Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ dem Mann spricht man nicht, man hört ihm zu‹, gab er mit größter Begeisterung zurück.›Jetzt aber –‹, er schwenkte den Arm und war im Umsehen inmitten tiefster Verzweiflung. Im Augenblick darauf kam er aber mit einem Satz wieder in die Höhe, ergriff meine beiden Hände, schüttelte sie unaufhörlich und stammelte: ›Bruder Seemann … Ehre … Freude … Entzücken … mich vorstellen … Russe … Sohn eines Erzpriesters … Gouvernement Tamor …, was? … Tabak! Englischer Tabak; der ausgezeichnete englische Tabak! Nun, das ist brüderlich. Rauchen? Gibt es einen Seemann, der nicht raucht?‹

      Die Pfeife beruhigte ihn, und ich brachte nach und nach heraus, daß er von der Schule entlaufen und auf einem russischen Schiff in See gegangen war; nochmals durchgebrannt, hatte er eine Zeit auf englischen Schiffen gedient und war nun mit dem Erzpriester ausgesöhnt. Das hob er eigens hervor. ›Wenn man jung ist, muß man vieles sehen, Erfahrungen und Ideen sammeln, den Horizont erweitern.‹– ›Hier!‹ unterbrach ich ihn. – ›Das kann man nie sagen. Hier habe ich Herrn Kurtz getroffen‹, gab er zurück, ganz jungenhaft feierlich und vorwurfsvoll. Daraufhin hielt ich den Mund. Es ergab sich, daß er ein holländisches Handelshaus an der Küste überredet hatte, ihn mit Waren und Vorräten auszustatten, und ins Innere aufgebrochen war, mit leichtem Herzen und ahnungslos wie ein Kind über das, was ihm bevorstehen mochte. Er war an dem Strom fast zwei Jahre lang allein herumgezogen, von allem und allen abgeschnitten. ›Ich bin nicht so jung, wie ich aussehe, ich bin fünfundzwanzig‹, sagte er. ›Zuerst meinte der alte Van Shuyten, ich sollte zum Teufel gehen‹, erzählte er freudig weiter, ›aber ich klammerte mich an ihn und redete und redete, bis er Angst bekam, ich würde seinem Lieblingshund das Hinterbein wegreden, und so gab er mir ein paar billige Sachen und ein paar Gewehre und sagte, er hoffte, mein Gesicht nie wieder zu sehen. Der gute alte Holländer, Van Shuyten. Ich habe ihm vor einem Jahr einen kleinen Posten Elfenbein geschickt, so daß er mich nicht einen kleinen Dieb heißen kann, wenn ich wiederkomme. Hoffentlich hat er es bekommen. Und um alles andere kümmere ich mich nicht. Ich habe etwas Holz für Sie aufgestapelt. Das dort war mein altes Haus. Haben Sie es gesehen?‹

      Ich gab ihm Towsons Buch. Er tat, als wollte er mich küssen, hielt sich aber zurück. ›Das einzige Buch, das ich zurückgelassen habe – und ich dachte, ich hätte es verloren‹, sagte er und betrachtete es begeistert. ›Einem Menschen, der allein herumzieht, stoßen so viele Zwischenfälle zu, wissen Sie. Manchmal schlagen Kanus um – und manchmal muß man so schnell davon, wenn die Leute böse werden.‹ Er durchblätterte die Seiten. ›Sie haben Randbemerkungen in Russisch eingeschrieben‹, fragte ich. Er nickte. ›Ich dachte, es wäre eine Geheimschrift‹, sagte ich. Er lachte, wurde aber gleich ernst. ›Ich hatte die größte Mühe, die Leute fern zu halten‹, sagte er. – ›Wollten sie Sie töten?‹ fragte ich. ›O nein‹, rief er und brach ab. – ›Warum haben sie uns angegriffen?‹ fuhr ich fort. Er zögerte und sagte dann beschämt: ›Sie wollen nicht, daß er fortgeht!‹ – ›Wollen sie das nicht?‹ fragte ich neugierig zurück. Er nickte geheimnisvoll, schwer und weise. ›Ich sage Ihnen‹, rief er plötzlich, ›dieser Mann hat meinen Horizont erweiterte.‹ Er öffnete beide Arme weit und starrte mich mit den kleinen blauen Augen an, die ganz kreisrund waren.«

      III

       Inhaltsverzeichnis

      »Ich sah ihn an, in Verwunderung verloren. Da stand er vor mir, kostümiert, als wäre er einer Komödiantentruppe entlaufen, begeistert, unwahrscheinlich. Sein Dasein selbst war unwahrscheinlich, unerklärlich und ganz und gar verwunderlich. Er war ein unlösbares Problem. Es war unbegreiflich, wie er hatte leben, wie er hatte so weit kommen können, wie er es fertiggebracht hatte, durchzukommen – und warum er sich nicht im Augenblick in Nichts auflöste. ›Ich ging ein wenig weiter‹, sagte er, ›und dann noch ein wenig weiter – bis ich nun so weit gekommen bin, daß ich nicht mehr weiß, wie ich jemals zurückkehren soll. Macht nichts. Massenhaft Zeit. Wird sich schon finden. Nehmen Sie Kurtz schnell weg – schnell, sage ich Ihnen.‹ Der Zauber der Jugend überglänzte seine bunten Flicken, seine Verkommenheit und Einsamkeit, die trostlosen Male seines ziellosen Wanderns. Monate lang – Jahre lang, war sein Leben keinen Pfifferling wert gewesen; und da stand er nun vor mir, ganz springlebendig, hochherzig, unbekümmert und allem Anschein nach unantastbar, nur infolge seiner jungen Jahre und seiner bedenkenlosen Kühnheit. Ich fühlte mich zu etwas wie Bewunderung, ja Neid verleitet. Ein Zauber trieb ihn voran, ein Zauber hielt ihn unversehrt. Er verlangte sicher nichts weiter von der Wildnis als Raum, um atmen und immer weiter wandern zu können. Er wollte leben und unter den denkbar größten Gefahren und schlimmsten Entbehrungen sich weiterbewegen. Wenn je der völlig reine, nicht berechnende, wirklichkeitsfremde Abenteurergeist ein menschliches Wesen beherrscht hatte, so diesen flickenbesäten Jungen. Ich beneidete ihn beinahe um den Besitz der kleinen, klaren Flamme. Sie schien alle Gedanken an ihn selbst so gründlich aufgezehrt zu haben, daß man sogar, während er mit einem sprach, völlig vergaß, er selbst – der Mann da vor einem – sei durch alle diese Dinge gegangen. Seine Ergebenheit für Kurtz allerdings neidete ich ihm nicht. Darüber hatte er nicht gegrübelt. Die hatte ihn überkommen, und er hatte sie mit übereifrigem Fatalismus hingenommen. Ich muß sagen, daß mir diese Ergebenheit das weitaus Gefährlichste schien, was ihm je begegnen konnte.

      Die Begegnung zwischen den beiden war unvermeidlich gewesen, wie die zweier Schiffe, die in einer Windstille festliegen und schließlich Seite an Seite getrieben werden. Ich nahm an, daß Kurtz einen Zuhörer wünschte, denn bei einer bestimmten Gelegenheit, als sie im Walde gelagert, hatten sie die ganze Nacht miteinander gesprochen, oder wahrscheinlicher: Kurtz hatte gesprochen. ›Wir sprachen von allem Möglichen‹, erzählte er, noch ganz hingerissen von seiner Erinnerung. ›Ich vergaß völlig, daß es so etwas wie Schlaf gab. Die ganze Nacht schien kaum eine Stunde zu währen. Über alles – über alles … auch über Liebe.‹ – ›Oh, er hat mit Ihnen über Liebe gesprochen!‹ sagte ich sehr belustigt. ›Es ist nicht, was Sie glauben‹, unterbrach er mich fast leidenschaftlich. ›Es war ganz allgemein. Er ließ mich Dinge sehen – Dinge …‹

      Er warf die Arme hoch. Wir standen nebeneinander auf Deck, und der Häuptling meiner Holzfäller, der sich in der Nähe herumdrückte, wandte ihm seine schweren, glitzernden Augen zu. Ich sah in die Runde, und ich weiß nicht warum, aber ich versichere euch, daß nie, nie zuvor das Land, der Strom, das Dschungel und auch die Wölbung des strahlenden Himmels mir so hoffnungslos finster erschienen waren, undurchdringlich für jeden menschlichen Gedanken, so unbarmherzig gegen jede menschliche Schwäche. ›Und seither sind Sie natürlich immer bei ihm gewesen;‹ fragte ich.

      Im Gegenteil. Es schien, daß ihr Verkehr aus verschiedenen Ursachen mehrfach unterbrochen worden war. Er hatte es fertiggebracht, wie er mir stolz mitteilte, Kurtz während zwei Krankheiten zu pflegen. (Das erwähnte er, als wäre es ein recht gefährliches Unternehmen gewesen.) Doch meistens wanderte Kurtz allein tief in den Wäldern herum. ›Oft, wenn ich in diese Station kam, hatte ich Tage und Tage lang zu warten, bis er auftauchte‹, sagte er. ›Oh, es war der Mühe wert, zu warten – manchmal.‹ – ›Was tat er? Forschen, oder was sonst‹‹ fragte ich. – ›O ja, natürlich.‹ Er hatte eine Menge Dörfer entdeckt, auch einen See – der Russe wußte nicht genau, in welcher Richtung; es war gefährlich, zuviel zu fragen – meistens aber hatten die Expeditionen dem Elfenbein gegolten. ›Er hatte aber doch schon längst keine Tauschwaren mehr‹, warf ich ein. – ›Sogar jetzt sind noch eine Menge Patronen übrig‹, meinte er und sah weg. ›Er plünderte also das Land, kurz gesagt‹, sagte ich. Der andere nickte. ›Doch nicht er allein?‹ Der Russe murmelte etwas über die Dörfer rund um den See. ›Kurtz hat den Stamm dazu gebracht, ihm zu folgen, ja?‹ riet ich. Er zauderte ein wenig. ›Sie beteten ihn an‹, sagte er. Der Ton dieser Worte war so außergewöhnlich, daß ich ihn forschend ansah. Das Gemisch aus Bereitwilligkeit und Widerstreben, wenn er von Kurtz sprechen sollte, war lustig zu sehen. Der Mann erfüllte sein Leben, beschäftigte seine Gedanken, beherrschte seine Gefühle. ›Was wollen Sie;‹ brach er los. СКАЧАТЬ