Название: DER ZAR
Автор: Ted Bell
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958351318
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Er schaute hinter dem kleinen Boot her, bis auch seine Heckwelle hinter den Felsen verschwunden war.
Dann stand er auf, klopfte sich den Sand von der nackten Haut und nahm seinen ausgebleichten Schwimmanzug. Nachdem er hineingeschlüpft war, ging er zügig in das klare, blaue Wasser. Mit kraftvollem Armschlag schwamm er auf die erste Linie aus Korallenriffs zu, wo hinter dem Hügel über dem Meeresspiegel sein kleines Haus stand.
Unterwegs dachte er daran, dass Mark Twain das Wesen von Bermuda wohl am besten auf den Punkt gebracht hatte. Gegen Ende seines Lebens hatte der Autor einem Freund, der auch nicht mehr der Jüngste gewesen war, von der Inselgruppe geschrieben: »Fahr ruhig in den Himmel, wenn du willst, aber ich bleibe lieber hier.«
Es mochte nicht unbedingt der Himmel sein, kam Hawkes Vorstellung davon aber verteufelt nahe.
Kapitel 3
Moskau
Der Hubschrauber des russischen Präsidenten setzte zur Landung auf dem Dach des brandneuen GRU-Komplexes an. ›Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije‹ oder ›Hauptverwaltung für Aufklärung‹ erheiterte Präsident Wladimir Rostow wiederholt, und nicht in geringem Maße. Dass jede Regierung die Namen und Kürzel diverser Institutionen mit schöner Regelmäßigkeit änderte, war ein Überbleibsel aus der Ära der Tschekisten: Geheimniskrämerei bis zum Gehtnichtmehr.
Jeder in Moskau mit zwei Augen im Kopf wusste genau, was es mit diesem Gebäude auf sich hatte. Es war das Hauptquartier des KGB.
Wladimir Wladimirowitsch Rostow, ein schlanker und unprätentiöser Mann, der einen Kopf größer war als der durchschnittliche Russe, wirkte oft verdrießlich und hatte eine lange, spitze Nase, die auch gut zu einem Narren bei Shakespeare gepasst hätte. Er hielt sich eigenartig gebeugt, als heuchle er Demut, und wurde auf den Fluren des Kremls häufig wegen dieser Gangart parodiert, sobald er jemandem den Rücken zukehrte.
Sein Spitzname ›Graue Eminenz‹ sagte alles.
In diesem Moment nun, da er versonnen durch ein von Graupeln schraffiertes Fenster des Helikopters auf die Straßen Moskaus schaute, die in der feuchtkalten Luft matt glänzten, wirkte er welk und müde. Nicht mehr lange und er beging seine achte Dekade auf Erden. Jedes Jahr spürte er in seinen Knochen, wenngleich es politischem Selbstmord gleichkäme, dies zuzugeben. Er kehrte gerade von der Barentssee zurück, wo er Marineeinheiten bei Manövern zugesehen hatte.
Während des nicht enden wollenden und turbulenten Fluges nach Moskau an Bord eines strategischen Bombers vom Typ Tupolew Tu-160 war ihm kalt und unbehaglich zumute gewesen. Dennoch freute er sich. Er hatte es geschafft, zwei anregende Tage auf See zu genießen. Russlands wiedergeborene Nordflotte war im Rahmen der lange erwarteten Kriegshandlungen überraschend erfolgreich gewesen. Genaugenommen befand sie sich, wie er der GRU bald berichten würde, nach zehnjähriger Auszeit fast auf der Höhe ihrer früheren Stärke.
Auf der Brücke des Atomkreuzers Peter der Große hatte der Präsident nachts im Eisregen gestanden und beobachtet, wie seine neusten Suchoi-Jets von einem Flugzeugträger gestartet waren. Der nächste Morgen schließlich hatte den eigentlichen Grund seiner Visite markiert: der Abschuss einer neuen ballistischen Interkontinentalrakete von der Jekaterinburg, Russlands neuestem Atom-U-Boot.
Diese Waffe, eine seegestützte Version der Topol-M namens Bulawa, war die nun mächtigste Angriffswaffe des Landes und allem, was Amerikas Arsenal hergab, um mindestens drei Jahre voraus. Sie trug zehn unabhängig voneinander lenkbare Nuklearsprengköpfe und besaß eine Reichweite von achttausend Kilometern.
Der Test der Bulawa war zur großen Erleichterung in allen Belangen erfolgreich verlaufen. Man ging davon aus, dass die Russen nunmehr über eine Technologie verfügten, die uneingeschränkt zur Überwindung der US-Raketenabwehrsysteme tauge.
Beim Essen an jenem Abend in der Kabine des Flottenadmirals auf dem Flaggschiff hatten die Offiziere hinter dem Bulawa-Programm erklärt, schon die Anfangsgeschwindigkeit der neuen Waffe lasse im Grunde alle Raketenabwehrvorrichtungen der USA alt aussehen. Damit machte die Armee einen gewaltigen Schritt vorwärts, und ebendiese Nachricht wollte Präsident Rostow Moskau mit Wonne unterbreiten.
Alles war hervorragend gelaufen, wie er nun fand, als er sich gegen das bequeme Polster der hinteren Sitzbank des Helikopters zurücklehnte. Sein Bericht bei dem streng vertraulichen Treffen mit Graf Iwan Korsakow und Mitgliedern der »Zwölf« an diesem Morgen würde positiv ausfallen. Rostow wusste, das war eine gute Sache. Korsakow galt als mächtigster Mann im Kreml und zeigte sich Hiobsbotschaften gegenüber wenig duldsam. In ihrer Beziehung zueinander hatte der Präsident früh erkannt, dass der Graf Ordnung als oberste Priorität erachtete.
Eines Tages, den er nie vergessen sollte, hatte der Mann ihn in einem dämmrigen Flur des Kremls beiseitegezogen und ihm zugeflüstert, Putin werde bald weit, weit weg sein, woraufhin er, Wladimir Rostow, zum zweitmächtigsten Mann in ganz Russland avancieren dürfe.
»Zum zweitmächtigsten?«, hatte die Graue Eminenz mit charakteristisch schüchternem Grinsen nachgehakt.
»Jawohl. Sie werden Präsident, doch wir alle wissen, wer Russland in Wirklichkeit regiert, nicht wahr, Wolodja?« Graf Korsakow hatte gelacht und ihm väterlich eine Hand auf die Schulter gelegt.
»Selbstverständlich, Exzellenz.«
Korsakow – der Dunkle Ritter, wie man ihn nannte – lenkte den Staat insgeheim mit eiserner Faust, aber da er weder einen offiziellen Titel besaß noch ein Amt im Kreml bekleidete, wussten nur eine Handvoll Personen in den höchsten Positionen, dass eigentlich er der Zauberer war, der die Fäden hinter den Kulissen zog.
Als der Militärhubschrauber des Präsidenten, ein Mil Mi-8, auf dem regennassen Dach landete, näherte sich bereits sein Verteidigungsminister Sergei Iwanow, um ihn zu begrüßen. Der schwache Septemberregen ging in Schnee über, und der Mantel des Mannes flatterte im Abwind der Rotoren an seinem dünnen Leib. Dessen ungeachtet strahlte er ausgelassen. Was ihm von Herzen beglückte, war der Stolz auf sein neues Hauptquartier, nicht der Anblick der Maschine des Präsidenten.
Sergeis Arbeitsplatz, dessen Bau etwa 9,5 Millionen Rubel gekostet hatte, war fortan die Heimat des GRU, des Hauptgeheimdienstes im Land, und in nur dreieinhalb Jahren aus dem Boden gestampft worden, ein Wunder für Moskauer Verhältnisse. Der Minister durfte also mit Recht Begeisterung zeigen.
Nachdem sie sich schnell die Hände gegeben hatten, eilten sie im Regen zur verglasten Eingangshalle.
»Verzeihen Sie die Verspätung«, sagte der Präsident zu seinem alten KGB-Genossen.
»Überhaupt nicht tragisch, Wladimir Rostow«, erwiderte Sergei. »Wir haben noch genug Zeit, um Sie vor unserem Treffen mit Korsakow einmal durch den Komplex zu führen. Ich verspreche, Sie nicht zu langweilen.«
Die neue GRU-Zentrale stand mit Blick aufs Chodynkafeld, den ehemaligen Flugplatz an der Choroschewskij-Autobahn, auf dem Gelände eines alten KGB-Komplexes, den man lange spöttisch als »das Aquarium« bezeichnet hatte. Es war ein Schandfleck gewesen, ein heruntergekommenes Relikt des früheren Russlands. Dieses neue Bollwerk aus Glas und Stahl enthielt auf annähernd 670.000 Quadratfuß Fläche die in allen Bereichen modernste Einrichtung. Dafür hatte sich Verteidigungsminister Sergei Iwanow stark gemacht. Immerhin ging es hier um das Neue Russland!
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