Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ und den, bildlich gesprochen, toten Katzen der Zivilisation. Aber seht ihr, ich kann ja nicht nach meinem Gutdünken handeln. Er wird nicht vergessen werden. Was immer er auch war, er war nicht alltäglich. Er hatte die Macht, unverdorbene Gemüter so zu bezaubern oder zu erschrecken, daß sie ihm zu Ehren einen Teufelstanz mit erschwerenden Begleitumständen aufführten. Er konnte auch die kleinen Seelen der Pilger mit bitterer Befürchtung erfüllen: er hatte zumindest einen ergebenen Freund und hatte in der Welt eine Seele gewonnen, die vielleicht nicht unverdorben, aber auch nicht eigennützig war. Nein, ich kann ihn nicht vergessen, wenn ich auch nicht unbedingt behaupten möchte, daß der Bursche den Toten wert war, den uns die Fahrt zu ihm kostete. Ich vermißte meinen verstorbenen Steuermann schwer – begann ihn schon zu vermissen, während sein Leichnam noch im Ruderhaus lag. Vielleicht werdet ihr dieses Bedauern für einen Wilden übertrieben finden, der ja ebenso unwichtig war wie ein Sandkorn in einer schwarzen Sahara. Nun, seht ihr, der Bursche hatte etwas getan, er hatte gesteuert; Monate durch hatte ich ihn hinter mir gehabt – eine Hilfe – ein Werkzeug. Es war eine Art Gemeinschaft. Er steuerte für mich – ich hatte nach ihm zu sehen, mich über seine Fehler zu ärgern, und so war ein loses Band entstanden, das mir erst zum Bewußtsein kam, als es plötzlich gerissen war. Und die vertraute Tiefe des Blickes, den er mir zuwarf, als er seine Wunde empfangen hatte, ist mir bis zu diesem Tage in Erinnerung – als hätte er, im letzten Augenblick, eine entfernte Verwandtschaft geltend machen wollen.

      Armer Kerl! Hätte er nur den Fensterladen in Ruhe gelassen! Er hatte keine Hemmungen, keine Hemmungen – genau wie Kurtz – ein Baum, der im Winde schwankte. Sobald ich ein Paar trockene Pantoffel angezogen hatte, schleppte ich ihn hinaus, nachdem ich erst den Speer aus seiner Wunde gezogen hatte; das war, wie ich zugebe, mit fest geschlossenen Augen geschehen. Seine Fersen hüpften nebeneinander über die niedrige Schwelle; seine Schultern hielt ich an meine Brust gedrückt; ich zog ihn verzweifelt rücklings hinter mir her. Oh! er war ziemlich schwer; schwerer als irgendein Erdenmensch, sollte ich meinen. Dann kippte ich ihn ohne alle weiteren Förmlichkeiten über Bord. Die Strömung riß ihn mit, als wäre er ein Grasbündel gewesen, und ich sah den Körper sich zweimal überschlagen, bevor er mir für immer aus den Augen entschwand. Alle die Pilger und der Direktor waren unter dem Sonnensegel rings um das Ruderhaus versammelt, schnatterten untereinander wie eine Schar aufgeregter Gänse, und es gab ein Murmeln der Empörung über meine herzlose Eilfertigkeit. Warum, nach ihrer Meinung, der Leichnam länger hätte herumliegen sollen, kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht wollten sie ihn einbalsamieren. Ich hatte aber auch ein anderes und sehr unheilkündendes Murmeln unter mir auf Deck gehört. Meine Freunde, die Holzfäller, waren gleichermaßen entrüstet, und mit einem großen Anschein von Recht – obwohl ich zugebe, daß der Grund selbst ganz unzulässig war. Ganz recht! Ich hatte den Entschluß gefaßt, daß, wenn mein verstorbener Steuermann gefressen werden sollte, ihn die Fische allein haben sollten. Er war zu Lebzeiten ein sehr minderwertiger Steuermann gewesen, jetzt aber, da er tot war, hätte er leicht eine sehr vollwertige Versuchung werden und einen Aufruhr entfesseln können. Überdies mußte ich auch schleunigst das Steuerrad übernehmen, da sich der Mann im roten Pyjama als hoffnungsloser Stümper erwies.

      Das tat ich, sobald das einfache Begräbnis vorüber war. Wir fuhren mit halber Kraft, hielten uns gut in der Mitte des Stromes, und ich horchte auf das Gerede über mich. Sie hatten Kurtz aufgegeben und hatten die Station aufgegeben; Kurtz war tot, die Station war niedergebrannt und so weiter und so weiter. Der rothaarige Pilger war außer sich bei dem Gedanken, daß der arme Kurtz zum wenigsten gehörig gerächt worden war. ›Sagen Sie doch! Wir müssen ein wahres Blutbad unter denen im Busch angerichtet haben, wie? Was denken Sie, sagen Sie!‹ Er tanzte geradezu herum, der blutdürstige, rotköpfige kleine Wicht. Und er war fast ohnmächtig geworden, als er den Verwundeten erblickt hatte! Ich konnte mich nicht enthalten zusagen: ›Sie haben jedenfalls eine glorreiche Rauchwolke zustande gebracht.‹ Ich hatte an der Art, wie die Spitzen der Büsche schwankten, sofort erkannt, daß fast alle Schüsse zu hoch gegangen waren. Man kann natürlich nichts treffen, wenn man nicht an der Schulter anschlägt und zielt; die Kerle aber hatten mit geschlossenen Augen, von der Hüfte aus gefeuert. Der Rückzug, behauptete ich – und ich hatte recht – , war durch das Kreischen der Dampfpfeife verursacht. Daraufhin vergaßen sie Kurtz und begannen mich mit lautem, entrüstetem Widerspruch zu überschütten.

      Der Direktor stand nahe beim Rad und murmelte vertraulich etwas von der Notwendigkeit, unbedingt noch vor Dunkelheit den Strom wieder hinabzukommen, als ich in einiger Entfernung eine Lichtung am Ufer und die Umrisse einer Art von Gebäude sah.›Was ist das?‹ fragte ich. Er schlug verwundert die Hände zusammen.›Die Station‹, rief er. Ich hielt sofort darauf zu, immer noch mit halber Kraft. Durch mein Glas sah ich einen Hügelhang, mit wenigen Bäumen bestanden und ganz frei von Unterwuchs. Ein langes, verfallenes Gebäude auf dem Gipfel war halb in dem hohen Gras begraben; die großen Löcher in dem spitzen Dach gähnten von weitem schwarz her; das Dschungel und die Wälder bildeten den Hintergrund. Es gab keine Umzäunung oder Abgrenzung irgendwelcher Art. Doch war augenscheinlich eine dagewesen, denn nahe beim Hause standen noch ein halb Dutzend dünner Pfähle in einer Reihe, roh behauen und an ihrem oberen Ende mit runden, geschnitzten Kugeln geschmückt. Das Gitter, oder was sonst sie untereinander verbunden hatte, war verschwunden. Natürlich schloß der Wald das alles ein. Das Ufer war geräumt, und hart am Wasser sah ich einen weißen Mann unter einem Hut von der Größe eines Wagenrades, der unermüdlich mit dem ganzen Arm winkte. Während ich die Waldkante oben und unten beobachtete, glaubte ich ganz gewiß Bewegungen zu sehen, menschliche Formen, die da-und dorthinglitten. Ich dampfte vorsichtig vorbei, stoppte dann die Maschine und ließ das Schiff zurücktreiben. Der Mann am Ufer begann zu brüllen und forderte uns dringend auf, zu landen.›Wir sind angegriffen worden‹ schrie der Direktor. ›Ich weiß, ich weiß. Schon recht‹, kreischte der andere zurück, so herzlich wie möglich. ›Kommt nur, es ist schon recht, ich freue mich.‹

      Sein Anblick erinnerte mich an etwas, das ich gesehen hatte – etwas Lustiges, das ich irgendwo gesehen hatte. Während ich manövrierte, um anlegen zu können, überlegte ich,›wie sieht der Bursche aus?‹ Plötzlich hatte ich es. Er sah aus wie ein Harlekin. Seine Kleider waren aus einem Zeug gemacht, das ursprünglich wohl braunes Leinen gewesen, jetzt aber über und über mit Flicken besetzt war, mit bunten Flicken, blau, rot und gelb, hinten und vorn, an den Ellbogen und den Knien; eine farbige Kante rings um seine Jacke, ein scharlachroter Besatz an den Hosensäumen; und im Sonnenschein sah er unendlich lustig und dabei sehr sauber aus, und man merkte genau, wie sorgfältig die Flickarbeit gemacht worden war. Ein bartloses Knabengesicht, sehr blond, keine ausgeprägten Züge, eine Nase, die sich eben schälte, kleine, blaue Augen, Lächeln und Stirnrunzeln, die einander auf dem offenen Gesicht folgten, wie Sonnenschein und Schatten auf einer windgepeitschten Ebene. ›Achtung, Kapitän!‹ rief er. ›Da ist letzte Nacht ein Baumklotz angeschwemmt worden.‹ – ›Was, noch ein Baumstamm?‹ Ich gestehe, daß ich schamlos fluchte. Zum guten Ende der entzückenden Reise hätte ich um ein Haar noch ein Loch in meinen armen Krüppel von Dampfer gerannt. Der Harlekin am Ufer wandte mir seine kleine Stupsnase zu. ›Sie englisch?‹ fragte er mit breitestem Lächeln. ›Sind Sie’s?‹ rief ich vom Rad aus hinüber. Das Lächeln verschwand, und er schüttelte den Kopf, als täte ihm meine Enttäuschung leid. Dann klarte er wieder auf. ›Macht nichts‹, rief er ermutigend. ›Kommen wir rechtzeitig?‹ fragte ich. ›Er ist dort oben‹, gab er zurück, deutete mit dem Kopf den Hügel hinauf und wurde mit einmal ganz düster. Sein Gesicht war wie der Herbsthimmel, umwölkt in einem Augenblick und ganz klar im nächsten. Als der Direktor inmitten der Pilger – allesamt bis an die Zähne bewaffnet – zu dem Haus hinaufgegangen war, kam der komische Kauz an Bord. ›Ich muß Ihnen sagen, mir gefällt das nicht. Die Eingeborenen sind im Busch‹, sagte ich. Er versicherte mir ernsthaft, es sei alles in Ordnung. ›Es sind einfältige Leute‹, fügte er hinzu. ›Nun, ich freue mich, daß Sie gekommen sind. Ich hatte unaufhörlich zu tun, sie abzuwehrend.‹ – ›Aber Sie sagten ja eben, es sei alles in Ordnung‹, rief ich. – ›Oh, sie hatten nichts Böses im Sinn‹, sagte er und verbesserte sich unter meinem starren Blick: ›Das nicht gerade.‹ Dann rief er lebhaft: ›Ihr Ruderhaus muß sauber gemacht werden!‹ In einem Atem riet er mir, Dampf im Kessel zu halten, um im Notfall die Dampfpfeife blasen zu können. ›Ein guter Pfiff wird СКАЧАТЬ