Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 33

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ Denn der Mann wuss­te et­was, das war si­cher. Nicht um­sonst er­geht sich ein im­mer­hin ge­bil­de­ter Mann – er war Se­kun­dar­leh­rer – in ei­ner ziem­lich öden Phra­seo­lo­gie, wie ›ver­schla­fe­ne Vög­lein zirp­ten in den Zwei­gen‹. Und dann war da das Wort, das dem Leh­rer wahr­schein­lich ganz un­be­wusst ent­schlüpft war: ›… ver­un­fall­ten‹.

      Schwei­gen am Tisch. Die Mu­sik ver­stumm­te, das Stück war zu Ende und lau­ter er­tön­te das Stim­men­ge­summ. Die drei am Ne­ben­tisch kehr­ten zu­rück. Son­ja blick­te un­be­tei­ligt auf den Leh­rer – sie schi­en also nicht die ›Beglei­tung‹ des Leh­rers ge­we­sen zu sein, wenn man über­haupt aus Bli­cken Schlüs­se zie­hen konn­te. Ar­mins Ge­sicht hin­ge­gen war leicht ver­zerrt. Er schi­en je­man­den zu su­chen. Manch­mal streif­ten sei­ne Bli­cke über den Leh­rer Schwomm, schweif­ten ab, schie­nen wie­der auf die Su­che zu ge­hen, blie­ben an der Türe han­gen, die aus der Wirt­schaft in den Gar­ten führ­te…

      Dort stand die Kell­ne­rin. Und Stu­der fühl­te mehr, als dass er rich­tig ge­se­hen hät­te, wie sie ganz un­merk­lich wink­te – eine leich­te Be­we­gung des Kop­fes, ein Mund­win­kel, der zuck­te… Ar­min lehn­te sich zu­rück, gähn­te, hielt die Hand vor den Mund. Ein kaum merk­li­ches Ni­cken, – das Gäh­nen war wohl nur ein Ver­such, die Beo­b­ach­ter von der Be­we­gung des Kop­fes ab­zu­len­ken…

      Stu­der war nicht mehr müde. Es kam ihm vor, als ste­he er wie­der mit­ten in den Er­eig­nis­sen. Er war nicht mehr aus­ge­schal­tet. Vor al­lem: es schi­en et­was vor­zu­ge­hen, Er­eig­nis­se wa­ren zu er­war­ten, Stu­der fühl­te es in al­len Glie­dern. Er blieb ru­hig. Zu­erst aus die­sem bad­schwamm­blon­den Men­schen, die­sem Leh­rer, al­les her­aus­ho­len, was es her­aus­zu­ho­len gab, und dann…

      Stu­der hat­te schon sein Pro­gramm für mor­gen.

      Aber wie viel konn­te noch pas­sie­ren zwi­schen heut und mor­gen!… Die gan­ze Nacht lag da­zwi­schen. Er wuss­te, der Wacht­meis­ter Stu­der, dass er die fol­gen­de Nacht nicht viel schla­fen wür­de… Aber was tat das? Sau­be­re Ar­beit! kom­man­dier­te er sich. Und wenn die Sa­che noch so un­or­dent­lich und ver­wor­ren aus­sieht! Ord­nung muss sein. Sau­ber­keit! Sau­ber­keit vor al­lem!

      »Und wie sah der Schat­ten aus?« Die Fra­ge war ein Über­fall. Der ver­träum­te Leh­rer schreck­te auf.

      »Er husch­te« (›husch­te!‹ sag­te der Leh­rer Schwomm), »er husch­te in zehn Me­ter Ent­fer­nung an uns… eh… an mir vor­bei. Grö­ße? Mit­tel­groß… ja, mit­tel­groß…« Der Leh­rer schwieg plötz­lich.

      »Mit­tel­groß?« frag­te Stu­der freund­lich. »Ich müss­te Ver­gleichs­mög­lich­kei­ten ha­ben. Un­ge­fähr wie groß war er, der Schat­ten? Ich will Ih­nen zwar ver­ra­ten, Herr Leh­rer Schwomm, dass der Schat­ten viel­leicht gar kei­ne Wich­tig­keit hat, aber mög­li­cher­wei­se be­stä­tigt er un­se­re Ver­mu­tun­gen. Wäre der Schat­ten so groß ge­we­sen wie, sa­gen wir, der An­ge­klag­te Schlumpf, so wäre dies sehr wich­tig für die Rich­ter, die ja nichts auf ein Ge­ständ­nis ge­ben, so­lan­ge nicht jede Be­we­gung des An­ge­klag­ten vor und nach der Tat samt al­len psy­cho­lo­gi­schen Mo­ti­ven ganz ge­nau fest­ge­legt ist. Ich spre­che zu ei­nem Aka­de­mi­ker, nicht wahr, ei­nem ein­fa­chen Man­ne ge­gen­über wür­de ich mich we­ni­ger ge­lehrt aus­drücken; also wie groß war der Schat­ten?«

      »Ich habe Er­win Schlumpf ei­gent­lich we­nig ge­se­hen. Aber mir scheint, der Schat­ten war von sei­ner Grö­ße…«

      »Es wäre für uns von größ­ter Be­deu­tung, wenn wir viel­leicht die An­sicht Ih­rer… Ih­rer Beglei­tung hö­ren könn­ten, aber dies wird wahr­schein­lich un­mög­lich sein…«

      »Aus­ge­schlos­sen, ganz aus­ge­schlos­sen… Ich könn­te es nie und nim­mer ver­ant­wor­ten…«

      »Schon gut«, schnitt Stu­der die Be­teue­run­gen ab. Er schiel­te nach dem Ti­sche Ar­mins. Dort schi­en et­was los zu sein. Ar­min flüs­ter­te eif­rig auf sei­ne Schwes­ter ein, den Coif­feur­ge­hil­fen hat­te er mit ei­ner Hand­be­we­gung dazu ge­bracht, nicht zu­zu­hö­ren. Dann stand Ar­min auf – die Kell­ne­rin lehn­te noch im­mer am Pfos­ten der Saal­tü­re, sie schi­en plötz­lich schwer­hö­rig ge­wor­den zu sein und blind oben­drein, denn sie küm­mer­te sich we­der um die Rufe noch um das Win­ken der Gäs­te. Sie sah aber Ar­mins Auf­ste­hen, dreh­te sich um und ver­schwand im In­nern des ›Bä­ren‹. Ar­min schlen­der­te durch den Gar­ten, den Kopf hielt er ge­senkt. Plötz­lich be­schleu­nig­te er sein Schlen­dern, er nahm große Schrit­te – und dann schluck­te auch ihn die of­fe­ne Tü­re…

      »Schon gut«, wie­der­hol­te Stu­der nach ei­ner Pau­se – und er konn­te den Blick nicht von Son­ja wen­den. Verzweif­lung, Angst, Rat­lo­sig­keit brach­ten Un­ru­he in das Klein­mäd­chen­ge­sicht.

      Wenn sie nur Ver­trau­en zu mir hät­te, grü­bel­te Stu­der. Er dach­te, wäh­rend er den nächs­ten Wor­ten Schwomms zer­streut lausch­te, im­mer­fort an sei­ne Frau. Wenn die hier wä­re… Seit er ihr das Ro­man­le­sen ab­ge­wöhnt hat­te, ge­lang es dem Hedy (Frau Stu­der hieß Hed­wig) gut, ge­plag­te, schweig­sa­me Men­schen zum Re­den zu brin­gen – be­son­ders Frau­en.

      Der Leh­rer Schwomm aber sag­te:

      »Na­tür­lich will ich nicht be­haup­ten, dass ich Er­win Schlumpf auf der Flucht nach sei­ner ruch­lo­sen Tat er­tappt ha­be…« (Ver­un­fallt – ruch­lo­se Tat, ging es Stu­der durch den Kopf…) »Aber im­mer­hin schi­en es mir merk­wür­dig, dass der Schat­ten die Rich­tung nach den Baum­schu­len des Herrn El­len­ber­ger nahm…«

      »Die Baum­schu­len als Schat­ten­reich, he­he­he…« me­cker­te der alte El­len­ber­ger. Stu­der sah ihn stra­fend an.

      »Und Sie sind ganz si­cher, zwei Schüs­se ge­hört zu ha­ben, und nach den zwei Schüs­sen ha­ben Sie den Schat­ten in der Rich­tung der Baum­schu­len ver­schwin­den se­hen?«

      »Ich glau­be«, Schwomm stot­ter­te, »Ich glau­be, ich habe zwei Schüs­se ge­hört.« Wie hil­fe­su­chend blick­te sich der Leh­rer um. Aber er ver­mied es, Stu­der in die Au­gen zu se­hen.

      »Glau­ben! glau­ben!« sag­te Stu­der vor­wurfs­voll. »Ein Mann wie Sie darf nicht glau­ben, er muss si­cher sein. Also zwei Schüs­se? Ja?«

      »Jaha«, es klang wie ein Seuf­zer.

      Schwei­gen. Dann be­gann die Mu­sik wie­der zu spie­len. Aus­ge­rech­net: ›Wenn du ein­mal dein Herz ver­schenkst…‹ Stu­der sah den Coif­feur­lehr­ling Son­ja zum Tanz auf­for­dern. Das Mäd­chen schüt­tel­te den Kopf. Sie pack­te ihre klei­ne Hand­ta­sche un­ter den Arm, rann­te durch den Gar­ten. War es eine Flucht? War es nicht viel­mehr ein letz­ter Ver­such, je­man­den ein­zu­ho­len?

      »Wer hat Ih­nen den Auf­trag ge­ge­ben, mir von zwei Schüs­sen zu er­zäh­len, wäh­rend ich durch fünf Zeu­gen­aus­sa­gen er­här­ten kann, dass nur ein Schuss ge­fal­len СКАЧАТЬ