Gleich Solchen, die auf der Strasse stehn und die Leute angaffen, welche vorübergehn: also warten sie auch und gaffen Gedanken an, die Andre gedacht haben.
Greift man sie mit Händen, so stäuben sie um sich gleich Mehlsäcken, und unfreiwillig. aber wer erriethe wohl, dass ihr Staub vom Korne stammt und von der gelben Wonne der Sommerfelder?
Geben sie sich weise, so fröstelt mich ihrer kleinen Sprüche und Wahrheiten: ein Geruch ist oft an ihrer Weisheit, als ob sie aus dem Sumpfe stamme: und wahrlich, ich hörte auch schon den Frosch aus ihr quaken!
Geschickt sind sie, sie haben kluge Finger: was will meine Einfalt bei ihrer Vielfalt! Alles Fädeln und Knüpfen und Weben verstehn ihre Finger: also wirken sie die Strümpfe des Geistes!
Gute Uhrwerke sind sie: nur sorge man, sie richtig aufzuziehn! Dann zeigen sie ohne Falsch die Stunde an und machen einen bescheidnen Lärm dabei.
Gleich Mühlwerken arbeiten sie und Stampfen: man werfe ihnen nur seine Fruchtkörner zu! – sie wissen schon, Korn klein zu mahlen und weissen Staub daraus zu machen.
Sie sehen einander gut auf die Finger und trauen sich nicht zum Besten. Erfinderisch in kleinen Schlauheiten warten sie auf Solche, deren Wissen auf lahmen Füssen geht, – gleich Spinnen warten sie.
Ich sah sie immer mit Vorsicht Gift bereiten; und immer zogen sie gläserne Handschuhe dabei an ihre Finger.
Auch mit falschen Würfeln wissen sie zu spielen; und so eifrig fand ich sie spielen, dass sie dabei schwitzten.
Wir sind einander fremd, und ihre Tugenden gehn mir noch mehr wider den Geschmack, als ihre Falschheiten und falschen Würfel.
Und als ich bei ihnen wohnte, da wohnte ich über ihnen. Darüber wurden sie mir gram.
Sie wollen Nichts davon hören, dass Einer über ihren Köpfen wandelt; und so legten sie Holz und Erde und Unrath zwischen mich und ihre Köpfe.
Also dämpften sie den Schall meiner Schritte: und am schlechtesten wurde ich bisher von den Gelehrtesten gehört.
Aller Menschen Fehl und Schwäche legten sie zwischen sich und mich: – »Fehlboden« heissen sie das in ihren Häusern.
Aber trotzdem wandele ich mit meinen Gedanken über ihren Köpfen; und selbst, wenn ich auf meinen eignen Fehlern wandeln wollte, würde ich noch über ihnen sein und ihren Köpfen.
Denn die Menschen sind nicht gleich: so spricht die Gerechtigkeit. Und was ich will, dürften sie nicht wollen!
Also sprach Zarathustra.
Von den Dichtern
»Seit ich den Leib besser kenne, – sagte Zarathustra zu einem seiner Jünger – ist mir der Geist nur noch gleichsam Geist; und alles das »Unvergängliche« – das ist auch nur ein Gleichniss.«
»So hörte ich dich schon einmal sagen, antwortete der Jünger; und damals fügtest du hinzu: »aber die Dichter lügen zuviel.« Warum sagtest du doch, dass die Dichter zuviel lügen?«
»Warum? sagte Zarathustra. Du fragst warum? Ich gehöre nicht zu Denen, welche man nach ihrem Warum fragen darf.
Ist denn mein Erleben von Gestern? Das ist lange her, dass ich die Gründe meiner Meinungen erlebte.
Müsste ich nicht ein Fass sein von Gedächtniss, wenn ich auch meine Gründe bei mir haben wollte?
Schon zuviel ist mir’s, meine Meinungen selber zu behalten; und mancher Vogel fliegt davon.
Und mitunter finde ich auch ein zugezogenes Thier in meinem Taubenschlage, das mir fremd ist, und das zittert, wenn ich meine Hand darauf lege.
Doch was sagte dir einst Zarathustra? Dass die Dichter zuviel lügen? – Aber auch Zarathustra ist ein Dichter.
Glaubst du nun, dass er hier die Wahrheit redete? Warum glaubst du das?«
Der Jünger antwortete: »ich glaube an Zarathustra.« Aber Zarathustra schüttelte den Kopf und lächelte.
Der Glaube macht mich nicht selig, sagte er, zumal nicht der Glaube an mich.
Aber gesetzt, dass jemand allen Ernstes sagte, die Dichter lügen zuviel: so hat er Recht, – wir lügen zuviel.
Wir wissen auch zu wenig und sind schlechte Lerner: so müssen wir schon lügen.
Und wer von uns Dichtern hätte nicht seinen Wein verfälscht? Manch giftiger Mischmasch geschah in unsern Kellern, manches Unbeschreibliche ward da gethan.
Und weil wir wenig wissen, so gefallen uns von Herzen die geistig Armen, sonderlich wenn es junge Weibchen sind!
Und selbst nach den Dingen sind wir noch begehrlich, die sich die alten Weibchen Abends erzählen. Das heissen wir selber an uns das Ewig-Weibliche.
Und als ob es einen besondren geheimen Zugang zum Wissen gäbe, der sich Denen verschütte, welche Etwas lernen: so glauben wir an das Volk und seine »Weisheit.«
Das aber glauben alle Dichter: dass wer im Grase oder an einsamen Gehängen liegend die Ohren spitze, Etwas von den Dingen erfahre, die zwischen Himmel und Erde sind.
Und kommen ihnen zärtliche Regungen, so meinen die Dichter immer, die Natur selber sei in sie verliebt:
Und sie schleiche zu ihrem Ohre, Heimliches hinein zu sagen und verliebte Schmeichelreden: dessen brüsten und blähen sie sich vor allen Sterblichen!
Ach, es giebt so viel Dinge zwischen Himmel und Erden, von denen sich nur die Dichter Etwas haben träumen lassen!
Und zumal über dem Himmel: denn alle Götter sind Dichter-Gleichniss, Dichter-Erschleichniss!
Wahrlich, immer zieht es uns hinan – nämlich zum Reich der Wolken: auf diese setzen wir unsre bunten Bälge und heissen sie dann Götter und Übermenschen: –
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