Название: Gesammelte Werke
Автор: Henrik Ibsen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237722
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Jens Bjleke. So? Fürs erste bringt's nur wenig Ehre, auf einen so grünen Jungen, wie diesen Nils Sture, Jagd zu machen. – Soll ich ihn nach seinem Vorgehen für klug oder für verrückt halten? Erst stachelt er die Bauern auf, verspricht ihnen seinen Beistand und goldne Berge – und wenn es zum Handeln kommt, läuft er davon und verkriecht sich hinter eine Weiberschürze! – Und dann bereu' ich's überhaupt, offen gestanden, Eurem Rate gefolgt zu sein und nicht meinem eigenen Kopfe.
Nils Lykke leise. Die Reue kommt etwas spät, Herr Bruder!
Jens Bjleke. Denn seht, den Dachs zu graben, das hat mir nie Spaß gemacht. Ich erwartete mir etwas ganz anderes. Ich bin nun mit meinen Reitern von Jämteland aufgebrochen und habe den Brief des Statthalters von Drontheim, daß ich auf den Unruhstifter überall fahnden kann, wo's mir paßt. Alle Spuren deuten darauf hin, daß er sich nach Oestrot schlängelte.
Nils Lykke. Er ist hier! Er ist hier, sag' ich.
Jens Bjleke. Ja, aber was wäre dann natürlicher gewesen, als daß wir das Tor verschlossen und scharf bewacht gefunden hätten? War' dem nur so gewesen, dann hätt' ich doch für meine Kriegsknechte Verwendung gehabt –
Nils Lykke. Doch statt dessen öffnet man uns das Tor gar höflich. Paßt auf! Ist Frau Inger wie ihr Ruf, so wird sie es ihren Gästen weder an Speis' noch an Trank mangeln lassen.
Jens Bjleke. Um uns das Mißtrauen zu benehmen, nicht wahr ? – Wie konntet Ihr auch den Ein- fall haben, daß ich meine Leute eine Viertelmeile Weges zurücklassen sollte! Wären wir mit Kriegsmannschaft hergekommen, so –
Nils Lykke. Frau Inger hätte uns deshalb nicht weniger willkommen geheißen. Aber bedenkt, daß unser Besuch in diesem Falle Aufsehen gemacht hätte. Die Bauern ringsum würden darin eine Gewalttat gegen Frau Inger erblickt haben. Sie wäre wieder in der Gunst der Menge gestiegen; – und, seht Ihr, das ist nicht ratsam.
Jens Bjleke. Mag sein. Aber was mach' ich nun –? Graf Sture ist auf Oestrot, sagt Ihr. Ja, was hilft mir das ? Frau Inger hat, gleich dem Fuchse, wohl manch geheimen Schlupfwinkel und mehr als einen Ausgang. Hier können wir zwei einzelne Gesellen lange spähen und suchen. Hol' der Teufel die ganze Geschichte!
Nils Lykke. Nun wohl, lieber Herr, – seid Ihr mit der Wendung, die Eure Mission genommen hat, unzufrieden, so überlaßt das Schlachtfeld mir.
Jens Bjleke. Euch? Und was wollt Ihr tun?
Nils Lykke. Klugheit und List bringen hier vielleicht zu stände, was Waffengewalt nicht vermag. – Ehrlich gesprochen, Herr Jens, ich hatte ähnliche Gedanken schon gestern, als wir uns in Drontheim trafen.
Jens Bjleke. Und deshalb habt Ihr mich wohl dazu überredet, mich von meinen Kriegsknechten zu trennen?
Nils Lykke. Sowohl Euer wie mein Geschäft auf Oestrot konnte besser erledigt werden ohne sie; darum –
Jens Bjleke. Hol' Euch dieser und jener – hätt' ich fast gesagt – und mich dazu! Ich konnte ja wissen, daß Euch der Schalk im Nacken sitzt.
Nils Lykke. Ja seht Ihr, der Schalk ist hier sehr am Platze, wenn auf beiden Seiten die Waffen gleich sein sollen. Und ich will Euch nur gestehen, es ist mir von der höchsten Wichtigkeit, mich gut und in aller Stille meines Auftrags zu entledigen. Denn wißt: mein Herr, der König, war mir bei meinem Aufbruch nicht sehr gewogen. Er glaubte seine guten Gründe dafür zu haben, obgleich ich der Ansicht bin, daß ich ihm mehr als einmal nützliche Dienste geleistet habe.
Jens Bjleke. Dies Zeugnis dürft Ihr Euch kecklich ausstellen. Gott und alle Welt weiß, daß Ihr der verschlagenste Teufel in allen drei Reichen seid.
Nils Lykke. Schönen Dank! Aber das will nun gerade nicht viel sagen. Doch was ich hier zu verrichten habe, das halt' ich allerdings für eine Meisterprobe. Denn hier gilt es ein Weib zu überlisten –
Jens Bjleke. Hahaha! In dem Handwerk habt Ihr schon längst Eure Meisterprobe abgelegt, lieber Bruder! Meint Ihr, wir kennen nicht auch in Schweden die Weise:
»Da seufzt jede Jungfrau in Herzensglut:
O wäre Nils Lykke mir hold und gut.«
Nils Lykke. Bah! Die Weise gilt nur den Mädchen von zwanzig Jahren und da herum. Aber Frau Inger Gyldenlöve ist bald an die fünfzig und dabei schlau wie keine sonst. Es wird nicht leicht sein, sie klein zu kriegen. Doch es muß geschehen – um jeden Preis! Glückt es mir, dem König gewisse Vorteile über sie zu verschaffen, nach denen er schon lange trachtet, so kann ich darauf rechnen, nächstes Frühjahr mit der Sendung nach Frankreich betraut zu werden. Ihr wißt doch, daß ich volle drei Jahre auf der Hochschule zu Paris gewesen bin? Mein ganzes Sinnen steht danach, wieder einmal dorthin zu kommen, vornehmlich wenn ich in der höchst ansehnlichen Eigenschaft eines königlichen Gesandten auftreten könnte. Also – nicht wahr, – Ihr überlaßt Frau Inger mir? Wißt Ihr noch, wie ich Euch bei Eurem letzten Besuch am Hof zu Kopenhagen mehr als eine junge Schöne willig abtrat– ?
Jens Bjleke. Meiner Treu, – der Edelmut war nun gerade nicht so groß. Ihr hattet sie ja doch alle im Sack – aber einerlei! Da ich nun einmal verkehrt zu Werke gegangen bin, so mögt Ihr auch das Weitere auf Euch nehmen. Jedoch, Euer Wort darauf – wird der junge Graf Sture auf Oestrot betroffen, so liefert Ihr ihn aus – tot oder lebendig.
Nils Lykke. Lebendig und leibhaftig sollt Ihr ihn haben. Jedenfalls ist es nicht meine Absicht, ihn ums Leben zu bringen. Aber nun müßt Ihr zu Euren Leuten zurück! Haltet die Landstraße besetzt! Wenn ich irgend etwas Verdächtiges merke, so sollt Ihr unverzüglich Kunde haben.
Jens Bjleke. Gut, gut. Aber wie komm' ich hinaus –?
Nils Lykke. Der Kerl von vorhin wird Euch schon zurechtweisen. Aber in aller Stille –
Jens Bjleke. Versteht sich!–Also– gut Glück!
Nils Lykke. Das Glück hat mich noch nie im Stich gelassen, wenn ich mit Frauen angebunden habe» – Nun beeilt Euch!
Jens Bjelke rechts ab.
Nils Lykke bleibt einen Augenblick stehen, geht ein paar Schritte in der Stube auf und ab, sieht sich um und sagt mit gedämpfter Stimme: So bin ich denn endlich auf Oestrot. Auf diesem alten Herrensitz, von dem ein Kind mir vor zwei Jahren so viel erzählte. – Lucia! Ja, vor zwei Jahren war sie noch ein Kind. Und jetzt – jetzt ist sie tot. Er summt mit einem halben Lächeln: »Blumen bleichen, Blumen welken.« Sieht sich wieder um. Oestrot. Mir ist, als hätte ich dies alles schon früher gesehen, als war' ich hier zuhause. – Da ist der Rittersaal, und unter mir ist – das Grabgewölbe. Dort liegt wohl auch Lucia. Leiser, halb in ernsthaftem, halb in gezwungen spöttischem Ton: Wär' ich ein furchtsamer Mann, so könnt' ich mir einbilden, sie hätte sich im Sarge umgedreht, als ich meinen Fuß auf Oestrots Schwelle setzte. Als ich über den Burghof schritt, hob sie den Deckel des Schreines, und nun ich ihren Namen nenne, dringt es wie eine beschwörende Stimme in ihre Gruft. – Vielleicht tappt sie jetzt die Treppe herauf. Das Leichentuch hemmt ihren Schritt, aber dennoch tappt sie vorwärts. – Nun ist sie oben im Rittersaale. Nun lehnt sie an der Tür und starrt mich an. Er wirft das Haupt über die Schulter zurück, winkt und ruft laut: Komm näher, Lucia! Plaudre ein wenig mit mir! Deine Mutter läßt mich warten, und Du hast mir so manche langweilige Stunde vertrieben –
Er fährt mit der Hand über die Stirn und geht einige Male auf und ab.
Sieh! Richtig, СКАЧАТЬ