Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ ich glaub­te dem Vol­ke nie­mals, wenn es von gros­sen Men­schen re­de­te – und be­hielt mei­nen Glau­ben bei, dass es ein um­ge­kehr­ter Krüp­pel sei, der an Al­lem zu we­nig und an Ei­nem zu viel habe.«

      Als Za­ra­thustra so zu dem Buck­lich­ten ge­re­det hat­te und zu De­nen, wel­chen er Mund­stück und Für­spre­cher war, wand­te er sich mit tie­fem Un­mu­the zu sei­nen Jün­gern und sag­te:

      »Wahr­lich, mei­ne Freun­de, ich wand­le un­ter den Men­schen wie un­ter den Bruch­stücken und Glied­maas­sen von Men­schen!

      Diess ist mei­nem Auge das Fürch­ter­li­che, dass ich den Men­schen zer­trüm­mert fin­de und zer­streu­et wie über ein Schlacht- und Schläch­ter­feld hin.

      Und flüch­tet mein Auge vom Jetzt zum Ehe­mals: es fin­det im­mer das Glei­che: Bruch­stücke und Glied­maas­sen und grau­se Zu­fäl­le – aber kei­ne Men­schen!

      Das jetzt und das Ehe­mals auf Er­den – ach! mei­ne Freun­de – das, ist mein Uner­träg­lichs­tes; und ich wüss­te nicht zu le­ben, wenn ich nicht noch ein Se­her wäre, des­sen, was kom­men muss.

      Ein Se­her, ein Wol­len­der, ein Schaf­fen­der, eine Zu­kunft sel­ber und eine Brücke zur Zu­kunft – und ach, auch noch gleich­sam ein Krüp­pel an die­ser Brücke: das Al­les ist Za­ra­thustra.

      Und auch ihr frag­tet euch oft: »wer ist uns Za­ra­thustra? Wie soll er uns heis­sen?« Und gleich mir sel­ber gabt ihr euch Fra­gen zur Ant­wort.

      Ist er ein Ver­spre­chen­der? Oder ein Er­fül­ler? Ein Erobern­der? Oder ein Er­ben­der? Ein Herbst? Oder eine Pflug­schar? Ein Arzt? Oder ein Ge­ne­se­ner?

      Ist er ein Dich­ter? Oder ein Wahr­haf­ti­ger? Ein Be­frei­er? Oder ein Bän­di­ger? Ein Gu­ter? Oder ein Bö­ser?

      Ich wand­le un­ter Men­schen als den Bruch­stücken der Zu­kunft: je­ner Zu­kunft, die ich schaue.

      Und das ist all mein Dich­ten und Trach­ten, dass ich in Eins dich­te und zu­sam­men­tra­gen was Bruch­stück ist und Räth­sel und grau­ser Zu­fall.

      Und wie er­trü­ge ich es, Mensch zu sein, wenn der Mensch nicht auch Dich­ter und Räth­sel­rat­her und der Er­lö­ser des Zu­falls wäre!

      Die Ver­gang­nen zu er­lö­sen und al­les »Es war« um­zu­schaf­fen in ein »So woll­te ich es!« – das hies­se mir erst Er­lö­sung!

      Wil­le – so heisst der Be­frei­er und Freu­de­brin­ger: also lehr­te ich euch, mei­ne Freun­de! Und nun lernt diess hin­zu: der Wil­le sel­ber ist noch ein Ge­fan­ge­ner.

      Wol­len be­freit: aber wie heisst Das, was auch den Be­frei­er noch in Ket­ten schlägt?

      »Es war«: also heisst des Wil­lens Zäh­ne­knir­schen und ein­sams­te Trüb­sal. Ohn­mäch­tig ge­gen Das, was gethan ist – ist er al­lem Ver­gan­ge­nen ein bö­ser Zuschau­er.

      Nicht zu­rück kann der Wil­le wol­len; dass er die Zeit nicht bre­chen kann und der Zeit Be­gier­de, – das ist des Wil­lens ein­sams­te Trüb­sal.

      Wol­len be­freit: was er­sinnt sich das Wol­len sel­ber, dass es los sei­ner Trüb­sal wer­de und sei­nes Ker­kers spot­te?

      Ach, ein Narr wird je­der Ge­fan­ge­ne! När­risch er­löst sich auch der ge­fan­ge­ne Wil­le.

      Dass die Zeit nicht zu­rück­läuft, das ist sein In­grimm; »Das, was war« – so heisst der Stein, den er nicht wäl­zen kann.

      Und so wälzt er Stei­ne aus In­grimm und Un­muth und übt Ra­che an dem, was nicht gleich ihm Grimm und Un­muth fühlt.

      Also wur­de der Wil­le, der Be­frei­er, ein We­he­t­hä­ter: und an Al­lem, was lei­den kann, nimmt er Ra­che da­für, dass er nicht zu­rück kann.

      Diess, ja diess al­lein ist Ra­che sel­ber: des Wil­lens Wi­der­wil­le ge­gen die Zeit und ihr »Es war.«

      Wahr­lich, eine gros­se Narr­heit wohnt in un­serm Wil­len; und zum Flu­che wur­de es al­lem Men­sch­li­chen, dass die­se Narr­heit Geist lern­te!

      Der Geist der Ra­che: mei­ne Freun­de, das war bis­her der Men­schen bes­tes Nach­den­ken; und wo Leid war, da soll­te im­mer Stra­fe sein.

      »Stra­fe« näm­lich, so heisst sich die Ra­che sel­ber: mit ei­nem Lü­gen­wort heu­chelt sie sich ein gu­tes Ge­wis­sen.

      Und weil im Wol­len­den sel­ber Leid ist, darob dass es nicht zu­rück wol­len kann, – also soll­te Wol­len sel­ber und al­les Le­ben – Stra­fe sein!

      Und nun wälz­te sich Wol­ke auf Wol­ke über den Geist: bis end­lich der Wahn­sinn pre­dig­te: »Al­les ver­geht, dar­um ist Al­les werth zu ver­gehn!«

      »Und diess ist sel­ber Ge­rech­tig­keit, je­nes Ge­setz der Zeit, dass sie ihre Kin­der fres­sen muss«: also pre­dig­te der Wahn­sinn.

      »Sitt­lich sind die Din­ge ge­ord­net nach Recht und Stra­fe. Oh wo ist die Er­lö­sung vom Fluss der Din­ge und der Stra­fe Da­sein«? Also pre­dig­te der Wahn­sinn.

      »Kann es Er­lö­sung ge­ben, wenn es ein ewi­ges Recht giebt? Ach, un­wälz­bar ist der Stein »Es war«: ewig müs­sen auch alle Stra­fen sein!« Also pre­dig­te der Wahn­sinn.

      »Kei­ne That kann ver­nich­tet wer­den: wie könn­te sie durch die Stra­fe un­gethan wer­den! Diess, diess ist das Ewi­ge an der Stra­fe »Da­sein«, dass das Da­sein auch ewig wie­der That und Schuld sein muss!

      »Es sei denn, dass der Wil­le end­lich sich sel­ber er­lös­te und Wol­len zu Nicht-Wol­len wür­de –«: doch ihr kennt, mei­ne Brü­der, diess Fa­bel­lied des Wahn­sinns!

      Weg führ­te ich euch von die­sen Fa­bel­lie­dern, als ich euch lehr­te: »der Wil­le ist ein Schaf­fen­der.«

      Al­les »Es war« ist ein Bruch­stück, ein Räth­sel, ein grau­ser Zu­fall – bis der schaf­fen­de Wil­le dazu sagt: aber so woll­te ich es!«

      Bis der schaf­fen­de Wil­le dazu sagt: »Aber so will ich es! So wer­de ich’s wol­len!«

      Aber sprach er schon so? Und wann ge­schieht diess? Ist der Wil­le schon ab­ge­schirrt von sei­ner eig­nen Thor­heit?

      Wur­de der Wil­le sich sel­ber schon Er­lö­ser und Freu­de­brin­ger? Ver­lern­te er den Geist der Ra­che und al­les Zäh­ne­knir­schen?

      Und wer lehr­te ihn Ver­söh­nung mit der Zeit, und Hö­he­res als alle Ver­söh­nung ist?

      Hö­he­res als alle Ver­söh­nung muss der Wil­le wol­len, wel­cher der Wil­le zur Macht ist –: doch wie ge­schieht ihm das? Wer lehr­te ihn auch noch das Zu­rück­wol­len?«

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