Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 15

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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      Dort, wo der Feld­weg rechts von der Au­to­mo­bil­stra­ße ab­zweig­te, stand ein großes Schild:

      Baum­schu­len und Ro­sen­kul­tu­ren

       Gott­lieb El­len­ber­ger

      und ein Pfeil wies die Rich­tung. Stu­der ver­schob den Be­such auf spä­ter. Er bog lie­ber links ab, der Weg stieg ein we­nig an, aber man kam gleich in den Wald – Na­del­höl­zer und ganz we­nig Laub­bäu­me… Tan­nen­duft war ge­sund, be­son­ders für Schnup­fen, das hat­te schon sein Va­ter be­haup­tet. Im Vor­bei­ge­hen sah er sich den Rand­stein an, an den of­fen­bar der alte El­len­ber­ger am gest­ri­gen Abend mit sei­nem Kopf ge­flo­gen war. Es war ein ge­wöhn­li­cher Rand­stein, kein Blut kleb­te dar­an, am bes­ten, man ließ ihn rechts lie­gen und stieg das Wald­weg­lein em­por…

      Es war nie gut, sich auf einen Fall zu stür­zen, wie eine hung­ri­ge Sau aufs Fres­sen. Und man konn­te mit dem heu­ti­gen Tag zu­frie­den sein. Man hat­te Be­kannt­schaf­ten ge­nug ge­macht, man hat­te Bil­der ge­sam­melt, ei­gent­lich nicht an­ders als ein Fi­sel Scho­ko­la­de­bild­li. Aber die Bil­der wa­ren schön:

      Zu­erst der Wen­de­lin Wit­schi mit ei­ner Al­ko­hol­kon­zen­tra­ti­on von 2,1 pro Mil­le, was nach An­sicht des ita­lie­ni­schen As­sis­ten­ten mit den kri­mi­no­lo­gi­schen Kennt­nis­sen zu den At­tri­bu­ten ei­ner ›Al­ko­hol­lei­che‹ ge­hör­te. Dann die Fe­li­ci­tas mit dem Loch im Strumpf und ih­rem son­der­ba­ren Be­neh­men dem Coif­feur­ge­hil­fen ge­gen­über. Her­nach der Maque­reau mit sei­ner Freun­din, der Kell­ne­rin.

      Mein Gott, die Men­schen wa­ren über­all gleich. In der Schweiz ver­steck­ten sie sich ein we­nig, wenn sie über die Schnur hau­en woll­ten, und so­lan­ge es nie­mand merk­te, schwie­gen die Mit­menschen. Und der Wen­de­lin Wit­schi, der im Ge­richts­me­di­zi­ni­schen In­sti­tut kon­ser­viert wur­de, war ein aus­ster­ben­der Cha­rak­ter.

      Gut und recht.

      Wa­rum nicht? Sol­che Aus­drücke ge­hö­ren zum Le­ben; die Leu­te, auf die sie an­ge­wandt wer­den, zot­teln wei­ter, nie­mand regt sich über ihre klei­ne­ren oder grö­ße­ren Sün­den auf, wenn nicht…

      Eben, wenn nicht ir­gend et­was Un­vor­her­ge­se­he­nes pas­siert. Ein Mord zum Bei­spiel. Zu ei­nem Mord ge­hört ein Schul­di­ger, wie der An­ken aufs Brot. Sonst re­kla­mie­ren die Leu­te. Und wenn dann der so­ge­nann­te Schul­di­ge ver­sucht, sich auf­zu­hän­gen und es kommt ein Fahn­der­wacht­meis­ter dazu, der einen har­ten Gring hat, dann kann es ge­sche­hen, dass alle die klei­nen Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten, die im Le­ben je­des Men­schen vor­han­den sind, plötz­lich wich­tig wer­den; man ar­bei­tet dann mit ih­nen, wie ein Mau­rer mit Back­stei­nen – um ein Ge­bäu­de auf­zu­rich­ten… Ein Ge­bäu­de? Sa­gen wir vor­läu­fig: eine Wan­d…

      Am Wald­rand blieb Stu­der ste­hen, wisch­te sich die Stir­ne und schau­te übers Land. Auf ei­ner Te­le­gra­fen­stan­ge saß ein Mäu­se­bussard und ruh­te sich aus. Aber da kam eine Krä­he und be­gann den stil­len Vo­gel zu pla­gen. Der Bussard flog auf, die Krä­he folg­te ihm, und sie kra­hah­te dazu mit ei­ner un­an­ge­nehm hei­se­ren Stim­me. Der Bussard schwieg. Er flog im­mer hö­her, im­mer hö­her, warf sich dem Wind ent­ge­gen und be­weg­te kaum die Flü­gel. Die Krä­he folg­te. Sie woll­te ih­ren Krach ha­ben, sie ließ nicht lo­cker, im­mer wie­der stieß sie ge­gen den stil­len Vo­gel. Aber schließ­lich muss­te sie es auf­ge­ben. Der Bussard hat­te eine Höhe er­reicht, wo es der Krä­he un­ge­müt­lich wur­de. Kräch­zend ließ sie sich fal­len. Der Bussard flog einen voll­kom­me­nen Kreis und Stu­der be­nei­de­te ihn. Hier un­ten ent­kam man den Krä­hen nicht so mü­he­los.

      Er drang tiefer in den Wald ein. Und der Wald war sehr still…

      Wie weit war der Wacht­meis­ter ge­gan­gen? Über sei­nem Kop­fe spiel­te ein klei­ner Wind mit den Baum­wip­feln. Es rausch­te sanft.

      Und dann wur­de das küh­le Rau­schen plötz­lich von ei­nem an­de­ren Geräusch un­ter­bro­chen. Zwei­ge knack­ten, ein Stöh­nen war zu hö­ren – so als ob ein ver­wun­de­tes Tier sich müh­sam weiter­schlep­pen wür­de… Hin­ter ei­nem Ge­büsch fand Stu­der einen Mann, der auf dem Bauch lag und wim­mer­te. Die Rücken­naht sei­nes Rockes war auf­ge­ris­sen, das Haar zer­rauft, die Schu­he wa­ren ko­tig.

      Der Mann hat­te das Ge­sicht auf den Un­ter­arm ge­legt und wein­te in die Erde hin­ein.

      Ei­nen Au­gen­blick sah Stu­der ein an­de­res Bild: den Bur­schen Schlumpf, der die Au­gen in die Ell­bo­gen­beu­ge ge­presst hat­te…

      Dann klopf­te Stu­der dem Lie­gen­den auf die Schul­ter und frag­te:

      »Was ist los?«

      Der Mann dreh­te sich lang­sam auf den Rücken, blin­zel­te und schwieg. Stu­der er­kann­te den al­ten Cot­te­reau, den Ober­gärt­ner beim El­len­ber­ger…

      Aber als Stu­der noch ein­mal frag­te, was denn ei­gent­lich pas­siert sei, be­gann das Ge­wim­mer von neu­em. Jetzt wa­ren die Wor­te deut­lich zu ver­ste­hen:

      »Mein Gott! Mein Gott! Her­je­ses, ist das gut, dass end­lich ein Mensch kommt. Ver­re­cken könnt’ man in dem Wald. O je, o je! ganz trüm­me­lig ist mir, und so ha­ben sie mich ab­ge­schla­gen!…«

      Wer ihn denn ab­ge­schla­gen habe, woll­te Stu­der wis­sen. Da hör­te das Ge­jam­mer auf, das lin­ke Auge blin­zel­te ver­schmitzt – das an­de­re war blau un­ter­lau­fen und die ge­schwol­le­ne Haut ver­barg es fast ganz – und mit ganz ru­hi­ger Stim­me sag­te der Ober­gärt­ner Cot­te­reau:

      »Das tä­tet Ihr gern wis­sen, he? Aber von mir er­fahrt Ihr nichts. Es war, viel­leicht war es… Gar nichts war’s! Ei­gent­lich könn­tet Ihr mir auf­hel­fen und mich dann heim­füh­ren, bin oh­ne­hin ganz nass, die Nacht im Wald… Sie ha­ben mich zwar… Ja, der Meis­ter wird auf mich war­ten, hat er große Sor­ge ge­habt um mich?«

      »Er hat Euch durchs Ra­dio su­chen las­sen…«, sag­te Stu­der – da hock­te der Mann blitz­schnell auf, aber eine Gri­mas­se ver­zog sein Ge­sicht. Dann brei­te­te sich ein Aus­druck von Stolz dar­über aus:

      »Durchs Ra­dio?« frag­te er. Da­rauf be­wun­dernd: »Ja, der El­len­ber­ger!… Wie geht’s ihm, dem Meis­ter? Ist er schwer ver­letzt wor­den?«

      Stu­der schüt­tel­te den Kopf und mein­te streng, er wer­de ihn, den Cot­te­reau, lie­gen las­sen, wenn er nicht sa­gen wol­le, wer ihn über­fal­len habe.

      »Das könnt Ihr ma­chen, wie Ihr wollt, Herr Fahn­der«, sag­te der klei­ne di­cke Mann, zog einen Ta­schen­spie­gel her­vor, einen Kamm und be­gann sich zu sträh­len.

      »So, und jetzt könnt Ihr mich heim­füh­ren… Ihr seid oh­ne­hin schuld, dass sie mich so ab­ge­schwar­tet ha­ben. Aber der Cot­te­reau ist zäh, der sagt nichts, der weiß, was er sei­nem Meis­ter schul­dig ist…«

      Und СКАЧАТЬ