Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke - Heinrich Zschokke страница 144

Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

isbn:

СКАЧАТЬ denn die Einen von uns haben zu viel Land, die Andern gar keines; die Uebrigen können es nicht in Ordnung anbauen und benutzen. Die Bettelei ist von Vielen nicht mehr für Schmach gehalten, sondern für einen ordentlichen Beruf und Erwerb angesehen. Die meisten Haushaltungen sind verschuldet, und eine um die andere sieht den Tag vor, da ihr Alles versteigert und sie ausgetrieben werden muß. Die Schuldboten verlassen unser Dorf nie. Mit den benachbarten Orten haben wir Zank und Prozeß, und unter uns selber Feindschaft und Parteien. Wir haben noch den alten Hochmuth, aber nicht mehr das alte Geld; auf den Straßen Koth und in den Häusern Unflath und Gestank, den meisten Unflath aber im Herzen. Denn hier versteht sich fast Jedermann besser aufs Saufen, als aufs Arbeiten; besser aufs Borgen, als aufs Bezahlen; besser aufs Prellen und Stehlen, als aufs Geben; besser auf Hinterlist, als auf Wahrheit. Wenn das so fortgeht, müssen wir in Elend und Schande Alle untergehen. Schon haben wir zu Stadt und Land keinen Kredit mehr, und wenn man Jemand einen Lump heißen will, so sagt man: er ist ein Goldenthaler!«

      Bei diesen Worten des Oswald erhob sich ein großes Gemurmel und Dräuen im Volk, und jeder sah den Oswald mit finstern Blicken an; also, daß des Müllers Elsbeth in große Furcht gerieth. Denn sie stand auf einer Bank am Hause und verwandte kein Auge vom Oswald, der ihr von Herzen lieb war.

      Oswald ließ sich jedoch von dem Gemurre und Gesurre nicht schrecken, sondern fuhr also fort:

      »Liebe Mitbürger, wenn noch ein Tropfen redlichen und frommen Bluts in euern Adern wallt, so schlaget Hand in Hand und sprechet: es soll und muß anders werden! Woher kommt unser Verderben? Dahinten her kommt es, aus den Wirthshäusern! Da sind eure Ländereien in die Wein- und Bierfässer gefallen, und eure Kühe von den Spielkarten erschlagen. Da habt ihr das Sparen verlernt und das Arbeiten vergessen. Armuth macht Diebsmuth, und Müßiggang ist des Teufels Ruhebank. Das Geld eurer Väter ist verzehrt, und ihre Sonntagsröcke traget ihr mit Löchern in den Aermeln. Habet ihr ein paar Kreuzer im Sack, trinket ihr lustig, und Weib und Kind daheim hungern. Was soll daraus werden? – Ich frage die Vorgesetzten! Wo ist das Vermögen der Gemeinde, und wie habt ihr hausgehalten mit der Hinterlassenschaft unserer Vorfahren? Warum leget ihr keine treue Rechnung ab, und gebet nicht aufrichtigen Rath, wie zu helfen sei? Warum schmauset ihr lieber auf Gemeindsunkosten, statt der Gemeinde Gut zu sparen? Warum verschließet ihr nicht die Wirthshäuser, und öffnet dafür Abzugsgraben für das Wasser im versumpften Gemeindswald oder bessert unsere halsbrechenden Dorfwege ans? Warum machet ihr's den Leuten so leicht, wenn sie Geld borgen wollen, und machet es ihnen so schwer, wenn sie sich vor dem Bettelstab retten möchten?«

      Wie Oswald so redete, schrien einige der Vorgesetzten: »Schweig, du Landstreicher und Taugenichts, oder wir schicken dich bei Wasser und Brod in den Thurm, achtundvierzig Stunden lang!« – Und die ganze Gemeinde brüllte: »Schweig! Schweig!«

      Aber Oswald erwiderte: »Ihr habet Macht, mich in den Thurm zu werfen; aber ich habe Macht, euch vor die hohe Landesregierung zu rufen. Wenn ich da eure Wirtschaft aufdecke, wird euch übler zu Muth sein, als mir bei Wasser und Brod ist. Ihr alle aber, Mitbürger, beweiset mir, daß ich falsch rede, oder lästere. Fraget eure Gewissen, ob das Gemeindegut vermehrt oder verheert ist? Fraget eure Gewissen, ob ihr reicher oder ärmer geworden seid; ob Treu und Glauben noch unter uns gelten; ob Gottesfurcht und Menschenliebe unter uns herrschen, oder hartherziger Eigennutz, Wucher, Lüderlichkeit, Hinterlist, Tücke, Meineid und falsches Wesen? Und wenn euer Gewissen keine Zunge hat, so schauet eure zerfallenen Häuser und Ställe, eure verwilderten Felder und Gärten, eure leeren Geldbeutel und Truhen, eure zerrissenen Kleider und Hemden an; die sind meine Zeugen wider euch. Schauet eure armen verwahrlosten Kinder an, sie sind meine Zeugen wider euch. Ihr habet mehr Sorgfalt für eure Kühe, Säue und Ziegen, als für eure Kinder; und Kühe, Säue und Ziegen sind euch nicht so lieb, als euch Schwelgerei und Spiel, Fraß und Sauf sind.«

      Oswald wollte noch mehr sagen; aber sie stießen ihn mit mörderischem Gebrüll vom Stein, und ließen ihn nicht mehr reden. Einige wollten die Hand an ihn legen; aber er ergriff sie mit gewaltiger Faust und schleuderte sie gegen die Andern, daß sie mit den Köpfen zusammenschlugen. Er nahm einen gewaltigen Stecken, und drohte den Ersten zu Boden zu schlagen, der sich ihm nähern würde. Das Geschrei gegen ihn ward immer lauter und wilder. Einige hoben Steine auf. Oswald ging beherzt mit geschwungenem Prügel gegen den dicken Haufen, und mitten durch denselben nach Hause. Er wusch sich, verband seine verwundete Stirn und war ruhig.

      Da kam, blaß wie der Tod, mit verweinten Augen Elsbeth und fragte: »Oswald, wie geht's dir?« Und sie konnte vor Wehmuth nichts mehr sagen, und er tröstete sie und drückte sie gerührt an sein Herz.

      5.

       Wie Oswald von seinen Feinden verfolgt wird, und was er dagegen thut.

       Inhaltsverzeichnis

      Oswald hatte seit dem Tage, da er an die Gemeinde geredet, eitel Verdruß und Noth. Böse Buben warfen ihm Nachts die Fenster mit Steinen ein. In einer andern Nacht hatten sie ihm sechs junge Obstbäume abgebrochen, die er im Garten gepflanzt hatte. In einer andern Nacht hatten sie ihm den Salat von den Beeten gestohlen.

      Als er zu den Vorgesetzten ging und Klage führte, lachten sie höhnisch und sprachen: »Du hättest wohl mehr Strafe verdient, wenn wir mit dir nach aller Strenge verfahren wollten. Packe dich von hinnen, du Lästermaul!«

      Oswald sagte: »Wenn ihr mir gegen Bösewichter weder Recht noch Schutz verleihen wollet, so machet in der Gemeinde bekannt, daß ich mich selber zu beschirmen wissen werde, und sich Jeder vor Schaden hüten solle.«

      Die Feinde aber fuhren fort, ihn zu plagen, doch nicht ohne ihren Schaden und Schrecken. Denn als er eines Abends in der Mühle war, und sie es wußten, und sich in seinen Garten schlichen, um ihm alles zu zerstören, geschahen plötzlich aus den Fenstern seines Hauses zwei Schüsse. Da liefen sie mit Entsetzen davon und meinten, er müsse den bösen Geist im Hause zum Wächter haben. Denn während sie noch liefen, begegnete ihnen Oswald, der von der Mühle kam, und er packte einen von ihnen und sprach mit donnernder Stimme: »Warum habt ihr, wie Diebe, in meinem Garten einbrechen wollen?« Doch that er ihnen nichts zu leide. Ein andermal, da schlechte Kerls ihm einen Possen spielen wollten, und nach Mitternacht, vom Branntwein erhitzt, über den Hag stiegen, der sein kleines Gut umfing, wurden sie an den Füßen blutig verwundet, daß sie vor Schmerzen laut aufschrien, und kaum über den Hag zurück konnten.

      Diese und andere Geschichten verbreiteten im Dorfe große Furcht, und es wagte sich Keiner mehr des Nachts in die Gegend von Oswalds Haus.

      Er aber blieb freundlich gegen Jedermann, wie zuvor; gab dem Einen guten Rath, dem Andern in der Noth ein Stück Geld. Doch that ihm der elende Zustand der Gemeinde leid, und er begab sich eines Tages zum Pfarrer und klagte es.

      Der Pfarrer sprach: »Ich bin Pfarrer, und habe hier nicht zu befehlen, und kann mich in eure Händel nicht mischen. Alles Unglück dieses Dorfes kommt daher, daß die Leute im Schlamm und Unflath der Sünden untergehen. Sie fragen dem Worte Gottes nichts nach, und verkürzen aller Orten das Einkommen meiner Pfründe. Es wird aber ein schweres Zorngericht des Herrn über sie kommen, und die Langmuth des Himmels nicht länger ihren Sünden nachschauen.«

      Oswald sagte: »Herr Pfarrer, mit Erlaubniß, Ihr könnet doch, wenn ihr wollet, Vieles zur Rettung der Gemeinde thun. Denn das Herz dieser Menschen ist verwildert, weil ihr Verstand verfinstert ist. Wenn Ihr Euch der Schule annehmen und die Jugend in guten Sitten und im christlichen Lebenswandel unterrichten wolltet, daß sie die Tugend lieben und das Laster scheuen lernte: es würden die guten Früchte der Besserung nicht ausbleiben.«

      Der Pfarrer antwortete: »Dafür ist der Schulmeister und nicht der Pfarrer. Ich habe bei der Menge meiner wichtigen Amtsgeschäfte keine Zeit dazu übrig. Die Gemeinde selbst СКАЧАТЬ