Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ Seele war am Ufer zu sehen. Die Büsche regten sich nicht.

      Plötzlich tauchte um die Ecke des Hauses herum eine Gruppe von Leuten auf, als wären sie aus der Erde emporgewachsen. Sie wateten bis zur Hüfte durch das Gras, in einem gedrängten Haufen, und trugen eine notdürftig zurechtgezimmerte Bahre in ihrer Mitte. Augenblicklich gellte ein Schrei durch die leere Landschaft, dessen Schrille die Luft zerriß wie ein scharfer Pfeil, der mitten ins Herz der Landschaft flog; und wie durch Zauberschlag ergossen sich Ströme menschlicher Wesen – nackter menschlicher Wesen – mit Speeren in den Händen, mit Bogen, Schilden, mit wilden Blicken und heftigen Bewegungen aus dem dunkelblickenden, nachdenklichen Wald in die Lichtung. Die Büsche rauschten, das Gras wallte eine Zeitlang, und dann stand alles achtsam und unbeweglich still. ›Nun, wenn er ihnen jetzt nicht das rechte Wort sagt, dann ist es um uns alle geschehen‹, sagte der Russe an meinem Ellbogen. Die paar Leute mit der Tragbahre waren auch wie versteinert auf dem halben Wege zum Dampfer stehengeblieben. Ich sah, wie der Mann auf der Bahre sich mühsam aufsetzte und über die Schultern der Träger den Arm emporstreckte. ›Hoffen wir, daß der Mann, der so gut über Liebe im allgemeinen zu reden versteht, einen besonderen Beweisgrund finden wird, um uns diesmal zu retten‹, sagte ich. Ich litt schwer unter der unsinnigen Gefahr unserer Lage, als wäre es eine entehrende Notwendigkeit gewesen, von der Gnade dieses grausamen Gespenstes abhängig zu sein. Ich konnte keinen Ton hören, sah aber durch mein Glas den dünnen Arm befehlend ausgestreckt, sah den Unterkiefer, der sich bewegte und die Augen des Gespenstes, die tief aus dem knochigen, ruckweise nickenden Kopf leuchteten. Kurtz – Kurtz – das ist im Deutschen ein Name, wie auch ein Eigenschaftswort, nicht wahr? Nun also, der Name war so wahr, wie alles sonst in seinem Leben – und seinem Sterben. Der Mann schien mindestens sieben Fuß lang zu sein. Seine Decke war abgeglitten, und der Körper bot sich erbarmungswürdig dar, wie aus einem Leichentuch herausgeschält. Ich konnte sehen, wie heftig seine Rippen zitterten, seine Armknochen bebten. Es sah aus, als schüttelte ein beseeltes Bildnis des Todes, aus altem Elfenbein, gespenstisch drohend die Hand gegen eine reglose Menge von Menschen, die aus dunkler, glänzender Bronze gegossen waren. Ich sah ihn weit den Mund öffnen – es gab ihm einen unheimlichen, gefräßigen Ausdruck, als hätte er die ganze Luft, die ganze Erde, alle die Männer vor ihm verschlingen wollen. Eine tiefe Stimme klang schwach bis zu mir. Offenbar brüllte er. Plötzlich fiel er zurück. Die Bahre schwankte, während die Träger wieder vorwärtsschritten, und fast zur gleichen Zeit bemerkte ich, daß die Schar der Wilden fast ohne sichtbare Rückzugsbewegung verschwand, als hätte der Urwald, der diese Wesen so plötzlich ausgeworfen hatte, sie auch wieder eingesogen, so wie man die Luft in einem tiefen Zuge einatmet.

      Einige der Pilger hinter der Bahre trugen seine Waffen – zwei Schrotflinten, eine schwere Büchse und einen leichten Repetierkarabiner – die Donnerkeile dieses kläglichen Zeus. Der Direktor beugte sich über ihn und murmelte etwas, während er neben dem Kopfende der Bahre weiterging. Sie legten ihn in einer der kleinen Kabinen nieder – es war gerade Platz genug für eine Bettstelle und einen Feldstuhl oder zwei. Wir hatten all seine verspätete Post mitgebracht, und sein Bett war mit einer Unmenge aufgerissener Umschläge und offener Briefe übersät. Seine Hand wühlte kraftlos unter diesen Papieren. Ich war betroffen von dem Feuer seiner Augen und der Fassung in seinen Zügen. Es war nicht so sehr Erschöpfung infolge seiner Krankheit. Er schien keine Schmerzen zu haben. Dieser Schatten blickte gesättigt und ruhig drein, als hätte er sich, für den Augenblick, an allen Gemütsbewegungen genuggetan.

      Er raschelte mit einem der Briefe, sah mir gerade ins Gesicht und sagte: ›Sehr erfreut!‹ Irgend jemand hatte ihm meinetwegen geschrieben. So fing es also wieder mit den besonderen Empfehlungen an. Die Tonstärke, die er ohne Anstrengung, fast ohne die Lippen zu bewegen, hervorbrachte, verblüffte mich. Eine Stimme! Eine Stimme! Ernst, tief, bebend, während der Mann selbst kaum fähig schien, zu flüstern. Doch hatte er immer noch genügend Kraft (wenn auch nur noch künstlich erzwungene) in sich, um uns allen den Garaus zu machen, wie ihr sofort hören sollt.

      Der Direktor tauchte schweigend in der Kabinentür auf. Ich ging sofort hinaus und zog hinter mir den Vorhang zu. Der Russe, von den Pilgern neugierig gemustert, starrte nach dem Ufer hinüber. Ich folgte der Richtung seines Blickes.

      Dunkle menschliche Gestalten waren in der Ferne zu erkennen, die deutlich vor dem dunklen Hintergrund des Waldes hinflitzten; nahe am Ufer standen zwei bronzene Gestalten auf hohe Speere gelehnt, kriegerisch und still, in bildhafter Ruhe, im Sonnenschein, unter ihrem phantastischen Kopfschmuck aus gefleckten Fellen. Und von rechts nach links, dem erleuchteten Ufer entlang, bewegte sich die wilde, prunkvolle Erscheinung einer Frau.

      Sie war in gestreifte, mit Fransen besetzte Stoffe gehüllt, ging mit gemessenen Schritten dahin und setzte die Füße stolz auf den Boden, von einem leichten Klirren und Aufblitzen barbarischer Schmuckstücke begleitet. Sie hielt den Kopf hoch; ihr Haar war helmartig aufgesteckt. Sie trug messingene Fußringe bis zum Knie, messingene Armspangen bis zum Ellbogen hinauf, einen brennroten Fleck auf jeder ihrer lohfarbenen Wangen, zahllose Glasperlenschnüre um den Hals; fremdartige Dinge, Amulette und Geschenke von Zauberern, die sie an sich hängen hatte, zitterten und glitzerten bei jedem Schritt. Sie schien den Wert mehrerer Elefantenzähne an sich zu tragen. Sie war wild und stolz, prunkvoll, mit lohenden Blicken; etwas Schicksalhaftes, Feierliches lag in ihren langsamen Schritten, und in dem Schweigen, das sich plötzlich über das ganze Land hingesenkt hatte, schien die ungeheure Wildnis, der Riesenleib des fruchtbaren, geheimnisvollen Lebens nachdenklich nach ihr zu schauen, wie nach dem Abbild der eigenen leidenschaftlichen und düsteren Seele.

      Sie kam bis hart vor den Dampfer, stand still und sah uns an. Ihr langer Schatten fiel bis über das Wasser hinaus. Ihr Gesicht zeigte den tragischen, ungestümen Ausdruck wilden Kummers und dumpfen Schmerzes, sowie das Ringen mit einem noch unfertigen Entschluß. Sie stand und sah uns reglos an, wie die Wildnis selbst, als brütete sie über undurchdringlichen Plänen. Eine volle Minute verging, dann machte sie einen Schritt vorwärts. Es gab ein leises Klingeln, ein Aufglänzen gelben Metalls, ein Rauschen gefranster Stoffe, dann blieb sie kurz stehen, als hätte ihr Mut sie verlassen. Der junge Mensch an meiner Seite knurrte. Hinter mir murmelten die Pilger. Sie sah uns alle an, als hinge ihr Leben von der Unverrückbarkeit ihres Blickes ab. Plötzlich öffnete sie ihre nackten Arme und warf sie grade über ihrem Kopf hoch, wie in dem unsinnigen Verlangen, den Himmel greifen zu können, und zugleich schossen auch die schnellen Schatten über die Erde, hüllten ringsum den Strom ein und zogen den Dampfer in ihre Umarmung. Ein ungeheures Schweigen hing über dem Ganzen.

      Sie wandte sich langsam ab, schritt weiter dem Ufer entlang und verlor sich in den Büschen zur Linken. Einmal nur glänzten aus dem Dickicht ihre Augen zu uns zurück, bevor sie endgültig verschwand. ›Hätte sie ernstlich Anstalten gemacht, an Bord zu kommen, so hätte ich wirklich versucht, sie zu erschießen‹, sagte der Flickenmann etwas aufgeregt. ›Ich mußte während der letzten zwei Wochen tagtäglich mein Leben wagen, um sie aus dem Haus heraus zu halten. Eines Tages kam sie doch hinein und schlug einen Riesenkrach, wegen der elenden Fetzen, die ich im Vorratsraum aufgeklaubt hatte, um meine Kleider damit auszubessern. Ich sah ja nicht mehr menschenmöglich aus. Es muß sich darum gedreht haben, denn sie redete eine Stunde lang wie eine Furie auf Kurtz ein und wies dann und wann auf mich. Ich verstehe den Dialekt dieses Stammes nicht. Zu meinem Glück war wohl Kurtz an diesem Tage zu krank, als daß er sich darüber aufgeregt hätte, sonst hätte es sicher Unannehmlichkeiten gegeben. Ich verstehe nicht … Nein, es ist zu viel für mich. Aber, nun – jetzt ist ja alles vorbei!‹

      In diesem Augenblick hörte ich Kurtz’ Stimme hinter dem Vorhang: ›Mich retten! – Das Elfenbein retten, meinen Sie. Erzählen Sie mir nichts. Mich retten! Was denn – ich habe Sie gerettet! Sie stören jetzt meine Pläne. Krank! Krank! Nicht so krank, wie Sie wohl gern glauben möchten. Sorgen Sie sich nicht. Ich werde meine Pläne schon noch ausführen – ich komme zurück. Ich will Ihnen zeigen, was getan werden kann. Sie, mit Ihrem kümmerlichen bißchen Wissen – Sie wollen mir in den Arm fallen; Ich komme zurück, ich …‹

      Der Direktor kam heraus. Er erwies mir die Ehre, mich unter den Arm zu fassen und beiseite zu СКАЧАТЬ