Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше страница 33

СКАЧАТЬ ein Se­gen und eine Ge­fahr den An­woh­nen­den: da ist der Ur­sprung eu­rer Tu­gend.

      Wenn ihr er­ha­ben seid über Lob und Ta­del, und euer Wil­le al­len Din­gen be­feh­len will, als ei­nes Lie­ben­den Wil­le: da ist der Ur­sprung eu­rer Tu­gend.

      Wenn ihr das An­ge­neh­me ver­ach­tet und das wei­che Bett, und von den Weich­li­chen euch nicht weit ge­nug bet­ten könnt: da ist der Ur­sprung eu­rer Tu­gend.

      Wenn ihr Ei­nes Wil­lens Wol­len­de seid, und die­se Wen­de al­ler Noth euch No­thwen­dig­keit heisst: da ist der Ur­sprung eu­rer Tu­gend.

      Wahr­lich, ein neu­es Gu­tes und Bö­ses ist sie! Wahr­lich, ein neu­es tie­fes Rau­schen und ei­nes neu­en Quel­les Stim­me!

      Macht ist sie, die­se neue Tu­gend; ein herr­schen­der Ge­dan­ke ist sie und um ihn eine klu­ge See­le: eine gol­de­ne Son­ne und um sie die Schlan­ge der Er­kennt­niss

      2

      Hier schwieg Za­ra­thustra eine Wei­le und sah mit Lie­be auf sei­ne Jün­ger. Dann fuhr er also fort zu re­den: – und sei­ne Stim­me hat­te sich ver­wan­delt.

      Bleibt mir der Erde treu, mei­ne Brü­der, mit der Macht eu­rer Tu­gend! Eure schen­ken­de Lie­be und eure Er­kennt­niss die­ne dem Sinn der Erde! Also bit­te und be­schwö­re ich euch.

      Lasst sie nicht da­von flie­gen vom Ir­di­schen und mit den Flü­geln ge­gen ewi­ge Wän­de schla­gen! Ach, es gab im­mer so viel ver­flo­ge­ne Tu­gend!

      Führt, gleich mir, die ver­flo­ge­ne Tu­gend zur Erde zu­rück – ja, zu­rück zu Leib und Le­ben: dass sie der Erde ih­ren Sinn gebe, einen Men­schen-Sinn!

      Hun­dert­fäl­tig ver­flog und ver­griff sich bis­her so Geist wie Tu­gend. Ach, in un­serm Lei­be wohnt jetzt noch all die­ser Wahn und Fehl­griff: Leib und Wil­le ist er da ge­wor­den.

      Hun­dert­fäl­tig ver­such­te und ver­irr­te sich bis­her so Geist wie Tu­gend. Ja, ein Ver­such war der Mensch. Ach, viel Un­wis­sen und Irr­thum ist an uns Leib ge­wor­den!

      Nicht nur die Ver­nunft von Jahr­tau­sen­den – auch ihr Wahn­sinn bricht an uns aus. Ge­fähr­lich ist es, Erbe zu sein.

      Noch kämp­fen wir Schritt um Schritt mit dem Rie­sen Zu­fall, und über der gan­zen Mensch­heit wal­te­te bis­her noch der Un­sinn, der Ohne-Sinn.

      Euer Geist und eure Tu­gend die­ne dem Sinn der Erde, mei­ne Brü­der: und al­ler Din­ge Werth wer­de neu von euch ge­setzt! Da­rum sollt ihr Kämp­fen­de sein! Da­rum sollt ihr Schaf­fen­de sein!

      Wis­send rei­nigt sich der Leib; mit Wis­sen ver­su­chend er­höht er sich; dem Er­ken­nen­den hei­li­gen sich alle Trie­be; dem Er­höh­ten wird die See­le fröh­lich.

      Arzt, hilf dir sel­ber: so hilfst du auch dei­nem Kran­ken noch. Das sei sei­ne bes­te Hül­fe, dass er Den mit Au­gen sehe, der sich sel­ber heil macht.

      Tau­send Pfa­de giebt es, die nie noch ge­gan­gen sind; tau­send Ge­sund­hei­ten und ver­bor­ge­ne Ei­lan­de des Le­bens. Uner­schöpft und un­ent­deckt ist im­mer noch Mensch und Men­schen-Erde.

      Wa­chet und horcht, ihr Ein­sa­men! Von der Zu­kunft her kom­men Win­de mit heim­li­chem Flü­gel­schla­gen; und an fei­ne Ohren er­geht gute Bot­schaft.

      Ihr Ein­sa­men von heu­te, ihr Aus­schei­den­den, ihr sollt einst ein Volk sein: aus euch, die ihr euch sel­ber aus­wähl­tet, soll ein aus­er­wähl­tes Volk er­wach­sen: – und aus ihm der Über­mensch.

      Wahr­lich, eine Stät­te der Ge­ne­sung soll noch die Erde wer­den! Und schon liegt ein neu­er Ge­ruch um sie, ein Heil brin­gen­der, – und eine neue Hoff­nung!

      3

      Als Za­ra­thustra die­se Wor­te ge­sagt hat­te, schwieg er, wie Ei­ner, der nicht sein letz­tes Wort ge­sagt hat; lan­ge wog er den Stab zwei­felnd in sei­ner Hand. End­lich sprach er also: – und sei­ne Stim­me hat­te sich ver­wan­delt.

      Al­lein gehe ich nun, mei­ne Jün­ger! Auch ihr geht nun da­von und al­lein! So will ich es.

      Wahr­lich, ich rat­he euch: geht fort von mir und wehrt euch ge­gen Za­ra­thustra! Und bes­ser noch: schämt euch sei­ner! Vi­el­leicht be­trog er euch.

      Der Mensch der Er­kennt­niss muss nicht nur sei­ne Fein­de lie­ben, son­dern auch sei­ne Freun­de has­sen kön­nen.

      Man ver­gilt ei­nem Leh­rer schlecht, wenn man im­mer nur der Schü­ler bleibt. Und warum wollt ihr nicht an mei­nem Kran­ze rup­fen?

      Ihr ver­ehrt mich; aber wie, wenn eure Ver­eh­rung ei­nes Ta­ges um­fällt? Hü­tet euch, dass euch nicht eine Bild­säu­le er­schla­ge!

      Ihr sagt, ihr glaubt an Za­ra­thustra? Aber was liegt an Za­ra­thustra! Ihr seid mei­ne Gläu­bi­gen: aber was liegt an al­len Gläu­bi­gen!

      Ihr hat­tet euch noch nicht ge­sucht: da fan­det ihr mich. So thun alle Gläu­bi­gen; dar­um ist es so we­nig mit al­lem Glau­ben.

      Nun heis­se ich euch, mich ver­lie­ren und euch fin­den; und erst, wenn ihr mich Alle ver­leug­net habt, will ich euch wie­der­keh­ren.

      Wahr­lich, mit an­dern Au­gen, mei­ne Brü­der, wer­de ich mir dann mei­ne Ver­lo­re­nen su­chen; mit ei­ner an­de­ren Lie­be wer­de ich euch dann lie­ben.

      Und einst noch sollt ihr mir Freun­de ge­wor­den sein und Kin­der Ei­ner Hoff­nung: dann will ich zum drit­ten Male bei euch sein, dass ich den gros­sen Mit­tag mit euch feie­re.

      Und das ist der gros­se Mit­tag, da der Mensch auf der Mit­te sei­ner Bahn steht zwi­schen Thier und Über­mensch und sei­nen Weg zum Aben­de als sei­ne höchs­te Hoff­nung fei­ert: denn es ist der Weg zu ei­nem neu­en Mor­gen.

      Als­da wird sich der Un­ter­ge­hen­de sel­ber seg­nen, dass er ein Hin­über­ge­hen­der sei; und die Son­ne sei­ner Er­kennt­niss wird ihm im Mit­ta­ge stehn.

      »Todt sind alle Göt­ter: nun wol­len wir, dass der Über­mensch lebe.« – diess sei einst am gros­sen Mit­ta­ge un­ser letz­ter Wil­le! –

      Also sprach Za­ra­thustra.

      »- und erst, wenn ihr mich Alle ver­leug­net habt, will ich euch wie­der­keh­ren.

      Wahr­lich, mit an­dern Au­gen, mei­ne Brü­der, wer­de ich mir dann mei­ne Ver­lo­re­nen su­chen; mit ei­ner an­dern Lie­be wer­de ich euch dann lie­ben«.

      Za­ra­thustra, von der schen­ken­den Tu­gend

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