Название: Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte
Автор: Wilhelm Hauff
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027205844
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Und warum diese häßliche Gestalt? frage ich noch einmal. Darum, antworte ich, weil Goethe, der so hoch über seinem Werk schwebende Dichter, seinen Satan anthropomorphisiert; um den gefallenen Engel würdig genug darzustellen, kleidet er ihn in die Gestalt eines tief gefallenen Menschen. Die Sünde hat seinen Körper häßlich, mager, unangenehm gemacht. In seinem Gesicht haben alle Leidenschaften gewühlt und es zur Fratze entstellt, aus dem hohlen Auge sprüht die grünliche Flamme des Neides, der Gier; der Mund ist widrig, hämisch wie der eines Elenden, der alles Schöne der Erde schon gekostet hat und jetzt aus Übersättigung den Mund darüber rümpft; der Unschuld ist es nicht wohl in seiner befleckenden Nähe, weil ihr vor diesen Zügen schaudert.
So hat der Dichter, weil er einen schlechten Menschen vor Augen hatte, einen schlechten Teufel gemalt.
Oder steht etwa in der Mythologie des Herrn von Goethe, der Teufel könne nun einmal nicht anders aussehen, er könne sein Gesicht, seine Gestalt nicht verwandeln? Nein, man lese:
»Auch die Kultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen,
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut,
Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere;«
Und an einem andern Ort läßt er mich mein Gesicht ein »Mäskchen« nennen; folglich kann er sich eine Maske geben, kann sich verwandeln; aber wie gesagt, der Dichter hat sich begnügt, das nordische Phantom dennoch beizubehalten, nur daß er mich von » Hörnern, Schweif und Klauen« dispensiert.
Dies ist das Bild des Mephistopheles, dies ist Goethes Teufel, jenes nordische Phantom soll mich vorstellen; darf nun ein vom Dichter so hoch gestellter Mensch durch eine so niedrige Kreatur, die sich schon durch ihre Maske verdächtig macht, ins Verderben geführt werden? darf jener große Geist, der noch in seinem Falle die übrigen hoch überragt, darf er durch einen gewöhnlichen »Bruder Lüderlich«, als welchen sich Mephisto ausweist, herabgezogen werden? Und – muß nicht diese Maske der Würde jener Tragödie Eintrag tun?
Doch ich schweige; an geschehenen Dingen ist nichts zu ändern, und meine verehrte Großmutter würde über diesen Gegenstand zu mir sagen:
»Söhnchen! Diabole! Bedenke, daß ein großer Dichter ein großes Publikum haben, und um ein großes Publikum zu bekommen, so populär als möglich sein muß.«
Siebzehntes Kapitel
Der Besuch
Bei diesem allem bleibt »Faust« ein erhabenes Gedicht, und Goethe einer der ersten Geister seiner Zeit, und man darf sich daher nicht wundern, daß ich ein großes Verlangen in mir fühlte, diesen Mann einmal zu sehen. Ich hätte ihm einen unerwarteten Besuch machen können, ja wenn ich oft recht ärgerlich über mein Zerrbild war, stand ich auf dem Sprung, ihm einmal im Kostüm des Mephistopheles nächtlicherweile zu erscheinen, und ihm einigen Schrecken in die Glieder zu jagen; aber eine gewisse Gutmütigkeit, die man zuweilen an mir gefunden hat, hielt mich immer wieder ab, dem alten Mann eine schlaflose Nacht zu machen.
Ich entschloß mich daher, als Doctor legens, ein ehrsamer Titel auf Reisen, ihn zu besuchen, und als solcher kam ich in Weimar an. Es ist mit berühmten Leuten wie mit einem fremden Tiere; kömmt ein ehrlicher Pächter mit seiner Familie in die Stadt auf den Jahrmarkt, so ist sein erstes, daß er in der Schenke den Hausknecht fragt: »Wann kann man den Löwen sehen, Bursche?« »Mein Herr«, antwortet der Gefragte, »die Affen und der Seehund sind den ganzen Tag zu haben, der Löwe aber ist am besten aufgelegt, wenn er das Futter im Leib hat, daher rate ich, um jene Zeit hinzugehen.«
Geradeso erging es mir in Weimar; ich fuhr von Jena aus mit einem jungen Amerikaner hinüber. Auch in sein Vaterland war des Dichters Ruhm schon längst gedrungen, und er machte auf der großen Tour durch Europa dem berühmten Mann zu Ehren schon einen Umweg von zwanzig Meilen. In dem Gasthof, wo wir abgestiegen waren, fragten wir sogleich, um welche Zeit wir bei Herrn von Goethe vorkommen könnten? Wir waren in Reisekleidern, die besonders bei meinem Gefährten etwas unscheinbar geworden waren; der Wirt musterte uns daher mit mißtrauischen Blicken und fragte, ehe er noch unsere Frage beantwortete, ob wir auch Fracks bei uns hätten?
Wir waren glücklicherweise beide damit versehen, und unser Wirt versprach, uns sogleich anmelden zu lassen. »Sie werden wahrscheinlich nach dem Diner, um fünf Uhr angenommen werden, um diese Zeit sind Seine Exzellenz am besten zu sprechen. Zweifle auch gar nicht, daß Sie angenommen werden, denn wenn man, wie der Herr hier, eigens deswegen aus Amerika nach Weimar kömmt, wäre es doch unbarmherzig, einen ungesehen wieder fortzuschicken.«
Dieser Patriotismus ging doch wahrhaftig sehr weit; doch wir ließen den guten Mann auf dem Glauben, der junge Philadelphier komme recta nach Weimar, und gehe von da wieder heim; übrigens hatte er richtig prophezeit: Doctor legens Supfer, wie ich mich nannte, und Forthill aus Amerika, waren auf fünf Uhr bestellt.
Endlich schlug die Stunde, wir machten uns auf den Weg. Der Dichter wohnt sehr schön. Eine sanfte, geschmackvolle, mit Statuen dekorierte Treppe führt zu ihm; eine tiefe, geheimnisvolle Stille lag auf dem Hausgang, den wir betraten; schweigend führte uns der Diener in das Besuchzimmer. Behagliche Eleganz, Zierlichkeit und Feinheit, verbunden mit Würde, zeichneten dieses Zimmer aus. Mein junger Gefährte betrachtete staunend diese Wände, diese Bilder, diese Meubles. So hatte er sich wohl das » Stübchen des Dichters« nicht vorgestellt. Mit der Bewunderung dieser Umgebungen schien auch die Angst vor der Größe des Erwarteten zu steigen. Alle Nuancen von Rot wechselten auf seinem angenehmen Gesicht; sein Herz pochte hörbar, sein Auge war starr an die Türe geheftet, durch welche der Gefeierte eintreten mußte.
Ich hatte indes Muße genug, über den großen Mann nachzudenken. Wieviel weiter, sagte ich mir, wie unendlich weiter helfen dem Sterblichen Gaben des Geistes als der zufällige Glanz der Geburt.
Der Sohn eines unscheinbaren Bürgers von Frankfurt hat hier die höchste Stufe erreicht, die dem Menschen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, offensteht. Es hat schon mancher diese Stufe erstiegen. Geschäftsmänner vom Fach haben vom bescheidenen Plätzchen an der Türe alle Sitze ihrer Kollegien durchlaufen, bis endlich der Stuhl, der zunächst am Throne steht, sie in seine Arme aufnahm. Mancher hat sich auf dem Schlachtfeld das Portefeuille erkämpft. – Goethe hat sich seine eigene Bahn gebrochen, auf welcher ihm noch keiner voranging, noch keiner gefolgt ist; er hat bewiesen, daß der Mensch kann, was er will; denn man sage mir nichts von einem das All umfassenden Genie, von einem Geist, der sein Zeitalter gebildet, es stufenweise zu dem Höheren geführt habe – das Zeitalter hat ihn gebildet.
Ich kann mir noch wohl denken, welch heilloses Leben »Werther« in das liebe Deutschland machte. Die Lotten schienen wie durch einen Zauberschlag aus dem Boden zu wachsen; die Zahl der Werther war Legion. Aber was war hierin Goethes Verdienst? Hatte es wirklich nur daran gefehlt, daß er das Hörnchen an den Mund setzte, und bei dem ersten Ton, den er angab, mußte Pfaffe und Laie, Nönnchen und Dämchen in wunderlichen Kapriolen ihren Sankt-Veits-Tanz beginnen? Wie heißt dieses große schöpferische Geheimnis? Alles zu rechter Zeit. Der »Siegwart« hatte die harten Herzen aufgetaut СКАЧАТЬ