Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Joseph Conrad - Джозеф Конрад страница 22

Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

isbn:

СКАЧАТЬ Vorgehen noch nicht gekommen war. Wir müssen noch vorsichtig sein. Der Distrikt ist uns nun für einige Zeit verschlossen. Bedauerlich! Alles in allem genommen wird der Handel leiden. Ich bestreite nicht, daß eine bedeutende Menge Elfenbein da ist – meistens fossil. Wir müssen es unter allen Umständen retten –, aber sehen Sie selbst, wie peinlich die Lage ist – und warum? Weil die Methode ungesund ist.‹ – ›Nennen Sie das‹, sagte ich mit einem Blick nach dem Ufer, ›ungesunde Methode?‹ – ›Ohne Zweifel‹, rief er hitzig aus. ›Sie etwa nicht?‹ – ›Mir scheint es überhaupt keine Methode‹, murmelte ich nach einer Weile. ›Sehr richtig‹, jubelte er. ›Das habe ich vorausgesehen. Zeugt von völligem Mangel an Urteilsgabe. Es ist meine Pflicht, es höheren Orts zur Kenntnis zu bringen.‹ – ›Oh‹, sagte ich; ›der Bursche – wie heißt er noch? – der Ziegelmacher, wird Ihnen schon einen lesbaren Bericht verfassen.‹ Er schien einen Augenblick lang verblüfft. Mir war es, als hätte ich nie zuvor eine so verpestete Luft geatmet, und ich wandte mich im Geiste an Kurtz um Hilfe – tatsächlich um Hilfe. ›Trotz allem bin ich der Meinung, daß Herr Kurtz ein hervorragender Mensch ist‹, sagte ich mit Nachdruck. Der Direktor fuhr auf, ließ einen kalten und schweren Blick auf mich fallen, sagte sehr ruhig: ›Das war er‹, und wandte mir den Rücken. Die Stunde meiner Bevorzugung war vorüber; ich fand mich, zusammen mit Kurtz, beiseite geworfen, als einen Anhänger von Methoden, für die die Zeit nicht reif war; ich war ungesund! Ah! Aber es war doch schon etwas, die Wahl zwischen zwei unangenehmen Zeitgenossen zu haben.

      Tatsächlich hatte ich mich an die Wildnis gehalten, nicht an Herrn Kurtz, der, wie ich bereit war zuzugeben, schon so gut wie begraben war. Und einen Augenblick schien es mir, als wäre auch ich schon in einem Massengrab voll unaussprechlicher Geheimnisse eingeschlossen. Ich fühlte ein ungeheures Gewicht mir die Brust bedrücken, witterte den Geruch der feuchten Erde, die unsichtbare Gegenwart siegreicher Verderbnis, die Dunkelheit undurchdringlicher Nacht … Der Russe klopfte mir auf die Schulter. Ich hörte ihn etwas murmeln und stammeln von ›Bruder Seemann – konnte nicht verschweigen – mein Wissen um Dinge, die Herrn Kurtz’ gutem Ruf schaden konnten.‹ Ich wartete. Für ihn war Herr Kurtz augenscheinlich noch nicht begraben; ich habe ihn sogar im Verdacht, daß für ihn Herr Kurtz zu den Unsterblichen gehörte. ›Nun‹, sagte ich schließlich, ›sprechen Sie sich aus. Zufällig bin ich Herrn Kurtz’ Freund – sozusagen!‹

      Er stellte mit ziemlicher Förmlichkeit fest, daß er, wären wir nicht ›Berufsgenossen‹ gewesen, die Sache ohne Rücksicht auf die Folgen für sich behalten hätte. Er hatte den Verdacht, daß die Weißen da ausgesprochen böse Absichten gegen ihn hegten, die … – ›Sie haben recht‹, sagte ich, in der Erinnerung an ein gewisses Gespräch, das ich belauscht hatte. ›Der Direktor meinte, sie müßten gehängt werden.‹ Diese Mitteilung ging ihm in einer Weise nahe, die mich zunächst belustigte. ›Ich sollte lieber still aus dem Wege gehen‹, sagte er sehr ernst. ›Für Kurtz kann ich nun nichts mehr tun, und sie würden rasch einen Vorwand finden. Was sollte sie abhalten? Dreihundert Meilen von hier ist ein Militärposten.‹ – ›Nun, auf mein Wort‹, sagte ich, ›vielleicht sollten Sie wirklich lieber gehen, wenn Sie unter den Wilden hier in der Nähe auch nur einen Freund haben.‹ – ›Eine Menge‹, sagte er. ›Sie sind einfältige Leute – und ich brauche ja nichts, wissen Sie.‹ Er stand und biß sich auf die Lippen, dann meinte er: ›Ich möchte nicht, daß den Weißen hier irgend etwas zustößt – doch Sie sind ja ein Bruder, ein Seemann, und ich dachte natürlich an Herrn Kurtz’ guten Ruf …‹ – ›Schon recht‹, sagte ich nach einer Pause. ›Herrn Kurtz’ Ruf ist bei mir gut aufgehoben.‹ Ich wußte nicht, wie wahr ich sprach.

      Er dämpfte die Stimme und teilte mir mit, daß es Herr Kurtz gewesen sei, der den Angriff auf den Dampfer befohlen hatte. ›Er haßte mitunter den Gedanken, weggeholt zu werden, und dann wieder … aber ich verstehe diese Dinge nicht. Ich bin ein einfacher Mensch. Er glaubte, es würde Sie abschrecken – daß Sie es aufgeben würden, weil Sie ihn für tot hielten. Ich konnte ihn nicht hindern. Oh, ich habe den letzten Monat Furchtbares durchgemacht.‹ – ›Schon recht‹, sagte ich. ›Er ist ja nun gut aufgehoben.‹ – ›Ja-a-a-‹, murmelte er, augenscheinlich nicht so sehr überzeugt. ›Danke‹, sagte ich, ›ich will die Augen offen halten!‹ – ›Aber unauffällig, ja‹, drang er ängstlich in mich. ›Es wäre schrecklich für seinen Ruf, wenn irgend jemand hier …‹ Ich versprach mit größtem Ernst unbedingte Verschwiegenheit. ›Ich habe ein Kanu und drei Schwarze, die nicht allzu weit weg auf mich warten. Ich gehe. Könnten Sie mir ein paar Martini-Henry-Patronen geben?‹ Ich konnte es und tat es mit der nötigen Heimlichkeit. Er bediente sich noch, mit einem Blinzeln zu mir, aus meiner Tabakdose. ›Unter Seeleuten – Sie wissen ja – guter englischer Tabak.‹ An der Tür des Ruderhauses wandte er sich um: ›Sagen Sie, hätten Sie nicht ein Paar Schuhe, das Sie entbehren könnten?‹ Er hob ein Bein. ›Sehen Sie doch selbst.‹ Die Sohlen waren mit oft geflickten Schnüren sandalenartig unter seine nackten Füße gebunden. Ich suchte ein altes Paar heraus, das er mit Bewunderung betrachtete, bevor er es sich unter den linken Arm klemmte. Eine seiner Taschen (knallrot) war krachvoll mit Patronen, aus der anderen (dunkelblau) sah ›Towsons Untersuchung und so weiter‹ heraus. Er schien sich für einen erneuten Kampf mit der Wildnis fabelhaft ausgestattet zu haben. ›Oh, nie, nie wieder werde ich einem solchen Mann begegnen. Sie hätten ihn Gedichte sprechen hören sollen – es waren sogar seine eigenen, wie er mir sagte. Gedichte!‹ Er rollte die Augen bei der Erinnerung an diese Genüsse. ›Oh, er hat mir viel beigebracht.‹ – ›Leben Sie wohl‹, sagte ich. Er schüttelte mir die Hand und verschwand in die Nacht. Manchmal frage ich mich, ob ich ihn wohl wirklich gesehen habe – ob es möglich war, einem solchen Rätselwesen zu begegnen …

      Als ich kurz nach Mitternacht erwachte, kam mir seine Warnung und die Andeutung von Gefahren in den Sinn, die tief in der bestirnten Dunkelheit berechtigt genug schienen, um mich zum Aufstehen und zu einem kleinen Rundgang zu bestimmen. Auf dem Hügel brannte ein großes Feuer und beleuchtete in Abständen eine der schiefen Ecken des Stationsgebäudes. Einer der Agenten bewachte mit einer kleinen Abteilung unserer Schwarzen, die zu dem Zweck bewaffnet worden waren, den Elfenbeinvorrat. Tief drinnen aber, im Urwald, zeigten rote Feuerkreise, die flackerten und zwischen verschwommenen, tiefschwarzen Säulen aus dem Boden aufzutauchen und wieder zu versinken schienen, die Stelle des Lagers an, wo Herrn Kurtz’ Anbeter ihre Trauerwache hielten. Das eintönige Dröhnen einer großen Trommel erfüllte die Luft mit dumpfen Erschütterungen und nachhaltigen Schwingungen. Hinter der schwarzen Mauer des Waldes hervor kam, wie das Summen von Bienen aus dem Stocke klingt, der träge Klang vieler Männerstimmen, die, jede für sich, irgendeine Beschwörung sangen. Es wirkte merkwürdig einschläfernd auf meinen halbwachen Sinn. Ich glaube, ich schlief ein, während ich an der Reling lehnte, bis ein plötzlicher Aufschrei, ein überwältigender Ausbruch hochgepeitschter, geheimnisvoller Raserei, mich bestürzt auffahren ließ. Der Aufschrei brach sofort ab, und die leise, träge Beschwörung mit ihrer besänftigenden und einschläfernden Wirkung ging wieder weiter. Ich sah von ungefähr in die kleine Kabine. Ein Licht brannte darin, doch Herr Kurtz war nicht da.

      Ich glaube, ich hätte aufgeschrien, wenn ich meinen Augen geglaubt hätte. Doch ich glaubte ihnen zunächst nicht, so unmöglich schien die Tatsache. In Wahrheit war es wohl so, daß ich aus bloßer Angst, aus nacktem Schrecken, die mit der Gewißheit persönlicher Gefährdung nichts zu tun hatten, völlig von Sinnen war. Was das Gefühl so überwältigend machte, war – wie soll ich es erklären – der innerliche Stoß, den ich bekam, als wäre etwas Ungeheuerliches, dem Verstande wie der Seele gleich Unerträgliches, plötzlich über mich hereingebrochen. Das hielt natürlich nur den Bruchteil einer Sekunde an, und gleich darauf hatte der gesunde Menschenverstand wieder die Oberhand, dem die Lebensgefahr, die Möglichkeit eines plötzlichen Überfalls, eines Gemetzels oder etwas dieser Art, das ich voraussah, geradezu willkommen und tröstlich erschien. Er beruhigte mich tatsächlich so sehr, daß ich nicht einmal Lärm schlug.

      Zwei Schritte vor mir schlief ein Agent, in einen Mantel geknöpft, in einem Deckstuhl. Das Geschrei hatte ihn nicht aufgeweckt; er schnarchte leise; ich überließ ihn seinem Schlummer und sprang an Land. Ich verriet Herrn Kurtz nicht – es war vorherbestimmt, СКАЧАТЬ