Название: Gesammelte Werke
Автор: Henrik Ibsen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237722
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Inger. Ich schwur, was Ihr alle schwurt, – nicht mehr, nicht weniger.
Olaf. Ihr entsinnt Euch Eures Eides – und habt ihn doch vergessen.
Inger. Und wie hielten die andern, was sie gelobt? Ich spreche nicht von Euch, Olaf Skaktavl, aber von Euren Freunden, vom ganzen norwegischen Adel. Nicht ein einziger ist darunter, der in all dieser Zeit den Mut gehabt hätte, ein Mann zu sein; und doch legen sie mir zur Last, daß ich ein Weib bin.
Olaf. Ich weiß, was Ihr sagen wollt. Warum haben sie sich unterworfen, statt der Gewalt Trotz zu bieten bis aufs Äußerste? Wohl wahr; es ist ein erbärmlich Mark heutzutage in unsern Geschlechtern. Aber hätten sie zusammengehalten – wer weiß, was geschehen wäre! Und Ihr konntet sie zusammenhalten, denn vor Euch hätten sie sich alle gebeugt.
Inger. Ich könnte leicht Euch darauf antworten, aber Ihr würdet die Antwort kaum gelten lassen. Sprechen wir deshalb nicht weiter von Dingen, die nicht zu ändern sind. Sagt mir lieber, was Euch eigentlich nach Oestrot führt. Bedürft Ihr des Schutzes? Wohlan! Ich will Euch zu verbergen suchen. Habt Ihr noch andere Wünsche – sagt es frei! Ihr sollt mich bereit finden –
Olaf. Zwanzig Jahre bin ich heimatlos gewesen. Zwischen den Felswänden von Jämteland ist mein Haar ergraut. Ich habe mit Wölfen und Bären gehaust. Ihr seht, Frau Inger, – ich bedarf Eurer nicht; wohl aber der Adel und das gemeine Volk.
Inger. Das alte Lied!
Olaf. Ja, ich weiß wohl, es klingt häßlich Euren Ohren, aber Ihr sollt es dennoch hören. Kurz und gut: ich komme von Schweden. Da gärt es. In Dalekarlien soll es losgehen.
Inger. Ich weiß es.
Olaf. Der Kanzler Peter ist im Bunde, doch – Ihr versteht – nur heimlich.
Inger stutzt. Wie?
Olaf. Er war's, der mich nach Oestrot gesandt hat.
Inger steht auf. Der Kanzler Peter, sagt Ihr?
Olaf. Er selbst; – oder kennt Ihr ihn vielleicht nicht mehr?
Inger halb für sich. Nur allzugut. – – Doch sagt mir, ich bitte Euch, – welche Botschaft bringt Ihr?
Olaf. Als das Gerücht vom Unfrieden bis ins Grenzgebirge drang, wo ich mich verborgen hielt, brach ich unverweilt nach Schweden auf. Ich konnte mir denken, daß der Kanzler seine Hand im Spiele hat. Ich suchte ihn auf und bot ihm meinen Beistand an, – er hat mich in frühern Zeiten gekannt, wie Ihr wißt. Er wußte, daß man auf mich bauen kann – und so sandte er mich hierher.
Inger ungeduldig. Gewiß, gewiß – er sandte Euch her, um –?
Olaf geheimnisvoll. Frau Inger, – ein Fremder kommt diese Nacht nach Oestrot.
Inger überrascht. Wie? Ihr wißt, daß –
Olaf. Und warum nicht? Ich weiß alles. Ich wurde ja vom Kanzler hergesandt; um ihm zu begegnen.
Inger. Ihm? Unmöglich, Olaf Skaktavl, – unmöglich!
Olaf. Wie ich Euch sage. Wenn er nicht schon da ist, so wird es doch nicht mehr lange währen –
Inger. Allerdings. Doch –
Olaf. Ihr wart also auf seine Ankunft vorbereitet?
Inger. Ja, gewiß. Er hat mir Kunde gesandt. Deshalb auch wurde Euch auf Euer Pochen sogleich aufgetan.
Olaf lauschend. Horch! Es reitet einer den Weg daher. Er geht zum Fenster. Die Pforte wird aufgetan.
Inger zum Fenster hinausblickend. Ein Ritter und sein Knappe. Sie steigen im Hof ab.
Olaf. Das also ist er. Sein Name?
Inger. Ihr wißt seinen Namen nicht?
Olaf. Der Kanzler weigerte sich, ihn zu nennen. Er sagte nur, daß ich den Abgesandten am dritten Abend nach Martini auf Oestrot treffen werde –
Inger. Richtig – also just heut Abend.
Olaf. Er brächte Briefschaften mit. Aus ihnen und aus seinem eigenen Munde würde ich erfahren, wer er sei.
Inger. So laßt mich Euch nach Eurer Kammer geleiten. Ihr bedürft der Labung und Pflege. Bald sollt Ihr den Fremden sprechen.
Olaf. Nun, wie Ihr wünscht. Sie gehen links ab.
Nach einer kleinen Weile kommt der Schloßdiener Finn vorsichtig durch die Tür rechts, sieht sich im Zimmer um, guckt in den Rittersaal und geht dann wieder nach der Tür zurück, indem er jemand draußen ein Zeichen gibt. Darauf treten Nils Lykke und Jens Bjelke von rechts ein.
Nils Lykke mit gedämpfter Stimme. Niemand?
Finn ebenso. Nein, Herr!
Nils Lykke. Und wir können uns fest auf Dich verlassen in allem und jedem?
Finn. Der Statthalter von Drontheim hat mir stets das Zeugnis gegeben, daß ich zuverlässig bin.
Nils Lykke. Gut, gut; auch mir hat er das gesagt. Nun denn, vor allen Dingen, – ist ein Fremder heut abend nach Oestrot gekommen?
Finn. Ja, vor einer Stunde ist ein Fremder hier angekommen.
Nils Lykke leise zu Jens Bjelke. Er ist hier. Er wendet sich wieder zu Finn. Würdest Du ihn wiedererkennen? Hast Du ihn gesehen?
Finn. Nein. Niemand außer dem Pförtner hat ihn gesehen, soviel ich weiß. Er wurde sogleich zu Frau Inger geführt, und sie –
Nils Lykke. Und sie? Nun? Er ist doch nicht schon wieder fort?
Finn. Nein, – sie wird ihn wohl versteckt halten in einer ihrer eigenen Stuben –
Nils Lykke. Es ist gut.
Jens Bjleke flüstert . Also vor allen Dingen das Tor bewachen; dann haben wir ihn sicher.
Nils Lykke mit einem Lächeln. Hm! Zu Finn:> Du, sag' mir, gibt es hier auf dem Schloß noch einen ändern Ausgang als durch das Tor? Sieh mich nicht so dumm an! Ich meine, – kann einer ungesehen von Oestrot entkommen, wenn das Burgtor verschlossen ist?
Finn. Ja, das weiß ich nicht. Man spricht zwar von geheimen Gängen unten in den Kellern; aber niemand kennt sie außer Frau Inger selbst – und vielleicht Jungfer Eline.
Jens Bjleke. Verwünscht!
Nils Lykke. Es ist gut. Du kannst gehen.
Finn. Wohl. Solltet Ihr später meiner bedürfen, so braucht Ihr nur an die zweite Tür rechts im Rittersaal zu pochen. Ich werde dann gleich bei der Hand sein.
Nils Lykke. Gut.
Er deutet auf die Tür des Vorflurs; Finn geht hinaus.
Jens Bjleke. Wißt Ihr was, – lieber Freund und Bruder, СКАЧАТЬ