Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Als Zarathustra so zu dem Bucklichten geredet hatte und zu Denen, welchen er Mundstück und Fürsprecher war, wandte er sich mit tiefem Unmuthe zu seinen Jüngern und sagte:
»Wahrlich, meine Freunde, ich wandle unter den Menschen wie unter den Bruchstücken und Gliedmaassen von Menschen!
Diess ist meinem Auge das Fürchterliche, dass ich den Menschen zertrümmert finde und zerstreuet wie über ein Schlacht- und Schlächterfeld hin.
Und flüchtet mein Auge vom Jetzt zum Ehemals: es findet immer das Gleiche: Bruchstücke und Gliedmaassen und grause Zufälle – aber keine Menschen!
Das jetzt und das Ehemals auf Erden – ach! meine Freunde – das, ist mein Unerträglichstes; und ich wüsste nicht zu leben, wenn ich nicht noch ein Seher wäre, dessen, was kommen muss.
Ein Seher, ein Wollender, ein Schaffender, eine Zukunft selber und eine Brücke zur Zukunft – und ach, auch noch gleichsam ein Krüppel an dieser Brücke: das Alles ist Zarathustra.
Und auch ihr fragtet euch oft: »wer ist uns Zarathustra? Wie soll er uns heissen?« Und gleich mir selber gabt ihr euch Fragen zur Antwort.
Ist er ein Versprechender? Oder ein Erfüller? Ein Erobernder? Oder ein Erbender? Ein Herbst? Oder eine Pflugschar? Ein Arzt? Oder ein Genesener?
Ist er ein Dichter? Oder ein Wahrhaftiger? Ein Befreier? Oder ein Bändiger? Ein Guter? Oder ein Böser?
Ich wandle unter Menschen als den Bruchstücken der Zukunft: jener Zukunft, die ich schaue.
Und das ist all mein Dichten und Trachten, dass ich in Eins dichte und zusammentragen was Bruchstück ist und Räthsel und grauser Zufall.
Und wie ertrüge ich es, Mensch zu sein, wenn der Mensch nicht auch Dichter und Räthselrather und der Erlöser des Zufalls wäre!
Die Vergangnen zu erlösen und alles »Es war« umzuschaffen in ein »So wollte ich es!« – das hiesse mir erst Erlösung!
Wille – so heisst der Befreier und Freudebringer: also lehrte ich euch, meine Freunde! Und nun lernt diess hinzu: der Wille selber ist noch ein Gefangener.
Wollen befreit: aber wie heisst Das, was auch den Befreier noch in Ketten schlägt?
»Es war«: also heisst des Willens Zähneknirschen und einsamste Trübsal. Ohnmächtig gegen Das, was gethan ist – ist er allem Vergangenen ein böser Zuschauer.
Nicht zurück kann der Wille wollen; dass er die Zeit nicht brechen kann und der Zeit Begierde, – das ist des Willens einsamste Trübsal.
Wollen befreit: was ersinnt sich das Wollen selber, dass es los seiner Trübsal werde und seines Kerkers spotte?
Ach, ein Narr wird jeder Gefangene! Närrisch erlöst sich auch der gefangene Wille.
Dass die Zeit nicht zurückläuft, das ist sein Ingrimm; »Das, was war« – so heisst der Stein, den er nicht wälzen kann.
Und so wälzt er Steine aus Ingrimm und Unmuth und übt Rache an dem, was nicht gleich ihm Grimm und Unmuth fühlt.
Also wurde der Wille, der Befreier, ein Wehethäter: und an Allem, was leiden kann, nimmt er Rache dafür, dass er nicht zurück kann.
Diess, ja diess allein ist Rache selber: des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr »Es war.«
Wahrlich, eine grosse Narrheit wohnt in unserm Willen; und zum Fluche wurde es allem Menschlichen, dass diese Narrheit Geist lernte!
Der Geist der Rache: meine Freunde, das war bisher der Menschen bestes Nachdenken; und wo Leid war, da sollte immer Strafe sein.
»Strafe« nämlich, so heisst sich die Rache selber: mit einem Lügenwort heuchelt sie sich ein gutes Gewissen.
Und weil im Wollenden selber Leid ist, darob dass es nicht zurück wollen kann, – also sollte Wollen selber und alles Leben – Strafe sein!
Und nun wälzte sich Wolke auf Wolke über den Geist: bis endlich der Wahnsinn predigte: »Alles vergeht, darum ist Alles werth zu vergehn!«
»Und diess ist selber Gerechtigkeit, jenes Gesetz der Zeit, dass sie ihre Kinder fressen muss«: also predigte der Wahnsinn.
»Sittlich sind die Dinge geordnet nach Recht und Strafe. Oh wo ist die Erlösung vom Fluss der Dinge und der Strafe Dasein«? Also predigte der Wahnsinn.
»Kann es Erlösung geben, wenn es ein ewiges Recht giebt? Ach, unwälzbar ist der Stein »Es war«: ewig müssen auch alle Strafen sein!« Also predigte der Wahnsinn.
»Keine That kann vernichtet werden: wie könnte sie durch die Strafe ungethan werden! Diess, diess ist das Ewige an der Strafe »Dasein«, dass das Dasein auch ewig wieder That und Schuld sein muss!
»Es sei denn, dass der Wille endlich sich selber erlöste und Wollen zu Nicht-Wollen würde –«: doch ihr kennt, meine Brüder, diess Fabellied des Wahnsinns!
Weg führte ich euch von diesen Fabelliedern, als ich euch lehrte: »der Wille ist ein Schaffender.«
Alles »Es war« ist ein Bruchstück, ein Räthsel, ein grauser Zufall – bis der schaffende Wille dazu sagt: aber so wollte ich es!«
Bis der schaffende Wille dazu sagt: »Aber so will ich es! So werde ich’s wollen!«
Aber sprach er schon so? Und wann geschieht diess? Ist der Wille schon abgeschirrt von seiner eignen Thorheit?
Wurde der Wille sich selber schon Erlöser und Freudebringer? Verlernte er den Geist der Rache und alles Zähneknirschen?
Und wer lehrte ihn Versöhnung mit der Zeit, und Höheres als alle Versöhnung ist?
Höheres als alle Versöhnung muss der Wille wollen, welcher der Wille zur Macht ist –: doch wie geschieht ihm das? Wer lehrte ihn auch noch das Zurückwollen?«
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