuckerwasser! O das ist vortrefflich, daß wir uns verstehen, welch schöne Sache ist es doch um die Mitteilung, selbst an einem Ort, wie dieser hier.«
»Wahrhaftig, Sie haben recht, Bester!« gab der Deutsche zu; »aber wollen wir nicht zusammen ein wenig umherschlendern, um die schöne Welt zu mustern? Ich nenne Ihnen schöne Damen von Berlin, Wien, von allen möglichen Städten meines Vaterlandes, die ich bereist habe; ich hatte oben große Bekanntschaften und Konnexionen, und darf hoffen, an diesem verfl … Ort manche zu treffen, die ich zu kennen das Glück hatte; Mylord nennt uns die Schönen von London, und Sie, teuerster Marquis, können uns hier Paris im kleinen zeigen.«
»Gott soll mich behüten!« entgegnete eifrig der Franzose, indem er nach der Uhr sah, »jetzt, um diese frühe Stunde wollen Sie die schöne Welt mustern?«
»Meinen Sie, mein Herr, ich habe in diesem détestable purgatoire so sehr allen guten Ton verlernt, daß ich jetzt auf die Promenade gehen sollte?«
»Nun, nun«, antwortete der Stutzer, »ich meine nur, im Fall wir nichts Besseres zu tun wüßten. Sind wir denn nicht hier wie die drei Männer im Feuerofen? Sollen wir wohl ein Loblied singen wie jene? Doch wenn es Ihnen gefällig ist, mein Herr, uns einen Zeitvertreib vorzuschlagen, so bleibe ich gerne hier.«
»Mein Gott«, entgegnete der Incroyable, »ist dies nicht ein so anständiger Kaffee, als Sie in ganz Deutschland keinen haben? Und fehlt es uns an Unterhaltung? Können wir nicht plaudern, soviel wir wollen? Sagen Sie selbst, Mylord, ist es nicht ein gutes Haus, kann man diesen Salon besser wünschen, nein! Monsieur le diable hat Geschmack in solchen Dingen, das muß man ihm lassen.«
»Une confortable maison!« murmelte Mylord, und winkte dem Franzosen Beifall zu. »Et ce salon confortable.«
»Gute Tafel, mein Herr?« fragte der Marquis, »nun die wird auch da sein, ich denke mir, man speist wohl nach der Charte? Aber meine Herren, was sagen Sie dazu, wenn wir uns zur Unterhaltung gegenseitig etwas aus unserem Leben erzählen wollten? Ich höre so gerne interessante Abenteuer, und Baron Garnmacker hat deren wohl so viele erlebt als Mylord?«
»God damn! das war ein vernünftiger Einfall, mein Herr«, sagte der Engländer, indem er mit der Reitgerte auf den Tisch schlug, die Füße von dem Stuhl herabzog, und sich mit vieler Würde in dem Fauteuil zurechtsetzte; »noch ein Glas Rum, Marqueur!«
»Ich stimme bei«, rief der Deutsche, »und mache Ihnen über Ihren glücklichen Gedanken mein Kompliment, Herr von Lasulot. – Eine Flasche Rheinwein, Kellner! – Wer soll beginnen, zu erzählen?«
»Ich denke, wir lassen dies das Los entscheiden«, antwortete Lord Fotherhill, »und ich wette fünf Pfund, der Marquis muß beginnen.«
»Angenommen, mein Herr«, sagte mit angenehmem Lächeln der Franzose; »machen Sie die Lose, Herr Baron, und lassen Sie uns ziehen, Nummer zwei soll beginnen.«
Baron Garnmacher stand auf und machte die Lose zurecht, ließ ziehen und die zweite Nummer fiel auf ihn selbst.
Ich sah den Franzosen dem Lord einen bedeutenden Wink zuwerfen, indem er das linke Auge zugedrückt, mit dem rechten auf den Deutschen hinüberdeutete; ich übersetzte mir diesen Wink so: »Geben Sie einmal acht, Mylord, was wohl unser ehrlicher Deutscher vorbringen mag. Denn wir beide sind schon durch den Rang unserer Nationen weit über ihn erhaben.«
Baron von Garnmacher schien aber den Wink nicht zu beachten; mit großer Selbstgefälligkeit trank er ein Glas seines Rheinweins, wischte in der Eile den Stutzbart mit dem Rockärmel ab und begann:
>Neunzehntes Kapitel
Geschichte des deutschen Stutzers
»Als mein Großvater, der kaiserlich-königlich –«
»Ich bitte Sie, mein Herr«, unterbrach ihn der Incroyable, »schenken Sie uns den Großpapa, und fangen Sie gleich bei Ihrem Vater an; was war er?«
»Nun ja, wenn es Ihnen so lieber ist, aber ich hätte mich gerne bei dem Glanz unserer Familie länger verweilt; mein Vater lebte in Dresden auf einem ziemlich großen Fuß –«
»Was war er denn, der Herr Papa? Sie verzeihen, wenn ich etwas zu neugierig erscheine, aber zu einer Geschichte gehört Genauigkeit.«
»Mein Vater«, fuhr der Stutzer etwas mißmutig fort, »war Kleiderfabrikant en gros –«
»Wie«, fragte der Lord, »was ist Kleiderfabrikant? Kann man in Deutschland Kleider in Fabriken machen?«
»Hol mich der Teufel, wie er schon getan!« rief der Stutzer unwillig, und stieß das Glas auf den Tisch; »das ist nicht die Art, СКАЧАТЬ