Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke - Heinrich Zschokke страница 127

Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ lieber als dich? Mit nichten, du Herzchen.«

      »Ach,« seufzte Röschen, »es ist aber doch nicht recht.«

      »Warum denn nicht, du Närrchen? Ist denn das Küssen in deinen zehn Geboten untersagt?«

      »Ja,« versetzte Röschen, »wenn wir uns einander haben dürften, dann war' es etwas anderes.«

      »Haben? Wenn es nichts anderes ist, alle Tage kannst du mich haben, wenn du willst.« »Ach, Philipp, wie sprichst du auch heute – so wunderlich! Wir können ja daran noch nicht denken.«

      »Wahrhaftig, ich denke aber gar ernstlich daran. Wenn du nur willst.«

      »Philipp, hast du ein Räuschchen? Ob ich will? Geh, du beleidigst mich. – Höre, Philipp, mir hat die letzte Nacht von dir geträumt.«

      »War's was Schönes?«

      »Du habest in der Lotterie gewonnen, Philipp. Da hatten wir beide Jubel. Du hattest dir einen prächtigen Garten gekauft. Kein schönerer Garten ist in und außer der Stadt. Alles hatten wir da vollauf; Blumen an Blumen, wie ein Paradies, und große Beete voll des feinsten Gemüses, und die Bäume hingen schwer von Obst. Ich ward beim Erwachen recht traurig, daß mich der Traum nur geneckt hatte. Sage mir, Philipp, Hast du etwa in die Lotterie gesetzt? Haft du etwas gewonnen? Heute war ja Ziehung.«

      »Wenn ich, bei dir, du schönes Kind, das große Los gewänne, wer weiß, was geschähe? Wieviel müßte ich dann gewinnen für dich?«

      »Wenn du auch nur so glücklich wärst, tausend Gulden zu gewinnen. Dann könntest du schon einen artigen Garten laufen.«

      »Tausend Gulden? Und wenn es mehr wäre?«

      »O Philipp, was sagst du? Ist's wahr? Nein, betrüge mich nicht, wie mein Traum! Du hast gesetzt, du hast gewonnen. Gesteh' es nur!«

      »Soviel du willst.«

      »O Gott!« rief Röschen und fiel ihm freudetrunken um den Hals und küßte ihn mit glühender Freude: »Mehr als tausend Gulden? Wird man dir auch das viele Geld wohl geben?«

      Unter ihren Küssen vergaß der Prinz das Antworten. Es ward ihm ganz wunderbar, die zarte, edle Gestalt in seinen Armen zu halten, deren Liebkosungen ihm doch nicht galten, und die er doch so gern für seine Rechnung genommen hätte.

      »Antworte doch, antworte doch!« rief Röschen ungeduldig: »Wird man dir auch die Menge Geldes geben wollen?«

      »Ich hab' es schon: und macht dir's Freude, so geb' ich's dir.«

      »Wie, Philipp, du trägst es mit dir?«

      Der Prinz nahm seine Börse hervor, die er, schwer von Gold, zu sich gesteckt hatte, um sie beim Spieltische anzuwenden. »Nimm und wäge, Mädchen!« sagte er und legte sie, indem er die kleinen, zarten Lippen küßte, in Röschens Hand. »Bleibst du mir dafür hold?«

      »Nein, Philipp, wahrlich für dein vieles Geld nicht, wenn du nicht mein Philipp wärst.«

      »Und wie, zum Beispiel, wenn ich dir noch einmal soviel geben würde und nicht dein Philipp wäre?«

      »So würf' ich dir deine Schätze vor die Füße und machte dir einen höflichen Knix!« sagte Röschen.

      Indem ging eine Tür droben auf; man hörte Mädchenstimmen und Gelächter. Der Schimmer eines Lichtes fiel oben auf die Treppe. Röschen erschrak und flüsterte: »In einer halben Stunde bei der Gregorienkirche!« und sprang davon, die Treppe hinauf. Der Prinz stand wieder im Finstern. Er ging zum Hause hinaus und betrachtete das Gebäude und die erleuchteten Fenster. Die plötzliche Trennung war ihm natürlich sehr unzeitig geschehen. Zwar die Geldbörse gereute ihn nicht, mit der das Mädchen davongeflogen war: Wohl aber, daß er das Gesicht der unbekannten Schönen nicht beim Lichte gesehen hatte; daß er nicht einmal ihren Namen wußte, und noch weniger, ob sie aus der Drohung, ihm das Geld vor die Füße zu werfen, Ernst machen würde, wenn er ihr in seiner wahren Gestalt erschiene. Inzwischen vertröstete er sich auf das Finde-mich bei der Gregorienkirche. Eben dies Plätzchen hatte ihm auch der Nachtwächter angewiesen. Julian verstand bald, daß er sein glückliches Abenteuer nur diesem, doch ohne dessen Willen, zu danken hatte.

      9.

       Inhaltsverzeichnis

      Sei es, daß der Geist des Weins durch die wachsende Kälte der Neujahrsnacht oder durch Röschens Täuschung in seiner Wirkung gesteigert ward; der Mutwille des fürstlichen Nachtwächters nahm überhand.

      Mitten in einem Haufen von Spaziergängern blieb er an einer Straßenecke stehen und stieß mit solcher Kraft ins Horn, daß alle Frauenzimmer mit lautem Schrei zurücksprangen und die Männer vor Schrecken steif wurden. Dann rief Julian die Stunde an und sang dazu:

      Der Handel uns'rer lieben Stadt

       Gewaltig, abgenommen hat.

       Selbst uns're Mädchen, weiß und braun,

       Sucht man nicht mehr zu Ehefrau'n.

       Die Ware putzt sich, wie sie kann,

       Und bringt sich doch nicht an den Mann.

      »Das ist doch unverschämt!« riefen einige weibliche Stimmen im Haufen, »uns mit Waren zu vergleichen!« Von den anwesenden Männern aber lachten viele aus vollem Halse. »Da capo!« schrien einige lustige Brüder. »Bravo, Nachtwächter!« schrien andere. »Was unterstehst du dich, Kerl, unsere Frauenzimmer auf öffentlicher Straße zu beleidigen?« schnob ein junger Leutnant, der ein hübsches Mädchen am Arm führte, den Nachtwächter an.

      »Herr Leutnant, der Nachtwächter singt leider Gottes die Wahrheit!« entgegnete ihm ein junger Müller. »Und gerade das Weibsbild, das Sie am Arm führen, bestätigt die Wahrheit. He, Jungferchen, kennst du mich? Weißt du, wer ich bin? He? Geziemt sich das für eine verlobte Braut, des Nachts mit anderen Männern herumzuschwärmen? Morgen sag' ich's deiner Mutter. Ich will nichts mehr mit dir zu schaffen haben!«

      Das Mädchen verhüllte sich das Gesicht und zupfte am Arm des Offiziers, um davon zu kommen. Der Leutnant wollte aber, ein Kriegsheld, vor dem Müller nicht so leicht Reißaus nehmen und mit Ehren das Feld behaupten. Er stieß eine Menge Flüche aus, und da dieser kein Wort schuldig blieb, schwang er den Stock. Plötzlich aber erhoben sich zwei dicke spanische Rohre, von bürgerlichen Fäusten geführt, warnend über dem Haupte des Leutnants.

      »Herr!« rief ein breitschulteriger Bierbrauer dem Kriegsmanne zu: »Hier keine Händel wegen des schlechten Mädchens angefangen. Ich kenne den Müller; er ist ein braver Mann. Er hat recht; und der Nachtwächter hat recht, so wahr ich lebe! Ein ehrlicher Bürgersmann und Professionist kann und mag kaum noch ein Mädchen aus unserer Stadt zur Frau nehmen. Die Weibsbilder wollen sich alle über ihren Stand erheben; statt Strümpfe zu stopfen, lesen sie Romane; statt Küche und Keller zu besorgen laufen sie in Komödien und Konzerte. Im Hause bei ihnen ist Unflat, und auf den Gassen gehen sie geputzt einher wie Prinzessinnen. Da bringen sie dem Manne keine Mitgift ins Haus, als ein paar schöne Röcke, Spitzen und Bänder und Liebschaften, Romane und Faulheit. Herr, ich spreche aus Erfahrung. Wären unsere Bürgerstöchter nicht so verderbt, ich wäre langst verheiratet.«

      Alle Umstehenden erhoben ein СКАЧАТЬ